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Iridium & Rhodium – Seltene Schätze mit spektakulären Preisspitzen in spe
Von Hans-Jörg Müllenmeister
Während Gold seinen stillen Zauber auf hohem Preisniveaus fortsetzt, werfen wir einen forschenden Blick auf zwei außergewöhnliche Exoten der Edelmetallwelt. Doch bevor sich Investoren von schönen Zahlen verführen lassen, sei gewarnt: Iridium und Rhodium verzaubern nicht allein durch Zahlen – sie glänzen durch ihre einzigartige industrielle Seele.
Bisher haben sie eher im Schatten von Gold und Silber ihr Dasein gefristet. Aber dann kam der magische Moment: Im September 2022 erklomm Iridium ein schwindelerregendes Rekordhoch von über 6.100 Euro je Unze – mehr als das Doppelte des damaligen Goldpreises. Es scheint, als bereiteten sich diese grauen Giganten darauf vor, Gold in einem erstrebten monetären Wettstreit in den Schatten zu drängen.
Doch der wahre Zauber dieser Metalle entfaltet sich weit abseits des Börsenparketts. Iridium, Rhodium und die gesamte Platinfamilie sind stille Helden der High-Tech-Welt. Mit ihrer brillanten elektrischen Leitfähigkeit, ihrer nahezu unbezwingbaren Resistenz gegen Korrosion und einer katalytischen Kraft, die technologische Wunder ermöglicht, wirken sie wie unsichtbare Architekten einer innovativen Zukunft. In feinen Applikationen – sei es in hochpräzisen Katalysatoren, winzigen Elektronikkomponenten oder medizintechnischen Meisterwerken – zeigen sie, dass ihr Wert weit über rein monetäre Betrachtungen hinausgeht und sie zu Wegbereitern einer nachhaltigen, modernen Welt machen.
Iridium, das aus der Tiefe des Alls kam
Vor rund 66 Millionen Jahren entfachte ein Himmelskörper von etwa 14 Kilometern Durchmesser ein episches Bild am Firmament, als er mit titanischer Wucht im heutigen Yucatán einschlug. Dieser kosmische Aufprall, bekannt als der Chicxulub-Einschlag, hinterließ weltweit einen feinen Schleier aus Staub – eine markante Iridium-Anomalie, die in den Bohrkernen des einstigen Einschlagsorts ihre stille Zeugenrolle einnahm. Dieses Iridium, ein Bote aus den Tiefen des Universums, erzählt eine Geschichte, die weit über irdische Ursprünge hinausgeht. Zeitgleich regt sich in den schier unermesslichen Weiten der Erdkruste ein anderes mysteriöses Rätsel: Die unscheinbare Präsenz von Indium. Zwar verteilt in hauchdünnen Anteilen von nur einigen Teilen pro Million, verbirgt sich im gesamten geochemischen Erbe dennoch ein gigantischer Vorrat – Millionen Tonnen an Indium, gleichmäßig verstreut wie ein feiner Staub, der kaum wirtschaftlich greifbar ist.
Seltenheit ist eine Frage der Relation
Die Frage nach der Seltenheit ist wie ein kunstvoll verwobenes Netz aus geologischen Prozessen, kosmischen Einflüssen und modernen Rohstofffragen. Iridium ist weltweit präsent, doch seine Verteilung in der Erdkruste gleicht einem zarten Hauch, diffus und kaum fassbar – ein schimmerndes Geheimnis, das sich im Zusammenspiel mit seinen Geschwistern der Platinfamilie offenbart. Gemeinsam mit Rhodium, Ruthenium, Osmium, Palladium und Platin präsentiert es sich nie als reiner Einzelkämpfer, sondern fast immer in spannungsvollen Mischformen, die in eisenreichen Mineralen und sogar in den Fragmenten längst vergangener Meteoriten sichtbar werden. Diese Elemente verbinden sich in einem uralten metallurgischen Tanz, der ihnen eine fast mystische Nähe verleiht.
Die spezifische Seltenheit der Platinmetalle
Blickt man auf die reine globale Streuung in der Erdkruste, so leuchtet Osmium – kaum messbar und beinahe unsichtbar – als das rarste Juwel dieser Familie. Doch welche Perspektive man wählt – den gesamten geochemischen Hintergrund oder die wirtschaftlich gewinnbaren Reserven – diese Geheimniskrämerei bleibt faszinierend. Für Rhodium sprechen geologische Studien eine klare Sprache: Es wurde beinahe vollständig in den geheimnisvollen Tiefen des Erdkerns verschlossen, sodass die kleinen Spuren in der Kruste wie funkelnde Brosamen eines einst mächtigen Schatzes erscheinen. Iridium dagegen, mit seiner leicht differenzierten Anziehungskraft, zeigt ein komplexes Mosaik: Es ist zwar in der Erdkruste kaum konzentriert, doch seine Verteilung zwischen Kern, Mantel und Kruste wird von den feinen, physikalisch-chemischen Bedingungen der frühen Erdbildung bestimmt – ein stilles Zusammenspiel, das bis heute ungelöst bleibt.
