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Die selektive Moral des Herrn Wolffsohn

Von Peter Haisenko

Gezielte Tötungen sind gerechtfertigt! - sagt Herr Wolffsohn am 16. November 2013 im TZ-Interview. Mit Ausrufezeichen. Wie weit darf sich jemand von demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen entfernen, der an der Bundeswehruniversität lehren darf?

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In sophistischer Weise differenziert Wolffsohn die Zehn Gebote: Töten darf man, sagt er, nur nicht morden. Das deutsche Recht, die europäischen Grundlagen des gesellschaftlichen Konsens können hier keine Differenzierung zulassen. Nicht einmal ein Gericht hat in Europa das Recht, einen Menschen zum Tode zu verurteilen. Wer einen Menschen umbringt, begeht einen Mord. Schlimm genug, dass es immer noch Staaten gibt, die Menschen nach Recht und Gesetz ermorden dürfen. Richtig ekelhaft wird es aber, wenn sich ein Staat das Recht herausnimmt, Menschen ohne ein ordentliches Gerichtsverfahren einfach so abzuknipsen. Wolffsohn rechtfertigt genau das.

Gibt es saubere Kriege? Wolffsohn stellt die Frage rhetorisch und gibt die Antwort sofort mit Nein. In welchem Jahrhundert leben wir denn? Vor hundert Jahren, als die Welt noch nicht unilateral von der angelsächsischen Un-Moral beherrscht war, hat man wenigstens den Versuch unternommen, auch im Krieg nicht alle Mittel zu erlauben. Es wurde das Kriegs- und Völkerrecht geschaffen.

Kniefall vor dem Recht des Stärkeren

Jedes Rechtssystem schützt in erster Linie die Schwachen. Wer stark genug ist und keinen eigenständigen Anspruch auf moralisches Handeln hat, für den ist jedes Rechtssystem ein lästiges Hindernis seiner Entfaltungsmöglichkeiten. Ein Rechtssystem muss über die Mittel verfügen, Recht durchzusetzen. Wer stärker als die Exekutive ist, kann Recht ignorieren. Spätestens zum Ende des Zweiten Weltkriegs haben die Alliierten unter amerikanisch-englischer Führung diesen Vorteil wahrgenommen. Sie haben Millionen Zivilisten mit Bombardierungen ermordet. Sie sind dafür nicht zur Verantwortung gezogen worden und so haben sie sich weiter gesteigert in der Missachtung völkerrechtlich humanitärer Prinzipien – wie jeder gemeine Verbrecher.

Wolffsohn begibt sich mit seinem nächsten rhetorischen Frage-Antwort-Spiel völlig ins Absurde: Wie kann man als Person oder Staat auf Mord reagieren? Man kann nicht, sagt Wolffsohn, denn man ist tot. Offensichtlich ist Wolffsohn im Denken der persönlichen Rache hängen geblieben. Zum einen kann ein Staat nicht einfach tot sein. Zum anderen ist es Aufgabe des Rechtssystems, einen Mord zu bestrafen, und das Rechtssystem stirbt nicht wegen eines Mordes. Das Rechtssystem stirbt aber, wenn man sich selbst das Recht zuspricht, der höchste Richter über Leben und Tod zu sein. Eben so, wie es die Mörder im Weißen Haus tun.

Al Kaida und Taliban haben US-Bürger massenweise ermordet, führt Wolffsohn an. Das ist sein Argument zu Gunsten des „Rechts“ der USA, jeden zu ermorden, den sie als gefährlich für die USA klassifiziert haben. Wohlgemerkt, ohne Gerichtsurteil oder harte Beweise. Ohne hier einen Mord mit dem anderen relativieren zu wollen, muss doch ein zumindest moralisches Gleichgewicht angemahnt werden. Wie viele Menschen weltweit haben die USA in den letzten Jahrzehnten ermordet? Mit Kriegen, die mit der Rechtfertigung durch gefälschte „Beweise“ vom Zaun gebrochen worden sind? Meist für Öl. Es sind mehrere Millionen.

Die Bomben, die zum Beispiel auf Laos oder Kambodscha abgeworfen worden sind, einfach so, auf neutrale Länder, töten heute noch täglich unschuldige Zivilisten. Folgte man Wolffsohns Logik, dann hätten diese Länder jedes Recht, sich Amerikaner zum Töten auszuwählen. Allen voran den Präsident, denn dieser wird weiterhin Morde befehlen – und genau das ist die Argumentation Wolffsohns, Morde auch präventiv verüben zu dürfen.

Perverse Logik

Wolffsohn mit seinem jüdischen Hintergrund hätte allen Grund, jeden Mord, vor allem politisch motivierten, zu verdammen. Aber auch Wolffsohn ist wohl gefangen in seiner Hybris, dass die USA und Israels Mossad nur gerecht handeln können. Schließlich sind sie es ja, die Anstand und Moral „erfunden“ haben, und auf deren hehre Standards sich jetzt die ganze Welt einnorden muss. Darf. Auch mit Gewalt, Krieg, Mord und Drohnen. – Indianer? Die hätte ich jetzt fast vergessen. Aber das ist eine lässliche Sünde, denn die Amis haben sie ja auch vergessen. Oder verdrängt.

Wolffsohn gibt den USA Rückendeckung, wenn er behauptet, Obama wäre ein guter Mensch, weil er nicht mehr ganze Länder überfällt, sondern nur ausgesuchte Individuen ermorden lässt. Pflichtvergessen wäre er, der Präsident der Gerechten und Tapferen, wenn er das nicht täte. Und zum Schluss behauptet Wolffsohn noch, alles wäre gut, weil Obama schließlich „Friedenspläne“ vorgelegt hat, welche die Kriegsursachen beseitigen sollen. Da ist für Wolffsohn dann jede Aktion gerechtfertigt, denn so komme man schließlich dem Menschheitsziel näher: „Du sollst nicht morden“.

So eine perverse Logik kann sich nur ein krankes Gehirn ausdenken. Ich morde so lange, bis die Morde aufhören? Ja, das könnte funktionieren, wenn zum Schluss nur noch ein Mensch übrig geblieben ist. Wie war das mit Kain und Abel? Aber vielleicht erschließt sich die Logik so: Wir ermorden so lange alle, die sich nicht bedingungslos unterwerfen, bis auch der Letzte eingesehen hat, dass er sich unterwerfen muss – um zu überleben?

Ich kann nicht verstehen, wie Wolffsohn noch für die Bundeswehr als Dozent tragbar ist. Wer sich so weit von den Grundlagen der Zivilisation entfernt hat, darf nicht auch noch deutsche Offiziere verbilden. Wolffsohns perverse Logik ekelt mich an. Tiere werden getötet, Menschen werden ermordet. „Gezielte Tötungen“ sind vorsätzlicher Mord und daran ändert sich nichts, auch wenn diese Morde vom Präsident der USA befohlen oder vom Mossad verübt werden. Mit „James Bond“ sind wir sukzessive daran gewöhnt worden, dass für die „gerechte Sache“ gemordet und dazu applaudiert werden darf. Die „Lizenz zum Töten“ steht aber niemandem zu.

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