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Enttäuschte Erwartungen bei der energetischen Sanierung von Gebäuden

„Er kann sich halt nicht einschränken!“  Da hilft nur der Griff nach dem Portemonnaie

Von Sigrid Petersen 

Einleitung

Immer wieder kommt die Frage auf, ob energetische Sanierungsmaßnahmen den Einsparungseffekt zeitigen, die sie versprechen, zumal weder die Heizenergieverbräuche pro m² Wohnfläche noch die CO2-Emissionen trotz immenser Investitionen, die in diese Sanierungen jährlich fließen, in der erwarteten Größe absinken oder sogar stagnieren. 

Das ifeu-Institut „Agora Energiewende“ hat Anfang 2022 eine Kurzstudie herausgebracht, um „Erklärungen für stagnierende CO2-Emissionen trotz erfolgreicher Sanierungsmaßnahmen“ zu geben. 

In der Einleitung werden die in der Studie zu beantwortenden Fragen aufgeworfen, wie beispielsweise, warum der temperaturbereinigte Energieverbrauch für Raumwärme trotz gleichbleibender Höhe von Sanierungsmaßnahmen zwischen 2010 und 2018 nur um 1% gesunken ist, die Antworten werden auch gleich mitgeliefert: der (fehlende) Energiepreisanstieg, die gestiegene Wohnfläche pro Person und der Rebound-Effekt. Diesen Antworten will ich mich hier einmal widmen. 

Heizenergieverbrauch 

Zum Heizenergieverbrauch und den gestiegenen Energiepreisen möchte ich die folgende Abbildung (Grafik 1) heranziehen: Zwischen 2000 und 2010 sei der Heizenergieverbrauch um 30% gesunken. Wenn man den Heizenergieverbrauch 2000 mit 2009 vergleicht, ist der Verbrauch von 159 kWh/m²·a auf 142 kWh/m²· a, also um 12% gesunken. 2010 lag er höher als 2000, denn 2010 war ein sehr kalter Winter. Um weitere 5% ist der Verbrauch von 2010 bis 2020 gesunken, bis 2018 allerdings nur um 2%. Schaut man sich nun die Energiepreise an, lässt sich feststellen, dass die Energiepreise in der ersten Hälfte des Betrachtungszeitraumes zwar stärker gestiegen sind, aber sie haben das niedrigere Niveau von vor 2010 nicht wieder erreicht. 

Nun sind das absolute Zahlen, aber auch zum durchschnittlichen Nettorealeinkommen sind die Energiepreise nach 2010 höher (außer 2020)  gewesen als bis 2010 (Grafik 2). In den 5 Jahren vor 2010 und in den 5 Jahren nach 2010 waren die Energiepreise im Verhältnis zu den Einkommen, also in beiden Jahrzehnten zur Hälfte,  sehr hoch. Da scheint mir die Conclusio von „Agora Energiewende“, dass niedrige Energiepreise das Energieeinsparen reduziert hätten, doch weniger plausibel. Für 2022 (und Folgejahre) mag der Energiepreis durchaus zu Einspareffekten beigetragen haben, da er bei vielen Haushalten die Verhältnismäßigkeit zum Einkommen sprengt. Dass die Temperaturen auf den Verbrauch unmittelbaren Einfluss haben, steht wohl außer Frage. Erkennbar an kalten Wintern wie 2013 und 2010 oder auch an wärmeren Wintern wie 2007 (Grafik 3). 

Der vorläufig festgestellte Verbrauch für 2022 spricht von einer Heizenergieeinsparung gegenüber dem Vorjahr von 5% (DIW Wärmemonitor). 
Die massiven Energiepreiserhöhungen im Jahr 2022 scheinen sich entsprechend ausgewirkt zu haben. An dieser Stelle müsste man bezüglich des Stagnierens des Heizenergieverbrauchs je Quadratmeter nun auch nachfragen, inwieweit und seit wann sich der „Wärmeinseleffekt“ an den Standorten der Temperaturmessstationen auswirken könnte. Denn betrachtet man den Temperaturverlauf – insbesondere seit 2014 – müsste man doch eigentlich von einer Abnahme des Heizenergieverbrauchs je Quadratmeter Wohnfläche ausgehen, zumal doch immer weiter gedämmt wird. 

