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Eine Abwertung innerhalb des Euro ist durchaus machbar

Von Peter Haisenko 

Soll Griechenland nun aus dem Euro austreten oder besser nicht? Diese Frage stellt sich nur phantasielosen Juristen. Wer ein wenig nachdenkt, wird erkennen, dass es sehr wohl möglich ist, nicht nur Griechenland innerhalb des Euro wettbewerbsfähiger zu machen. Nachhaltig und, wenn nötig, mehrmals. Wohl proportioniert, schrittweise und ohne Armutspolitik.

Über das Risiko eines Euro-Austritts kann nur spekuliert werden. Weil es hierfür keinerlei Erfahrungswerte gibt und vor allem keine Regeln, kann niemand vorhersehen, welche Folgen das haben wird. Politisch und ökonomisch, für alle Beteiligten. Doch es gibt einen Weg, dieses Risiko auf einfachste Weise zu umgehen und doch die gewünschten wirtschaftlichen und sozialen Effekte zu erzielen.

Betrachten wir zunächst das Preisgefälle innerhalb Europas, der Euro-Zone und auch innerhalb Deutschlands. Es ist gewaltig. Ein Münchner lacht sich nur kaputt über Miet- oder Immobilienpreise in Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern. Allein das Preisgefälle zwischen München und dem Bayrischen Wald ist beträchtlich. Eine Halbe Bier wird zu Preisen verkauft, die von einem Euro (Slowakei) bis fünf Euro in deutschen oder französischen Städten reichen. Allein an diesen Gefällen wird erkennbar, dass es sehr wohl funktionsfähig ist, wenn innerhalb der Euro-Zone unterschiedliche Preisniveaus herrschen – solange innerhalb der jeweiligen Zonen ein schlüssiges Verhältnis zwischen Einkommen und Preisen besteht.

Ein “Europa der gleichen Geschwindigkeiten” wir es nie geben

Dann wäre da noch die Schuldenfrage. Hier wird gegenüber Griechenland immer wieder auf die Baltischen Staaten verwiesen oder auf die Slowakei. Das ist unzulässig. Alle Staaten des ehemaligen Ostblocks hatten im Vergleich zu den westlichen gar nicht genügend Zeit, um riesige Schulden anzuhäufen. Letztere schleppen seit den 1970er Jahren stetig anwachsende Schulden mit sich. Während die Oststaaten nach 1990 einen sauberen Neuanfang starten konnten, waren die Haushalte der Weststaaten – nicht nur von Griechenland – bereits mit beträchtlichen Schuldenbergen belastet. Nicht nur aus diesem Grund gab es nie ein “Europa der gleichen Geschwindigkeiten” – ein solches wird es auch nie geben.

All das muss den Vätern des Euro bekannt gewesen sein, doch sie haben diesen Umstand schlicht ignoriert. Man hat versäumt, ein Verfahren zu etablieren, das es erlaubt, unterschiedliche Entwicklungen innerhalb der Euro-Zone auszugleichen. Unsere Finanzminister, mehrheitlich Juristen, stehen als solche diesem Problem jetzt hilflos gegenüber, weil Juristen nicht lösungsorientiert denken können, wenn ihnen kein Regelwerk zur Verfügung steht, das sie auslegen, interpretieren können. Tatsächlich aber wäre es sehr einfach, dieses Problem zu lösen.

Ausgeglichene Außenhandelsbilanz ist Voraussetzung

Grundsätzlich muss es die erste Priorität für jeden Staat sein, eine ausgeglichene Außenhandelsbilanz herzustellen. Das ist die Voraussetzung für einen auf Dauer schuldenfreien Haushalt, um den Staat insgesamt schuldenfrei zu halten. Das heißt, der interne Konsum muss der Leistungsfähigkeit seiner Wirtschaft entsprechen, inklusive der konsumierten Importware. Deutschland ist in dieser Hinsicht eher als schlechtes Beispiel zu betrachten, und zwar in doppelter Weise: Wir sind seit Jahrzehnten Exportweltmeister und haben dennoch eine sehr hohe Staatsverschuldung. Das heißt, in Deutschland wird seit Jahrzehnten eine verfehlte Fiskalpolitik betrieben und das Lohnniveau der unteren Lohngruppen ist zu niedrig. In Griechenland ist es genau anders herum, nur die Fiskalpolitik ist mindestens gleichermaßen verfehlt.

