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Das Desaster der Energieversorgung (Teil 1): Windige Strom- und Gas- Anbieter bereichern sich auf Kosten ihrer Kunden

Von Hubert von Brunn und Peter Haisenko, den Autoren von "Die Humane Marktwirtschaft" 

So manches liegt in unserem Land im Argen. Ein Problemfeld, das letztlich jeden Bürger betrifft, ist die Energieversorgung. Die Preise für Strom und Gas schießen durch die Decke und machen vielen Verbrauchern Angst. Schuld an diesem Desaster sind eine seit Jahren verfehlte Energiepolitik und die ungehemmte Zockerei an der Leipziger Energiebörse.

Gerade jetzt zum Jahreswechsel schockierten die Energieversorger unzählige ihrer Kunden mit der Mitteilung, dass die monatlichen Abschlagszahlungen für Strom und Gas künftig deutlich ansteigen werden. Andere Haushalte wiederum mussten zur Kenntnis nehmen, dass ihr Energieversorger, der sie dereinst mit günstigen Tarifen gelockt hat, pleite ist, und sie nun erst einmal wieder ihre Energie vom üblicherweise teureren Grundversorger beziehen. Lassen wir einmal dahingestellt, dass der Energiemarkt in Bewegung ist und der Versorger bei der Beschaffung von Strom und Gas mehr bezahlen muss, als ursprünglich geplant. Diese Mehrkosten wälzt er natürlich anteilmäßig auf seine Kunden ab. Kauft er günstiger ein, behält er den Gewinn für sich und der Verbraucher geht in aller Regel leer aus. Das gleiche üble Spiel wie an den Tankstellen.

Die primastrom-Methode: An Dreistigkeit nicht zu überbieten

Vor Weihnachten war den Medien zu entnehmen, dass sich der Gaspreis im neuen Jahr um bis zu 25 % erhöhen könne. Das ist schon ziemlich happig, aber was sich mein Gasversorger in Berlin, die primastrom GmbH, erlaubt, schlägt dem Fass den Boden aus. Bis Sommer 2021 betrug die Abschlagszahlung noch 75,00 €. Dann kam im Juli die Mitteilung über eine Nachzahlung von 338,17 € und die Ankündigung, dass sich der monatliche Abschlag künftig auf 118,00 € beläuft. Dieser Mitteilung lag ein Formular bei “Jetzt Tarif sichern“, das, unterschrieben zurückgeschickt, den günstigen Tarif für 24 Monate sichert (Gutschrift von 20 € obendrauf). In gutem Glauben habe ich das Formular am 3. November 2021 unterschrieben. Am 09. November wurden dann ohne weitere Ankündigung 276,43 € Abschlag vom Konto abgebucht, also 158 € mehr.

Daraufhin habe ich primastrom einen geharnischten Brief geschrieben, in dem ich u.a. dem einmal gewährten SEPA-Einzug widersprochen habe. Parallel dazu habe ich einen Anwalt eingeschaltet, der mir riet, von meinem Sonderkündigungsrecht Gebrauch zu machen und den Vertrag mit dem Gasversorger zu kündigen. Das habe ich getan. Daraufhin teilte mir das Unternehmen mit, dass sie meine Kündigung „leider als ungültig“ zurückweisen müssten, da ich ja einen neuen Auftrag erteilt habe, indem ich das Formular zur Verlängerung meines Vertrags unterschrieben zurückgeschickt habe. “Jetzt Tarif sichern“, stand da – für mich zweifelsfrei bezogen auf die 118,00 €/Monat. Aber es kommt noch besser.

Abschlagszahlung von 118 € auf 453 € – in weniger als 6 Monaten

Als die Forderung von 276,43 € Abschlag/Monat im Raum stand, habe ich auf der Website von primastrom gecheckt, was ich zahlen müsste, wenn ich dort Neukunde werden wollte. Siehe da: Der Tarifrechner machte mir das erstaunliche Angebot von 126,36 € – deutlich weniger als die Hälfte. Und sei das an Unverschämtheit noch nicht genug, setzten die Abzocker noch eins drauf. Am 02. 01. 2022 hatte ich deren Mitteilung in der Post, dass sich meine monatliche Abschlagszahlung jetzt auf sage und schreibe 453,80 € belaufe. Für einen Zwei-Personen-Haushalt in einer bestens isolierten 125-qm-Altbauwohnung, die im Übrigen die Hälfte des Jahres gar nicht genutzt wird.