„Agora Energiewende“ geht selbstverständlich davon aus, dass die Energetischen Sanierungen ihren erwarteten Effekt hätten, wäre da nicht der Nutzer, der zu viel heizt, weil die Energiepreise zu günstig sind oder führt den „Rebound-Effekt“ an. Bedeutet, dass der Nutzer eines sanierten Gebäudes, nun, da das Gebäude jetzt weniger Heizenergie bedarf, er ja mehr heizen könne. Eine doch ziemlich abwegige Annahme, dass jemand, der sich vor der Sanierung bei 21°C Raumtemperatur wohlgefühlt hat, nun auf 22°C oder mehr hochheizt und sich dann besser fühlt? Eher ist anzunehmen, dass z.B. nach Einbau von 3-fach Verglasung mit absolut winddichten Fugen die notwendige mechanische Lüftungsanzahl und Lüftungsdauer steigt, um Schimmelbildung vorzubeugen. Drei Mal täglich 15 Minuten! Und das, wo die Luft bei Konvektionsheizung der Wärmeträger ist! Oder eben, dass durch immer größere Dämmstoffdicken kaum noch Effekte erzielt werden, denn es gibt fast keine Gebäude mehr, die nicht schon in der ersten „Dämmwelle“ nicht energetisch auf Vordermann gebracht worden sind, einfach auch, weil die Hausbesitzer rechnen konnten und sich diese Investitionen auch wirtschaftlich, ohne Förderung(!), rechneten.   

In welchen Zeiträumen sind die Verbräuche tatsächlich maßgeblich gesunken und welche Faktoren können hierfür eine Rolle gespielt haben? Hier sollte man sich einmal anschauen, welchen Einfluss die Heizsysteme spielen könnten. Waren zu Beginn der Neunziger (gerade in den Neuen Ländern) noch viele Wohnungen mit Einzelöfen, Etagenheizungen und Heizungsanlagen mit Wirkungsgraden unter 65% ausgestattet, so änderte sich dieses sukzessive zu Niedertemperaturheizungen mit bis zu 85% Wirkungsgrad und dann zu Brennwertgeräten mit über 85% bis zu 95% (und mehr) Wirkungsgrad (Grafik 4). Bis vor Beginn der 2000er lag der Anteil an Niedertemperaturheizungen schon bei über 80%, 2009 ist der Anteil der Brennwerttechnik auf über 63% gestiegen. Zunehmende Brennwerttechnik und abnehmende Niedertemperaturtechnik haben sich sehr spiegelbildlich entwickelt. 

In diesem Zeitraum, sind anscheinend auch die stärksten Verringerungen im Heizenergieverbrauch zu verzeichnen. Und in diesem Zeitraum sind auch viele erste Isoliermaßnahmen der Gebäudehülle, insbesondere Dachdämmungen, Dämmung der Kellerdecken und der Einbau von Isolierglasfenstern unternommen worden, abgesehen von allen Maßnahmen, die schon in den 80ern stattgefunden hatten. Über Zeiträume vor 1990 liegen leider keine Vergleichsdaten vor, beträfen dann auch nur 2/3 der BRD.  Dieses waren in den 80ern und 90ern und noch bis weit in die Nullerjahre hinein die Maßnahmen, die energietechnisch an deutlich der Mehrzahl der Wohngebäude vorgenommen wurden. Oft nicht einmal nur aus Gründen des Einsparzieles, sondern auch, um den Wohnwert, auch des Mietwohnungsbaus, zu verbessern. Die Ansprüche auf Zentralheizung, nicht zugige Wohnungen, WC und Bad innerhalb der Wohnung … waren gestiegen und Anfang  der 2000er schon weitgehend erfüllt.   

Der Erfolg der Energetischen Sanierungen wird in der Studie von „Agora Energiewende“ also auch für das letzte Jahrzehnt (2010-2020) als gegeben vorausgesetzt. Schon an dieser Stelle sind Zweifel angebracht. Denn: wie so oft, wenn wir uns mit Themen der Energiewende befassen, sind die Grundlagen aller Annahmen, um Ziele (Einsparziele) zu beschreiben oder festzulegen, Modellrechnungen. In diesem Fall sind es vornehmlich „U-Wert“ Berechnungen. Wenn die Bauteilflächen eines Gebäudes mit Materialaufbauten konstruiert sind, die einen bestimmten U-Wert nicht überschreiten, dann wird das Gebäude nicht mehr als eine theoretische Menge an kWh Heizenergie pro m² Wohnfläche bei üblichen Raumtemperaturen verbrauchen, so die Annahme. Und man wundert sich, dass, wenn heute inzwischen ca. 32% der Bebauung nach Verordnung (Wärmeschutzverordnung, Energieeinsparverordnung) erbaut und ca. 36% des Altbaubestandes von 1990 bereits (gefördert) energetisch saniert sind, die Verbrauchszahlen nicht den Erwartungen entsprechen. 

Da bleibt dann zu vermuten, dass die Berechnungen nicht mit der Realität übereinstimmen. Die „U-Wert-Theorie“ ist eben auch nie überprüft und mit der Praxis abgeglichen worden. 