Iridium-Lagerstätten
Die Schätzungen zur global abbauwürdigen Menge an Iridium gleichen einem stürmischen Meer, in dem die Wellen der Unsicherheit hoch schlagen. Man vermutet, dass die wirtschaftlich gewinnbaren Reserven – jene funkelnden Anteile, die sich in ganz besonderen Lagerstätten zusammenballen – sich lediglich im Bereich weniger Dutzend bis hin zu einigen Hundert Tonnen bewegen. Dabei liegt der wahre Schatz in den Lagerstätten, in denen Iridium zusammen mit anderen Mitgliedern der Platingruppe seine Magie entfaltet. Stellen Sie sich das vor: Im Bushveld-Komplex in Südafrika, dem größten magmatischen Eindringen von fließfähigem Material in die bestehende Erdkruste, verschmelzen die Kräfte der Natur, und ebenso in den sagenumwobenen Vorkommen von Norilsk in Russland oder dem mystischen Sudbury-Krater in Kanada, wo Iridium als geheimnisvolles Nebenprodukt bei der Verarbeitung von nickel-, kupfer- oder platinreichen Erzen zutage tritt.
Prozentuale Zusammensetzung der Platinfamilie
In den zauberhaften natürlichen Vorkommen der Platingruppe spielen Platin und Palladium die Hauptrollen, während Rhodium und Iridium als zarte Nebendarsteller auftreten – gemeinsam machen sie meist nur einen winzigen Mosaikteil von etwa 5 bis 15% der gesamten Masse aus. Diese prozentuale Komposition malt ein Bild, in dem die stärkeren Akzente dominieren und die feinen Nuancen der selteneren Elemente dem Gesamtwerk erst seine besondere Tiefe verleihen.
Steckbrief Iridium und einige seiner Anwendungen
Iridium, ein widerstandsfähiger Gigant unter den Elementen, beeindruckt durch eine fast überirdische Dichte von etwa 22,56 g/cm³. Sein Schmelzpunkt liegt bei 2.445°C, und bei einem Siedepunkt von 4.760°C scheint es fast unmöglich, dass dieses Element je weich wird. Dennoch werden weltweit gerade einmal etwa 8 bis 9 Tonnen pro Jahr gefördert, während der Bedarf – angetrieben von industriellen Träumen und der Suche nach grünem Wasserstoff – mit nahezu 267 Tonnen jährlich um Auftrieb ringt. Besonders im aufstrebenden Feld der Wasserstoffproduktion durch PEM-Elektrolyse könnte der jährliche Bedarf bis 2030 auf rund 27 Tonnen ansteigen.
Doch Iridium hat noch mehr Wundersames im Ärmel: Keine starke Säure vermag es zu zerstückeln, und bei Temperaturen unter 0,11 Kelvin enthüllt es seine geheimnisvollen supraleitenden Eigenschaften – ein rarer Schatz in der Tieftemperaturphysik. Außerdem kann Iridium in verschiedenen Oxidationsstufen auftreten, wodurch sich ein beeindruckendes Spektrum an Reaktivität eröffnet. Diese unerschütterliche Beständigkeit macht es zum gefragten Element in der Herstellung hochbelastbarer Legierungen – sei es in der Luft- und Raumfahrt, im Maschinenbau oder in der Medizintechnik. Selbst in der Elektroindustrie findet man Iridium als treuen Partner in Zündkerzen, Elektroden und speziellen Katalysatoren, während ein historischer Part einer Platin-Iridium-Legierung seinen Platz als Bewahrer des „Urkilogramms“ fand.
Besondere Iridium-Anwendungen
In den endlosen Weiten der Luft- und Raumfahrt erweist sich Iridium als unentbehrlicher Held. Seine unübertroffene Haltbarkeit und Korrosionsbeständigkeit ermöglichen die Herstellung von Komponenten in Turbinentriebwerken und Satelliten-Antriebssystemen. Einst als Luxusmaterial gepriesen, hat sich Iridium in der Raumfahrt zu einem unverzichtbaren Baustein entwickelt, der selbst unter extremen Bedingungen – von intensiver Strahlung bis zu drastischen Temperaturwechseln – seinen Glanz bewahrt.
In diesem rauen Umfeld, wo Raumfahrzeuge unablässig mechanischen Vibrationen und harschen Belastungen ausgesetzt sind, erlauben Iridium-Legierungen und -Beschichtungen, dass strukturelle Bauteile selbst nach vielen Jahren im Vakuum des Alls weiterhin standhaft bleiben. Innerhalb der Triebwerke und Hitzeschutzsysteme spielt Iridium als Teil von Hochtemperatur-Legierungen eine Schlüsselfigur – es trotzt Temperaturen von mehreren Tausend Grad, ohne dem physikalischen oder chemischen Wandel zu erliegen. Schützende Iridium-basierte Beschichtungen bewahren außerdem empfindliche Komponenten vor Oxidation, abrasiven Angriffen und störenden Temperaturschwankungen – ein wesentlicher Vorteil in den unbarmherzigen Gefilden des Weltalls.
