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„Mögest Du in interessanten Zeiten leben!“
Betrachtungen von Werner Roth
Dieser Spruch in der Überschrift wird oft als alte, chinesische Verwünschung angegeben. Ob das zutrifft oder nicht, ist total egal, denn dieser Satz bietet einfach unendlich viel Tiefe. Man kann ihn in vielerlei Richtungen interpretieren und verstehen.
Das Heute ist ja kaum besser zu beschreiben. Welche Generation hatte in den letzten grob eineinhalb Jahrtausenden schon das „Vergnügen“, zu Lebzeiten sowas Interessantes erleben zu können wie den Untergang des weltbeherrschenden Imperiums? All das auch noch live und in Farbe. Und Sie sind mittendrin. Glückwunsch!
Der Abstieg begann, wenig überraschend, am Gipfel bzw. auf dem Gipfel der Macht. Dieser kann recht plausibel auf den Zeitpunkt des Abwurfs der beiden Atombomben auf Japan datiert werden. Nie zuvor gab es eine Macht, die derart dominant den gesamten Globus dominierte.
Die USA wurden endgültig zur Speerspitze der bisherigen Weltbeherrscher aus den Kreisen der britischen Lordschaften – und natürlich Ladyschaften. Wobei weibliche Figuren in diesem Umfeld am ehesten aus Königshäusern stammen. Man war da nie wirklich frauenfeindlich, wenn es um Machtfragen geht. Die Lords und Ladys bzw. Kings und Queens waren jedenfalls weiterhin fett im Spiel.
Aber vom Gipfel der Herrschaft Ende 1945 geht es in jeder Richtung nur noch nach unten.
Alle, die kurz vorher oder nachher, bis ungefähr so um Mitte der 60er Jahre geboren sind, werden heute gerne als „Boomer“ bezeichnet, wobei die Bedeutung mit der Zeit immer negativer aufgeladen wird. „Boomer“ ist inzwischen im Mainstream ein Schimpfwort.
Damals, nach dem großen Schlachten, kam auch die Trumpfkarte der angelsächsischen Weltmacht ins Spiel, die von Hauke Ritz als eine, wenn nicht die wirkmächtigste Waffe im Kampf um die Köpfe v.a. der jungen Menschen beschrieben wird: Die (westliche) Kultur allgemein und insbesondere die so genannte Jugendkultur. Als Marker zur Sichtbarmachung des Niedergangs ist sie jedenfalls gut geeignet.
Es war schon seit jeher für die führenden Kreise wichtig, ihren Einfluss auf die Jugend maximal wirksam werden zu lassen. Menschen haben die Besonderheit, extrem viel Zeit bis zum vollwertigen Erwachsensein zu benötigen. Manche schaffen das nie, wie böse Zungen behaupten.
Im Zuge des Heranwachsens wird deshalb erzogen und gelehrt, was das Zeug hält. Die Inhalte und Ziele kamen stets aus der alt-bewährten Tradition und selbstverständlich von den gerade Herrschenden.
Die Jugend im Allgemeinen zeichnet eine unbändige Neugier und oft ein energiegeladener Aktivismus aus. Es ist die Zeit des Ausprobierens, des Experimentierens, des Entdeckens um sich selbst und die umgebende Welt kennenzulernen. Erinnern Sie sich?
Es wäre höchst unprofessionell, wenn „die Sozialingenieure der Bewusstseinsindustrie, die immer auch die Opposition aufbauen oder unterwandern“ (Nicolas Riedl), im Auftrag der Weltherrscher nicht auch genau da ansetzen würden. Und so geschah es.
Das fundamentale Lebensgefühl jeder Jugend wurde angepeilt.
Für die Wildheit, die Ungezwungenheit, den Freiheitsdrang, die Unkonventionalität, das Rebellentum, die Risikofreudigkeit, die Unvernunft und noch so einiges, was untrennbar mit Jungsein verbunden ist, war das Angebot an die Jugend der Welt unwiderstehlich attraktiv: Der „American Way Of Life“. Lässig. Cool. Siegreich.
Im Paket waren Hollywood und die Musik mit Jazz, Soul, Rock inklusive dem Lebensgefühl von Sex, Drugs & Rock ’n Roll. Eingebettet war das in Wohlstand, Hedonismus, die Jugend als höchstes Ideal, Ignoranz gegenüber allen Sitten, Gebräuchen und Traditionen und und und.
Man muss auch hier wieder darauf hinweisen, dass natürlich auch „die Jugend“ keine homogen Gruppe darstellt, sondern sich vom überangepassten Schleimscheißer bis zum gemeingefährlichen, durchgeknallten Wahnsinnigen alles finden lässt.
Ganz besonders in Deutschland fiel der jugendliche Eskapismus auf eine Trümmerlandschaft sondergleichen. Nicht nur materiell, gerade geistig-kulturell war ja alles weitflächig kaputt. Bei dieser Ausgangslage erscheint es fast zwingend, dass sich „die Anglo-Amerikanisierung weitgehend freiwillig und begeistert“ (Roland Rottenfußer) vollzogen hat und nach wie vor vollzieht.