Die Anforderungen beispielsweise an die Stärke der Wärmedämmungen werden immer höher, ohne dass damit ein signifikanter Einspareffekt verbunden sein könnte, denn die Wirkung pro cm zusätzlicher Dämmstoffdicke nimmt logarithmisch ab (Grafik 5 und 5a). 

Deutlich erkennbar, dass in den 90ern und Anfang der 2000er auf Grund von Dämmmaßnahmen die größten Erfolge in der Einsparung von Heizenergie zu den vorangegangenen Jahren zu verzeichnen sein müssen(!). Und dass mit fortschreitender Dämmstoffdicke nur noch wenig zusätzliche Erfolge gezeitigt werden können. Was allerdings nicht bedeutet, dass die Zunahme der Dicke nicht auch im Preis an die „Zunahme“ der Dämmwirkung gekoppelt wäre. Der Preis je cm ist ziemlich konstant. 

Das Problem ist, dass man eigentlich überhaupt keine realistischen Aussagen über die Effektivität von Energetischen Sanierungen machen kann. Warum nicht? Weil keine, schon gar keine obligatorischen, Erhebungen vor und nach Sanierungen am Gebäude vorgenommen werden. Sollte natürlich eigentlich der Fall sein, weil ja immerhin jährlich, inzwischen seit über 20 Jahren, Gelder (mit vielen Fördermitteln) in Höhe von im Mittel 35 Mrd Euro in diese Energetischen Sanierungen fließen. Die Antwort auf die Frage, warum hier keine Untersuchungen, vor allem obligatorische, stattfinden, die wird wohl nicht beantwortet werden. 

2012 gab es dann einmal eine Untersuchung, allerding durch den Verband der Privaten Bausparkassen beauftragt und durch das Berliner empirica-Institut zu „Wirtschaftlichkeit von Energetischen Sanierungen“ durchgeführt.

Obige Grafik (Bild 1) aus dieser Studie zeigt, dass die Bedarfswerte (blau – nicht nach Verbrauchsausweis, sondern Bedarfsausweis (theoretisch errechneter Verbrauch)) nicht den tatsächlichen Verbrauchswerten (grün) entsprechen. Hier ein Auszug aus „detail“, einer Architekturfachzeitschrift, in der die empirica-Studie vorgestellt wird: „„Der aktuelle energetische Zustand des älteren Ein- und Zweifamilienhausbestandes ist – gerade vor dem Hintergrund der diskutierten Einsparpotenziale – beeindruckend gut.““ „Über 80 Prozent aller älteren Häuser (Baujahr vor 1978) haben mindestens einen Niedertemperaturkessel, 96% aller Fenster sind mindestens zweifach verglast und in 69% der Häuser wurde das Dach oder die obersten Geschossdecke gedämmt.“….  „Laut Energieausweis beträgt der durchschnittliche Energiebedarf eines unsanierten Einfamilienhauses 400 kWh/m²a und der eines sanierten Hauses 160 kWh/m²a. Breit angelegte Erhebungen, bei denen der Energiebedarf mehrerer Zehntausend Häuser anhand der Heizungsablesung ermittelt wurde, kommen hier auf ganz andere Zahlen: Nicht nennenswert modernisierten Häuser haben einen Energieverbrauch von durchschnittlich 167 kWh/m²a und sanierte verbrauchen 111 kWh/m²a Energie (alle Energiezahlen beziehen sich auf den Endenergieverbrauch).“ Dieses bestätigt, die obige Angabe, dass die größten Heizeinsparpotentiale in den 90ern und Anfang der 2000er schon vollzogen waren. 

CO2-Emissionen

Nun geht es bei der Energieeinsparung vornehmlich um die Einsparung fossiler Brennstoffe in allen Anwendungsbereichen, so auch hier bei der Heizenergieeinsparung, also um die Vermeidung von CO2-Emissionen. Und hier könnte man auch andere Faktoren als die Energetische Sanierung mittels Fassaden-, Dach- und Kellerbodendämmungen sowie Fenster mit Isolierverglasungen zwei- und dreifach vermuten. 

Zum Beispiel ist der Anteil des Mineralöls bei der Herstellung der Raumwärme stetig gesunken und der Anteil an Fernwärme und Erneuerbaren Energien bis 2010 stärker und ab 2010 schwächer gestiegen (Grafik 6).