Griechenland und die anderen Problemstaaten müssen folglich als erstes ihre Außenhandelsbilanz in Ordnung bringen. Bevor diese Europa und dem Euro beigetreten sind, ist das geregelt worden durch teilweise sehr hohe Importzölle und ebenso unattraktive Kreditkonditionen. Der Euro und die Abschaffung der Importzölle durch die EU haben das verändert. Man hat sich auf – jetzt günstigen – Kreditraten dem (Konsum-)Niveau der führenden Euro-Staaten angepasst. Das gilt im Übrigen auch für die ehemaligen Ostblockstaaten. Nur: Ein Leben auf Kredit kann dauerhaft nicht funktionieren. Deswegen muss jetzt eine grundlegende Korrektur vorgenommen werden – eben auch innerhalb des Euro-Raums.

Das Preisniveau muss auf allen Ebenen gesenkt werden

Eines haben die Krisenstaaten drastisch deutlich gemacht: Es reicht nicht, Löhne, Renten und Sozialleistungen zu kürzen, wie die Troika befohlen hat. Man muss das allgemeine Preisniveau insgesamt senken – auf allen Ebenen der Binnenwirtschaft. Wenn Löhne und Pensionen gekürzt werden, dann kann das nur zum Erfolg führen, wenn gleichzeitig auch Mieten, Gebühren und die Preise für alle inländischen Produkte und Dienstleistungen gesenkt werden. Nur dann bleibt die interne Funktionsfähigkeit der Wirtschaft erhalten. Man muss eine Volkswirtschaft in dieser Hinsicht als geschlossenen Bereich betrachten. Für das betroffene Land und seine Binnenwirtschaft ist es nahezu gleichgültig, auf welchem – allgemeinen – Niveau sich Preise und Löhne befinden, im Vergleich zum Ausland. Dieses Niveau bestimmt aber darüber, wie wettbewerbsfähig dieses Land gegenüber anderen Ländern ist. Das ist denn auch das Argument für den Austritt Griechenlands aus dem Euro. Die dann billige Drachme soll es richten. Tatsächlich würde auf diese Weise – sehr viel komplizierter und mit großem Imageverlust für Europa – genau das erreicht, was auch ohne einen Euro-Austritt möglich ist.

In einem Land, das über seine Verhältnisse lebt, besonders was den Konsum von Importware anlangt, muss der Import erschwert und der Export gefördert werden. Folglich muss man lediglich ein Gesetz erlassen, das nach dem “Rasenmäherprinzip” alle Löhne und Preise um einen festgelegten Prozentsatz senkt, inklusive Mieten und Gebühren, schlicht alles. Die Folge wird sein, dass die Bürger keine Probleme haben werden, weiterhin auf gewohntem Niveau inländische (!) Produkte und Dienstleistungen zu konsumieren. Importe hingegen werden ihren Preis behalten müssen. Das wird in kürzester Zeit dazu führen, dass inländische Produkte – wo immer es geht – Importen vorgezogen werden. Genau das ist das Ziel!

Höhere Wettbewerbsfähigkeit, mehr Investitionen

Gleichzeitig werden Exporte billiger, die Wettbewerbsfähigkeit steigt an. Die Produktion im Inland wird angeregt, weil zum Beispiel auch die Agrarproduktion wieder die eigene Bevölkerung versorgen wird, anstatt durch billige Produkte aus anderen Ländern verdrängt zu werden. In Griechenland wird der Tourismus boomen. Was will man mehr? Diese Methode birgt nicht die Risiken, die mit einem Austritt aus dem Euro verbunden wären. Sie gestattet jedem Euro-Land, seine Wettbewerbsfähigkeit anzupassen, ohne die Grausamkeiten, die von der Troika verordnet worden sind.

