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US-Folter-Report – Nur Sadisten foltern

Von Peter Haisenko 

Ein geständiger Verbrecher wird verurteilt und bestraft. Sein Geständnis kann ihn auf ein milderes Urteil hoffen lassen ebenso wie echte Reue. Zeigt er keine Reue oder besteht Wiederholungsgefahr, dann muss der Verbrecher damit rechnen, nach Verbüßen seiner Strafe den Rest seines Lebens in Sicherungsverwahrung zu verbringen. Diese Rechtspraxis entspricht nicht nur demokratisch rechtsstaatlichen Prinzipien, sie wird auch dem allgemeinen Rechtsempfinden gerecht. Grundsätzlich gilt: Ein Geständnis darf nicht vor Strafe schützen – siehe Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung.

Der Vorweihnachtsfrieden ist gestört worden durch das „Geständnis“ der US-Regierung, in industriellem Maßstab und nach genauen Anweisungen höchster Regierungsstellen gefoltert zu haben. Die Tatsache an sich ist nicht neu, nur das offizielle Eingeständnis. Bereits im Jahr 1963 wurde das Handbuch "KUBARK Counterintelligence Interrogation" der CIA als Leitfaden für Agenten in Südamerika ausgegeben und beschreibt als Dienstanweisung "coercive counterintelligence interrogation of resistant sources" (Verschärfte Verhörmethoden für widerspenstige Quellen) diverse Foltermethoden. 1983 kam dann die verfeinerte Version, die wiederum als Grundlage für das Training von US-Agenten in Südamerika diente. In diesen Handbüchern werden bereits alle teuflischen Methoden beschrieben, die uns heute als „neu“ präsentiert werden und schon aus Abu Gureib bekannt sind. Es ist also seit mindestens 50 Jahren dokumentiert, dass die US-Regierung Folter methodisch anwendet.

Die „Hexenprobe“ endete immer tödlich – so oder so

Für die meisten unter uns ist Folter ein abstrakter Begriff, über den man besser nicht genauer nachdenkt. Im Mittelalter noch gängige Praxis, hat der „aufgeklärte“ Preußenkönig Friedrich der Große den Unsinn dieser Verfahrensweise erkannt und mit seiner Krönung im Jahr 1740 verfügt, die „Tortur“ bei Vernehmungen gänzlich abzuschaffen, außer bei „großen Mordtaten“ mit vielen Opfern. Ihm war klar, dass Folter ein gänzlich ungeeignetes Instrument ist, um der Wahrheit auch nur im Entferntesten nahe zu kommen. Die „hochnotpeinliche Befragung“ im Mittelalter hatte demgemäß auch niemals dieses Ziel. Sie diente nur dazu, einem vorgefassten Urteil oder einem geplanten Mord an einer missliebigen Person einen scheinbar rechtmäßigen Rahmen zu verleihen. Die „Hexe“, die der „Hexenprobe“ unterworfen wurde, ist entweder ertrunken oder anschließend als „schuldig“ auf dem Scheiterhaufen gelandet. In jedem Fall war sie anschließend tot.

Das Dilemma des Folterknechts

Folgen Sie mir durch ein unangenehmes Gedankenexperiment. Als unschuldige Person geraten Sie in die Fänge von Folterknechten, die von Ihnen eine Aussage erpressen wollen. Sie wissen um die Grausamkeit, mit der die Folterknechte vorgehen werden. Sie wissen, dass es nur eine Frage der Mittel und damit der Zeit ist, bis diese Folterknechte aus Ihnen ein sabberndes Nichts machen werden, das alles „gestehen“ und unterschreiben wird, was man von Ihm verlangt. Das grausame, das unendlich perfide an dem Vorgang ist, dass man nichts, aber auch gar nichts tun kann, um der Folter zu entgehen. Wer Folter als Mittel zur „Wahrheitsfindung“ gerechtfertigt sieht, geht davon aus, dass er ohne die Anwendung von Folter belogen wird. Man kann also sagen, was man will, auch die reine Wahrheit: die Folterknechte werden es nicht glauben wollen.