Das muss man sich einmal vorstellen, mit welcher Dreistigkeit diese Firma zu Werke geht. Erst recht, wenn man bedenkt, dass der Tarifrechner am 06. 01. 22 für einen Neukunden mit meinen Wohnungs-Parametern immer noch 126,36 € auswirft – genau wie im November. Die Differenz zu der von mir geforderten Abschlagszahlung: satte 327,44 € ! Das ist absoluter Wucher und nicht hinnehmbar.
Nach der Mitteilung über die 453,80 € habe ich erneut von meinem Sonderkündigungsrecht Gebrauch gemacht. Nachdem primastrom auf die Schriftsätze meines Anwalts nicht reagiert hat, hat dieser nun Beschwerde bei der Bundesnetzagentur in Bonn eingereicht. Eine Strafanzeige wegen arglistiger Täuschung, Betrug etc. behalten wir uns noch vor. Aber sie wird wohl kommen. Ich muss jetzt sehen, dass ich einen halbwegs günstigen und zugleich seriösen Gas-Anbieter finde – sowie viele andere Verbraucher auch.

Warum beschreibe ich diesen Vorgang so ausführlich: Weil es einen großen Unterschied macht, ob man abstrakt davon hört oder liest oder ob man unmittelbar betroffen ist. Und ich will alle unsere Leser, denen womöglich Ähnliches widerfahren ist, ermutigen, sich derartige Betrügereien nicht gefallen zu lassen. Die erste und wichtigste Maßnahme: Sofort der Einzugsermächtigung widersprechen, denn ist das Geld erst einmal abgebucht, wird es sehr schwer, es wieder zurück zu bekommen. – Es ist zu hoffen, dass im Zuge dieser „Krise“ ein Großteil der unseriösen Kleinanbieter Pleite geht. Wozu brauchen wir über 1.000 Strom- und Gasversorger in unserem Land? Geführt von Leuten, die von Energiewirtschaft keine Ahnung haben, die Verbraucher täuschen, nur auf das schnelle Geld aus sind und sich selbst mit fürstlichen Gehältern „belohnen“? Es wird Zeit, dass dieser Wildwuchs ein Ende findet. Und zwar bald!

Vermeintliche Vorteile für Verbraucher durch künstlich geschaffenen Wettbewerb

An diese Stelle sollten wir etwas weiter in die Tiefe gehen. Was ist denn geschehen mit dem Energiemarkt und in anderen Bereichen, als man Gesetze geschaffen hat, die einen Wettbewerb vorgaukeln, den es so nicht geben kann? Was hat es denn auf sich mit den Anbietern, die dem Verbraucher angeblich billigere Energie liefern? Es ist dasselbe, wie beim Telefonfestnetz und der Bahn. Die unter Zwang hergestellte Trennung von Erzeugern, Netzbetreibern und Händlern kann nur destruktiv sein. Sie schafft die Möglichkeit, mit substanzlosen Konstrukten schnelles Geld zu verdienen und alte Strukturen wertlos zu machen. Der „Wettbewerb“ findet nämlich nur selektiv statt. Es gibt keinen „Markt“ und keine freie Preisfindung für die Durchleitungsgebühren. Genauso wenig wie für die Benutzung der Eisenbahnschienen. Da hat der Staat die Tarife einfach bestimmt.

Grundsätzlich sind wir der Auffassung, dass elementare Infrastruktur niemals in privater Hand sein darf. Genauso wenig wie die Krankenhausstruktur nicht privat betrieben werden darf, von Ausnahmen abgesehen. All das sind Bereiche, die wegen der Notwendigkeit, Notfallreserven vorzuhalten, nicht ausschließlich gewinnorientiert betrieben werden dürfen. Wie die letzten zwei Jahre im Krankenhauswesen gezeigt haben, muss der Staat, also wir alle, den privaten Betreibern mit Milliardensummen zur Hilfe eilen, wenn Sondersituationen eintreten. Den privaten Betreibern, die bislang Millionengewinne an Aktionäre ausgeschüttet und Millionengehälter an Manager bezahlt haben. Dasselbe gilt auch für „Energieversorger“. Was tun die eigentlich?