Um das nochmals zu verdeutlichen: Man erhält zehn Prozent weniger Lohn, stellt aber gleichzeitig fest, dass alle Preise auf der Speisekarte auch um zehn Prozent niedriger sind, ebenso wie die Miete und Gebühren auf den Ämtern, der Friseur, die Reparaturwerkstatt…. Wo ist das Problem? Es erfolgt eine Abwertung der externen Kaufkraft, jedoch nicht der internen. Investoren werden angelockt, wegen der jetzt niedrigeren Löhne und Mieten und Investitionen für Produktionsstätten. Alles innerhalb des Euro! Hier wird offenkundig, dass es eben nicht zielführend sein kann, nur Löhne und Pensionen zu kürzen, wenn nicht parallel das gesamte Preisniveau für alle inländischen Waren und Dienstleistungen um den gleichen Prozentsatz heruntergefahren wird.

Mit etwas Phantasie ist das Problem zu lösen

Nun höre ich schon die phantasielosen Finanzminister, die Angst vor einer Deflation haben. Abgesehen davon, dass diese Angst nicht wirklich berechtigt ist, kann dieses Verfahren auch umgedreht werden. Deutschland, der Exportsünder, könnte sein allgemeines Niveau auf gleiche Weise anheben. Das hätte einen ähnlichen Effekt auf die griechische Wirtschaft. Deutsche Exporte würden von ihrer unsinnig hohen Menge auf ein erträgliches Maß reduziert, mit Blick auf eine ausgeglichene Außenhandelsbilanz. Das sollte sowieso das Ziel sein. Wir Bürger haben keinen Vorteil von unseren Außenhandelsüberschüssen. Es ist virtuelles Geld, das auf keinem Konto gutgeschrieben ist und mithin auch nicht abgehoben werden kann.

So oder so, die Lösung des Problems eines “Europas unterschiedlicher Geschwindigkeiten” ist innerhalb des Euro möglich. Allerdings braucht es dazu ein wenig mehr Phantasie, die aufzubringen Juristen offensichtlich nicht in der Lage sind. Es braucht das Denken der Ingenieure, die geschult sind, Probleme zu lösen, anstatt überall (juristische) Probleme zu sehen bzw. erst zu schaffen. So, wie früher Währungen abgewertet worden sind, könnten heute Euro-Staaten ihre externe Wertigkeit verändern, ohne die interne Wirtschaft zu zerstören. Im Gegenteil würde auf diese Weise auch die interne Wirtschaft beflügelt und alle im Euro-Raum könnten glücklich sein. Das Bisschen an Exporten, das speziell Deutschland dadurch verloren ginge, wäre eine zu vernachlässigende, weil kaum spürbare Größenordnung. Vielleicht könnte mit dieser Vorgehensweise sogar der Wahnsinn des Immer-mehr, Immer-effizienter, Immer-produktiver gestoppt werden, der den deutschen Arbeitnehmern immer längere Arbeitszeiten abverlangt und die Menschen zunehmend krank macht.

Keiner verliert etwas

Noch ein Wort zu (Privat-)Schulden. Diese werden nicht angetastet, bleiben unverändert. Das erschwert natürlich nach einem allgemeinen Preisschnitt die Rückzahlung. Es hat aber auch den positiven Effekt, dass es sich die Bürger zweimal überlegen werden, weiterhin auf Kredit zu konsumieren. Die Gefahr ist zu hoch, dass der nächste Preisschnitt die Rückzahlung noch schwieriger machen wird. Die (internationalen) Gläubiger werden nichts verlieren.

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