Der Folterknecht kann niemandem glauben, denn er selbst hat ein Problem, das ihm sehr wohl bewusst ist. Er kann nie wissen, ob oder wann der Delinquent die Wahrheit sagt, oder eben nur das, was als Ergebnis der Folter herauskommen soll. Folglich wird er seine Foltermethoden immer weiter verschärfen, obwohl er weiß, dass das nicht zu einer Aussage führen kann, die ihm Gewissheit bringen wird. Das unauflösliche Dilemma des Folterknechts liegt darin, dass der Gefolterte sequentiell auch sich wiedersprechende Aussagen unterschreiben wird – je nachdem, was der Folterer gerade verlangt. Die Folgerungen sind so einfach wie brutal: Der Delinquent wird entweder zu Tode gefoltert oder auf unbestimmte Zeit unter brutalsten Bedingungen weggesperrt. In jedem Fall muss verhindert werden, dass der Delinquent Zugang zu einem rechtsstaatlichen Verfahren erhält. Diesen Ablauf können wir zur Schande der gesamten Menschheit in Reinkultur in Guantanamo, dem US-Gefangenenlager auf Kuba, seit mehr als zehn Jahren beobachten.

Folter kann nie der Wahrheitsfindung dienen

Selbst bei den Indianern, den „wilden“ Ureinwohnern Amerikas, diente der Marterpfahl nicht der Informationsbeschaffung, sondern er sollte einem Verbrecher für besonders schwere Vergehen einen besonders schmerzhaften Tod bescheren. Wahrheitsfindung scheidet folglich als Motiv für die Anwendung von Folter aus. Bleiben nur zwei übrig: Purer Sadismus oder grausame, außergerichtliche „Bestrafung“, Rache (siehe Marterpfahl). Diese zwei möglichen Motive müssen für die gesamte Befehlskette angenommen werden: Vom kleinen ausführenden Organ bis zur Spitze der Regierung – im Fall USA dem POTUS (President Of The United States). Dass ein Sadist die Folter durchführt, darf als gegeben angesehen werden. Aber der Sadist kann sich nur ausleben, wenn er für sein Treiben eine „Legitimation“ erhält, das Versprechen seiner Befehlshaber, seine Verbrechen straffrei durchführen zu können. Die eigentlich Schuldigen sind also diejenigen an der Spitze der Befehlskette und die entziehen sich jeder strafrechtlichen Beurteilung, wie wir im Fall Abu Gureib (Irak) erleben mussten. Die Spitze der Befehlskette erteilt ihre schändlichen Anweisungen wiederum in dem Bewusstsein, dass sie ihre (militärische) Macht vor Strafe schützen wird.

Handbücher für Folterpraktiken

Folter hat in den USA eine lange Tradition. Schon die amerikanische Literatur der 1950er Jahre beschreibt, wie Polizisten Menschen mit Schlagwerkzeugen so traktieren, dass der Delinquent keine verräterischen Spuren aufweist, aber tagelang unter Schmerzen leidet. Man kann sich die Frage stellen, in welchen Ländern es Handbücher für Folterpraktiken gibt oder gegeben hat, die explizit von der Regierung autorisiert worden sind. Nicht einmal Stalins Schergen konnten sich auf eine derart perverse „Rechtsgrundlage“ berufen. Auch wenn die USA mit ihren Praktiken nicht allein stehen, so markieren sie heute doch die Spitze aller Länder, in deren Auftrag systematisch gefoltert wird und damit bin ich beim nächsten Punkt: Selbst Folter wird in den USA von Privatunternehmen im Staatsauftrag durchgeführt. Die Firma „Mitchell, Jessen & Associates“ hat dafür immerhin 81 Millionen Dollar kassiert.

Wer nun annehmen wollte, dass dem jetzt veröffentlichten US-Folter-Report Reue folgt, der wird bitter enttäuscht. Alle Verantwortlichen haben erklärt, dass sie ihr Verhalten auch heute noch gerechtfertigt sehen und – das ist das Schlimmste – nicht ausschließen wollen, es wieder zu tun. Sie begründen dies mit dem Totschlagargument der „Nationalen Sicherheit“ und angeblich verhinderten Anschlägen. Der Report selbst aber widerspricht dem und damit bin ich bei dem Report selbst. Dieser umfasst 6.700 Seiten und die Auswertung von 6.000.000 (6 Millionen) Dokumenten. Weniger als 600 Seiten davon sind veröffentlicht worden und davon ist auch noch einiges geschwärzt. Wir müssen also davon ausgehen, dass man uns nur die Spitze des Eisbergs zeigt und die schlimmsten Verbrechen gar nicht dokumentiert sind.