Alle Billiganbieter von Energie sind ohne Substanz, also Nullnummern, die nichts, aber auch gar nichts zur Bereitstellung der Energie leisten. Nicht einmal etwas zur Zuverlässigkeit der Leitungsnetze oder Reservehaltung. Es sind Krämerseelen, die versuchen, an Energiebörsen billig einzukaufen und dann mit Gewinn an Endkunden weiter zu geben. Diese Gewinne fließen in Managergehälter und an Aktionäre und das macht die Energie in der Endrechnung für alle teurer. Damit sollten wir einen Blick auf die Energiebörsen ganz allgemein werfen. Allein deren Existenz ist unsinnig, denn letztlich kann es da keinen marktwirtschaftlichen Wettbewerb geben. Der Verbrauch ist konstant und die Freiheit, keine Energie zu kaufen, gibt es nicht. Der Ärger hat begonnen, als man sich von zuverlässig produzierenden Kraftwerksformen abgewendet und große Teile auf unzuverlässige, weil wetterabhängige Produktion verlagert hat. So gab es plötzlich Überfluss und Mangel und das wird an den Energiebörsen verwaltet. Allerdings muss dazu festgestellt werden, dass die „Preisfindung“ fast gar keinen Einfluss auf die verbrauchte Menge hat, denn die Freiheit, keine Energie zu verbrauchen, gibt es nicht.

Wenn Nord-Stream 2 in Betrieb käme, gäbe es eher einen Überfluss

Betrachten wir dazu die Gaspreise. Tatsächlich gibt es keinen Grund für die hohen Gaspreise. Russland, Gasprom, hat im letzten Jahr zehn Prozent mehr Gas nach Westen geliefert und das zu stabilen Preisen, die unter 300 $ pro Einheit liegen. Die Preisspitzen von bis zu 1.400 $ sind ausschließlich an den Energiebörsen entstanden. Angefeuert von dem Wahnsinn, Gas rückwärts aus Deutschland nach Polen zu liefern. Dem Polen, das erst darauf bestanden hat, an den Ölpreis gekoppelte Preise für russisches Gas zu bezahlen, weil es gerade kurzzeitig so billiger war. Jetzt aber, mit den stark gestiegenen Ölpreisen, muss Polen wunschgemäß eben auch höhere Gaspreise hinnehmen. Die umgeht man jetzt, indem man aus Deutschland russisches Gas zum deutschen Einkaufspreis bezieht. Russland würde direkt liefern, vertragsgemäß, aber Polen gibt keine Bestellung auf zu den Bedingungen, die sie sich wegen eines kurzfristigen Vorteils erkämpft haben.

Nein, eine Gasknappheit gibt es nicht und gäbe es noch viel weniger, wenn Nord-Stream 2 in Betrieb käme. Aber das will Baerbock nun gar nicht. So können sich die Verbraucher schon mal bei der peinlichsten Außenministerin bedanken, denn ihre Haltung ist es, die die Spekulationen auf Gasknappheit fördert und so erst die irrsinnigen Gewinne der Gashändler in Betrieb hält. Angesichts dessen ist es nur logisch, dass an den Gasbörsen die Preise so hochgeschnellt sind und die Billiganbieter nicht mehr günstig einkaufen können. Die Einkaufspreise betragen derzeit ein Mehrfaches dessen, was sie in ihrer Kalkulation eingerechnet haben. Das gesamte Geschäftsmodell ist damit geplatzt und der Schaden soll jetzt auf die Verbraucher abgewälzt werden, nachdem sich vorher Manager und Aktionäre die Taschen gefüllt hatten.

Energie ist aber als Grundversorgung eingestuft und so müssen jetzt die Altunternehmen die Versorgung der gekündigten Verträge übernehmen, allerdings zu den Preisen, die sie als notwendig erachten und die wegen der Notsituation nicht verhandelbar sind. Man bedenke, dass jetzt auch die klassischen Energieversorger an einem überheizten Markt zukaufen müssen, was ihre langfristigen Lieferabkommen und Produktionskapazitäten übersteigt.

Wer allerdings für einen besonders günstigen Gaspreis eine satte Vorauszahlung geleistet hat, wird auf seinem Schaden sitzen bleiben, sobald ihre Vertragspartner Insolvenz angemeldet haben. Die immer noch günstigen Angebote für Neukunden sind da schon als Schneeballsystem einzuordnen, denn diese sind zumeist an hohe Vorauszahlungen gebunden und wenn die aufgebraucht sind, kommt die Pleite. Dass man sich da inzwischen noch schnell großzügige Gehaltserhöhungen und Boni gönnen wird, ist anzunehmen. 

Hier geht´s weiter zu Teil 2: 
Das Desaster der Energieversorgung (Teil 2): Spekulanten sorgen künstlich für Mangel und treiben die Preise in die Höhe 

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