Auch in feinster Elektronik und in Zündsystemen zeigt sich der Zauber dieses Elements: Iridium-beschichtete Kontakte sichern nicht nur den elektrischen Funken, der den Start eines Triebwerks ermöglicht, sondern gewährleisten auch die langfristige Ausfallsicherheit in extremen Umgebungen. Darüber hinaus sorgen seine geringen elektrischen Widerstände für eine verlässliche Signalübertragung in der Telekommunikation, und Katalysatoren auf Basis von Iridium ebnen den Weg für effiziente chemische Reaktionen.
Nicht zuletzt betritt Iridium auch die Bühne der Medizin: Radioaktive Isotope, allen voran Iridium-192, finden in der Brachytherapie ihren Einsatz. Bei dieser kunstvollen Form der internen Strahlentherapie werden winzige radioaktive Quellen – fast wie leuchtende Samen – gezielt im oder nahe dem Tumor platziert, um Krebszellen mit präziser Strahlung zu bekämpfen und das gesunde Gewebe so gut es geht zu schonen.
Technologische Besonderheiten und veränderte Nachfrage
Iridium entfaltet seine Macht in hoch belastbaren Komponenten, in denen schon kleinste Mengen den feinen Grat zwischen einwandfrei funktionierenden und ausfallgefährdeten Systemen markieren. Ob in Satellitentechnologien, die den unermesslichen Kosmos überwachen, oder in speziellen Beschichtungen der Luft- und Raumfahrt – hier entscheidet Iridiums unsichtbare Hand über Erfolg und Misserfolg.
Rhodium dagegen brilliert in der Welt der hocheffizienten Katalysatoren. Während sein zivil-industrieller Einsatz in der Automobilbranche nicht zu übersehen ist, entfaltet der strategische Bedarf der Rüstungsindustrie in Krisenzeiten eine besondere Dynamik. Diese zusätzliche Sondernachfrage belastet den ohnehin straffen Markt und lässt die Preise dieser Metalle in schwindelerregende Höhen schnellen.
Kurzum: Der Einfluss der Rüstungsindustrie – sei es durch direkte Abnahme, langfristige strategische Sicherheit oder als Teil eines global von geopolitischen Krisen getriebenen Marktes – fügt dem feinsäuberlich austarierten Angebot-Nachfrage-Gleichgewicht eine unberechenbare Würze hinzu. Dies führt zu Preiserhöhungen bei diesen ohnehin knappen und kostbaren Metallexoten.
Ein weiterer Puls der Zukunft schlägt in den erneuerbaren Energien: Besonders im Bereich der Wasserstoffproduktion zeigt sich Iridiums Bedeutung. Bei Protonen-Austauschmembran-Elektrolyseuren wird Iridium als lebenswichtiger Katalysator in den Anoden eingesetzt, um die Sauerstoffentwicklung zügig zu entfachen. Mit dem Bestreben, wechselhafte Energiequellen wie Wind und Sonne in stabilen, grünen Wasserstoff zu verwandeln, steigt die Zahl der Elektrolyse-Anlagen weltweit rasant an. Prognosen deuten darauf hin, dass allein bis zum Jahr 2030 die Nachfrage nach Iridium das derzeitige Angebot bei weitem übersteigen könnte – was zu erheblichen preistreibenden Verknappungen führt.
Und was bedeutet das für den Anleger? Die Rüstungsindustrie – diese gefräßige Konstante – wird uns auch künftig begleiten. Ihr düsterer Schatten, der sinnbildlich für das „Ab-Rüsten“ der Menschenleben steht, sorgt dafür, dass geheime Mengen an Iridium und Rhodium stets bereitliegen, den Militärs als treuer Begleiter zur Seite zu stehen. Diese Metallexoten sind robust, beständig und, man könnte sagen, unverschämt kriegstauglich. Nur Naivlinge glauben, dass jede dem vernebelten Markt entnommene Iridium-Unze den Krieg abkürzen könnte. Vielmehr verhängt sie mit unerschütterlicher Hartnäckigkeit eine Verlängerung des kriegerischen Spiels.
Ein passend abgewandeltes Mephisto-Zitat aus Goethes Faust bringt diesen Gedanken eindrucksvoll zum Ausdruck:
“Der ‚Krieg‘ hat einen guten Magen,
Hat ganze Länder aufgefressen,
Und doch noch nie sich übergessen;
Der ‚Krieg‘ allein, meine lieben Frauen,
Kann ungerechtes Gut verdauen.”
So schließt sich der Kreis: In einem komplexen Zusammenspiel aus technologischen Errungenschaften, strategischer Nachfrage und globalen Machtverschiebungen spielen Iridium und Rhodium weiterhin eine zentrale Rolle – als stille Giganten in einer taumelnden Welt im Wandel.