Anzeichen von Reue sind nicht erkennbar

Wir sehen uns also konfrontiert mit Verbrechern, die ein Teilgeständnis abgelegt haben – unfreiwillig – aber keine Reue zeigen. Schlimmer noch, schließen sie eine Wiederholung nicht aus. Angesichts dessen kann ich die Reaktionen unserer Leitmedien nicht verstehen. Anstatt Maßnahmen zu fordern, die die USA zumindest in Zukunft von Folterpraktiken abhalten könnten (Sanktionen?), loben sie die die USA für ihre „Aufklärung“. So Ernst Elitz in seinem BILD-Kommentar u.a.: „Obamas Schuldbekenntnis ist ein Zeichen nationaler Größe. (…) Amerikas Gewissen hat einen Sieg errungen“. Und der Herausgeber der Münchner Tz, Dirk Ippen, versteigt sich sogar zu der Aussage, dass man die „rechtsstaatlich verfassten, nur im Einzelfall immer wieder strauchelnden USA nicht mit Ländern verwechseln darf, in denen die Lüge und das Böse Staatsräson sind.“ Was aber anderes als „Staatsräson“ kann es sein, wenn Folter vom Justizministerium selbst als rechtmäßig bezeichnet wird? Einzelfall? Für „Einzelfälle“ braucht man kein Handbuch! Kann man guten Gewissens mehr als 3.000 Drohnenmorde als „Einzelfall“ bezeichnen?

Einstein hat richtig festgestellt: "Die Welt ist viel zu gefährlich, um darin zu leben – nicht wegen der Menschen, die Böses tun, sondern wegen der Menschen, die daneben stehen und sie gewähren lassen." Unsere Leitmedien und unsere Regierung machen sich zum Mittäter, wenn sie die USA nicht energisch zur Ordnung rufen. Aber wahrscheinlich liegt genau hier das Problem. Zu viele „demokratisch-rechtsstaatliche“ Länder sind bereits Mittäter. Der Europäische Gerichtshof hat in diesem Sommer Polen verurteilt, weil die dortige Regierung amerikanische Foltergefängnisse auf polnischem Staatsgebiet zugelassen hat. Der verantwortliche Regierungschef hat es zugegeben. Die deutsche Regierung wusste Bescheid über Transportflüge von Entführten, die über deutsches Gebiet fliegen durften. Drohnenmorde werden von deutschem Boden aus durchgeführt und der BND hilft dabei mit Informationen.

Wann ist ein Staat ein „Verbrecherstaat“?

Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland hat in diesem Sommer Deutschland gelobt, für die beispiellose Aufarbeitung der Nazi-Verbrechen. Jetzt aber laufen wir Gefahr, wieder zumindest zu Mittätern zu werden bei Verbrechen, die dieses Mal weder aufgeklärt noch geahndet werden sollen. Bis heute, fast 70 Jahre nach dem Krieg, werden Deutsche, die eines Nazi-Verbrechens verdächtigt werden, vor Gericht gebracht. Die „Nürnberger Prozesse“ werden richtigerweise als unumgänglich und Beispiel gebend für gerechte Bestrafung bezeichnet. Wäre es nicht an der Zeit, ein ähnliches Verfahren durchzuführen, das die damaligen Ankläger und Richter an ihren eigenen damals gesetzten Maßstäben messen sollte? Ach ja, das geht nicht, weil die USA schon lange vorsorglich erklärt haben, dass sie sich keinem Urteil irgendeines nicht-amerikanischen Gerichts unterwerfen werden. Unvoreingenommen betrachtet haben wir es also im Fall der USA mit einem Täter zu tun, der nicht nur vorsätzlich handelt, sondern bereits im Vorfeld ausschließt, sich der Beurteilung einer neutralen Instanz zu stellen. Wieder unvoreingenommen kann man einen Staat, der so handelt, nur als „Verbrecherstaat“ bezeichnen.