Nicht nur ist der Anteil an Mineralöl, mit einem höheren CO2-Faktor als Gas, zurückgegangen und der Anteil an Erneuerbaren und Fernwärme (ohne CO2 Anrechnung) gestiegen, sondern wie oben beschrieben, hatten gleichzeitig bis zum Ende des 1. Jahrzehnts der 2000er Jahre die Brennwertkessel einen Anteil von 63% erreicht. Gleichzeitig sind die Wohnflächen insgesamt seit 2000 gestiegen. Dieses allerdings in beiden betrachteten Zeiträumen jeweils um 9-10%. Dass der Heizenergieverbrauch pro Person steigt, wenn mehr Wohnraum von Einzelpersonen bewohnt wird, ist unabdingbare Folge, ändert aber nichts am Verbrauch je Quadratmeter Wohnfläche und beeinflusst natürlich die CO2-Gesamtemissionen, weil mehr Wohnraum zur Verfügung steht, der beheizt werden muss. Je Quadratmeter Wohnfläche haben die CO2-Emissionen 2000-2010 um 22% abgenommen und 2010 bis 2020 nur noch um 6%. Die CO2-Einsparungen je Quadratmeter sind also stärker gesunken als der Heizenergieverbrauch je Quadratmeter (s.o. 12% und 5%). Für diese 10% Differenz im ersten Jahrzehnt verbleibt dann als Quelle der Reduktion nur noch einerseits die Effizienz der Heizgeräte und das Rückfahren von Mineralölen und andererseits die Zunahme Erneuerbarer Energiequellen. Deren Anteil an der gesamten Wärmeerzeugung lag 2000 bei 4,4%, 2010 bei 12,3% und 2020 bei 15,6%. 

Nun könnte eigentlich einzig klare Antwort auf diese Feststellung sein: Da müssen die Erneuerbaren hochgefahren werden! Mit Tempo! Das ist ein neues Thema, denn beispielsweise Gas im Wärmebereich mit Erneuerbaren, ob Strom oder Wasserstoff,  ersetzen zu wollen, wird an der uns umzingelnden Realität scheitern, da es nicht der einzige Bereich ist, der „transformiert“ werden soll. 

Fazit

In der Einleitung der Kurzstudie wird schon recht deutlich gemacht, wo dieser Zug hinfahren soll. Nämlich in Richtung „höhere Energiepreise sind ein maßgeblicher Faktor, um Heizenergie einzusparen“, um damit ein Mittel zu haben, die CO2-Emissionen zu verringern: „Die vorliegende Kurzstudie gibt Handlungsempfehlungen und setzt dabei unter anderem auf ein klares Preissignal in Form absehbar steigender Preise für fossile Energien, welches von der Bundesregierung mit der Einführung eines jährlich steigenden CO2-Preises bereits Anfang 2021 gestartet wurde. Unter anderem damit, so die Hoffnung, würde sich eine CO2-Einspardynamik vergleichbar mit den Nullerjahren entfalten können.“

Und hier als Nachtrag zur Studie Ende 2022 der Einleitung angefügt: „Die Aussage, dass sich Heizpreise auf Basis fossiler Energien jenseits der kriegs- und auch coronabedingten Disruptionen auch nach der Rückkehr zu einer neuen Normalität aufwärtsbewegen müssen, bis ihre Ablösung durch Erneuerbare Energien vollzogen ist, behält ihre Gültigkeit.“

In dieser Studie wird der Energiepreis als stärkster Einflussfaktor festgestellt(!). So ist es auch nachvollziehbar, dass als Grund für nicht eingetretene Erwartungen (Reduzierung der Heizenergie) in erster Linie der Nutzer in Verantwortung gezogen wird. Dieses in 3-facher Hinsicht: erstens, wenn Energie zu günstig, haut er sie sozusagen zum Fenster raus; zweitens,  wenn das Gebäude dann saniert ist, haut er sie auch zum Fenster raus und drittens braucht er zu viel Wohnraum. 

Dass „Agora Energiewende“ die Effektivität der Energetischen Sanierung voraussetzt zwingt natürlich dazu, an anderen Stellen als der Sinn- und Zweckmäßigkeit immer höherer Ansprüche an die bauteilbezogenen Wärmedurchgangswerte zu suchen. 

Und es bietet die Rechtfertigung für hohe Energiepreise als Lösung des Problems, das man selbst geschaffen hat. Damit ist an dieser Stelle nicht das vom Menschen in die Atmosphäre eingetragene CO2 gemeint, sondern das vom Menschen eingebrachte CO2 als Verursacher des Klimawandels festzuschreiben. 

1 static.agora-energiewende.de/fileadmin/Projekte/2021/2021_02_Gebaeudekonsens/2022-09-21_Klimaschutz_im_Gebaeudebereich.pdf

2 www.detail.de/artikel/abschied-vom-zwei-prozent-ziel-neue-sanierungsstudie-vorgelegt-9889/