Im „normalen Leben“ würde jeder die Freundschaft zu einem Verbrecher ablehnen. Auch aus Selbstschutz, denn die Nähe zu Verbrechern färbt ab, macht einen selbst verdächtig. Wie kann also unsere Regierung weiterhin die unverbrüchliche Freundschaft zu den USA als Staatsräson aufrechterhalten? Nordkorea wird als Verbrecherstaat bezeichnet, als zur „Achse des Bösen“ gehörig. Betrachten wir, was Nordkorea in den letzten 60 Jahren „verbrochen“ hat: Die Einwohner müssen ein diktatorisches Regime ertragen. Und sonst? Hat Nordkorea andere Länder überfallen, bombardiert? Den Tod von Millionen Menschen weltweit verursacht? Menschen fremder Länder entführt, gefoltert oder mit Drohnen ermordet? Hat Nordkorea Umstürze in fremden Ländern organisiert oder irgendwelche Staatschefs umbringen lassen? So wenig ich ein gutes Wort über Nordkorea sagen will, so sehr sehe ich die Maßstäbe bei der Bewertung verbrecherischer Taten der USA völlig verdreht.

Den Mantel des Schweigens endlich lüften

Was haben unsere Freunde, die USA, in den letzten Jahrzehnten für uns getan, was einer Freundschaft würdig wäre? Da wäre die „Finanzkrise“, die der befohlenen Deregulierung geschuldet ist. Da sind Hunderttausende Flüchtlinge, die aus den Ländern zu uns strömen, deren Strukturen von den USA zerstört worden sind. Die Bundeswehr muss in fremden Ländern kämpfen, nur weil diese Länder von der US-CIA oder der US-Finanzwaffe angegriffen worden sind. Wir stehen in einer ungewünschten Konfrontation mit Russland, nachdem es den USA nach dem dritten Anlauf gelungen ist, die desolate Lage der Ukraine zu einer handfesten Krise zu eskalieren. Braucht man noch Feinde, wenn man einen solchen „Freund“ hat? Und nun „outet“ sich unser Freund als übler Folterstaat.

„Westliche Werte“ wollen wir vertreten. Russland hat sich angeblich von diesen entfernt und wird mit Sanktionen belegt, die mehr uns als Russland schaden. Wenn wir aber wirklich die hehren westlichen Werte vertreten wollen, dann dürfen wir nicht tatenlos zusehen, wie unser Hegemon genau diese mit Füßen tritt. Es ist die Pflicht unter Freunden, einem gestrauchelten Freund zu helfen. Genau das tun wir aber nicht, wenn wir einfach geflissentlich darüber hinwegsehen, wenn unser Freund unsere gemeinsamen Werte schändlich verrät. Ein geständiger Verbrecher muss abgeurteilt werden. Wenn er Reue zeigt, am besten tätige Reue, dann kann ihm eine Strafe zur Bewährung auferlegt werden. Das ist aber das Mindeste, wenn man vermeiden will, dass das Rechtsempfinden vollkommen unter die Räder kommt.

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Was von Deutschen in Afghanistan an Positivem geleistet worden ist, von militärischen und nicht-militärischen Organisationen (CIMIC), das beschreibt Dr. Joachim Spross anhand unterhaltsamer Episoden aus eigenem Erleben in seinem Buch „Verteidigung am Hindukusch“. Er beschreibt auch, wie sehr sich das Verhalten und die Erfolge der Amerikaner und Deutschen in Afghanistan unterscheiden. Im Buchhandel oder  direkt beim Verlag hier.

Amnesty schließt sich meinen Forderungen an:

 

CIA-Folterbericht: Auch Europa muss ermitteln

Pressemeldung von AMNESTY INTERNATIONAL:

Amnesty: Verantwortliche für Folter müssen vor Gericht gestellt werden. Auch EU-Länder müssen aufklären und zur Strafverfolgung beitragen

BERLIN, 17.12.2014 – Die Veröffentlichung des Berichts über die jahrelange Folterpraxis der CIA muss Konsequenzen haben, fordert Amnesty International. Die wesentlichen Inhalte des Berichts sind schon seit Jahren bekannt, aber nun gibt es eine umfangreiche Dokumentation der CIA-Praxis direkt aus der Quelle des US-Senats. „Wenn die USA jetzt keine strafrechtlichen Konsequenzen ziehen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen, sendet die Regierung ein verheerendes Signal in den Rest der Welt“, so Selmin Çalışkan, Generalsekretärin von Amnesty International Deutschland.

Die USA sind zahlreichen Menschenrechtskonventionen wie der UN-Antifolterkonvention beigetreten, die die Regierung zur Bestrafung von Folterverantwortlichen verpflichten. „Die Strafverfolgung von Folter darf nicht der parteipolitischen Auseinandersetzung in den USA geopfert werden. Wenn die US-Regierung diese Verpflichtungen nicht ernst nimmt, ist dies eine Bankrotterklärung für die Menschenrechtsbilanz der USA. Und gleichzeitig eine Einladung an andere Staaten weltweit, sich aus politischen Gründen nicht an Menschenrechtsstandards zu halten“, sagt Çalışkan. „Andere Staaten, in denen regelmäßig gefoltert wird und in denen die Folterer straffrei bleiben, dürfen sich nicht auf das schlechte Beispiel der USA berufen können.“

Zuständig sind die US-amerikanischen Strafverfolgungsbehörden. Wenn diese aber tatenlos bleiben, müssen andere Möglichkeiten der juristischen Aufarbeitung genutzt werden. Als positiv wertet Selmin Çalışkan die gestrige Ankündigung von Generalbundesanwalt Harald Range, den kompletten Bericht anzufordern und die Strafanzeige des European Center for Constitutional and Human Rights gegen den damaligen CIA-Chef Tennet und weitere mutmaßliche Verantwortliche. „Amnesty International begrüßt jeden Schritt, der dazu beitragen kann, dass die Verantwortlichen für Folter vor Gericht gestellt werden. Folter ist ein Angriff auf die Menschenwürde, der nicht straflos bleiben darf. Die Opfer der CIA-Folter haben ein Recht darauf, dass ihre Peiniger sich vor Gericht verantworten müssen.“ Die Anzeige des ECCHR wurde gestern beim Generalbundesanwalt Range eingereicht und fordert diesen auf, nach dem Völkerstrafgesetzbuch gegen die Verantwortlichen des CIA-Programms zu ermitteln.

Amnesty International warnt aber auch davor, nur die USA in den Blick zu nehmen: „Die USA haben nicht alleine gehandelt, als sie in den Jahren nach 2001 zur „Terrorbekämpfung“ ein weltweites Entführungsprogramm aufgesetzt haben: Bei der Einrichtung von Geheimgefängnissen in Europa, in denen grausam gefoltert wurde, war die CIA auf die Unterstützung anderer Staaten angewiesen: Vieles spricht dafür, dass Staaten wie Polen, Litauen und Rumänien den USA bereitwillig Grundstücke für die Einrichtung der Foltergefängnisse überlassen haben. Die Bundesregierung hat den USA Überflugrechte eingeräumt, um die entführten Terrorverdächtigen in verschiedene Gefängnisse bringen zu lassen. „Auch die Staaten, die sich zum Komplizen des CIA-Folterprogramms  gemacht haben, müssen Verantwortung für ihre Rolle übernehmen!“, fordert Caliskan. Deshalb begrüßt Amnesty International erste Schritte in die richtige Richtung wie die Anforderung des vollständigen CIA-Berichts durch den polnischen Generalbundesanwalt.

Der vom deutschen Bundestag 2009 eingesetzte BND-Untersuchungsausschuss, der die deutsche Kooperation mit dem CIA-Programm klären sollte, konnte keine vollständige Aufarbeitung leisten: Er erhielt nicht alle nötigen Unterlagen und Zeugenaussagen, weil Regierungsstellen viele Informationen unter Verweis auf Geheimhaltungspflichten zurückhielten. Das daraufhin angerufene Bundesverfassungsgericht erklärte die Zurückhaltung dieser Informationen für verfassungswidrig. „Die nötige Konsequenz aus Verfassungsgerichtsurteil wurde nie gezogen. Eine erneute Untersuchung der deutschen Verantwortung unter Berücksichtigung aller Informationen steht noch aus“, stellt Çalışkan fest.

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