Für viele überraschend schnell spross ein zunächst bescheidener, dann immer auffallenderer Wohlstand im Zuge des sog. Wirtschaftswunders aus dem ungeklärten und vergifteten Vergangenheitssumpf. Die ganz große Masse der Deutschen erquickte sich daran und steigerte das Bruttosozialprodukt wie Bolle. Es gab wieder „Eisbein in Aspik“.
Uninteressant oder langweilig war die Nachkriegszeit mit Sicherheit nicht!
Dieser neue Wohlstand war die Basis, auf der der immer hedonistischer werdende Zeitgeist aufsetzen konnte. Viele der Altvorderen brandmarkten das damals schon als Beginn der Dekadenz.
Die Furcht vor dem kulturellen Verfall war aber keineswegs nur auf den Westen begrenzt. Kennt noch jemand die Worte des „Spitzbart“ genannten? „Ich bin der Meinung, Genossen, mit der Monotonie des „yeah, yeah, yeah“ und wie das alles heißt, sollte man doch Schluss machen." Im Arbeiter-und-Bauern-Paradies der Dädäärr lernte man deshalb weiter das Siegen vom großen Bruder, der Soffjetunion.
Dagegen waren große Teile in den nachwachsenden Generationen im Westen seitdem über Jahrzehnte sehr stark von englischer Musik und der dazugehörenden Mode geprägt. Das damit verbundene Lebensgefühl rannte bei den vielen desorientierten jungen Leute offene Türen ein und versprach eine gefühlsmäßige Heimat, a la „Lost in Desperate“.
Allerdings rumorte neben aller Sehnsucht nach Freiheit, Frieden und Glück da etwas im Untergrund der verlorenen Seelen.
Trotz der ganzen, vordergründig befreienden Dinge wie Rock- und Pop-Musik (enthemmter Tanzstil), Mode (Mini und Jeans), freier Liebe (unverbindlicher Sex) und Negierung alles einhegenden „Altmodischen“, blieb da ein fahler Beigeschmack zurück. Irgendwie drang das alles nicht wirklich durch zum Seelenkern.
Neben der ersten blutigen Nase, die sich der neue reiche „Uncle Sam“ aus den USA schon in Korea holte, war das Fiasko in Vietnam nicht mehr unter der Decke zu halten. Vor allem das westliche „Wirtschaftswunder“ und die technische Entwicklung verhalfen den Massen zum Heimkino. Dort konnten sie, vornehmlich noch schwarz/weiß die Diskrepanz zwischen Taten und Worten selbst sehen.
Die USA, also „Wir“, der Westen, waren nicht „die Guten™“. Die Taten zeigten das Gegenteil. Diese zunehmende kognitive Dissonanz führte zu den berühmt-berüchtigten 68ern. In Deutschland gingen Sex, Drugs & Rock ’n Roll mit Studentenprotesten gegen die „unberührbaren“ Alt-Nazis in neuer Stellung und gerade gegen Vietnam ein wirkungsvolles Bündnis ein.
Dann kam, was immer kommt.
Jede populäre, von unten kommende Bewegung, wird schnell von den geltungssüchtigsten Narzissten bestimmt und übernommen. Damit ist das Todesurteil schon gefällt.
Der universitäre Kampf der Studenten gegen die Autoritäten hatte das Potential, sich zu einem echten Kampf „Unten gegen Oben“ auszuwachsen. Die Richtung der aufgeworfenen Fragen wies in genau diese Richtung. Das durfte natürlich nicht zugelassen werden.
Für die etablierten Strippenzieher in den feinen englischen Clubsesseln war das ein leicht lösbares Problem. Der Gefährlichste dieser 68er Rotfront, der Dutschke Rudi, wurde aus dem Spiel genommen, andere wie die Meinhof verabschiedeten sich selbst in den Extremismus der RAF (Nein! Nicht der glorreichen Royal Air Force!).
Die Begleitmusik des Rock ‘n Roll wurde in den goldenen Käfig gesetzt und mit sehr viel Kohle zugeschüttet. Die Jungen durften weiterhin ein bisschen Revoluzzer spielen und sich rebellisch geben, aber alles mit den von Konzernen produzierten, vermarkteten und verkauften Platten und dem dranhängenden Merchandise.
Es ist und war immer schon einfacher, sein Lebensgefühl, seinen Lebensstil und die dadurch kommunizierte Haltung käuflich zu erwerben, als sich wirklich auf den oft kurvenreichen Weg zu sich selbst zu machen. Ein damaliger Sponti-Spruch dazu lautet: „Ich gehör jetzt nicht mehr zur Norm. Ich trag jetzt die Non-Konformisten Uniform.“
Uninformierte und Uniformierte sind nicht nur phonetisch und buchstabentechnisch sehr leicht verwechselbar.
Vor allem in ihrem Wesensgehalt sind beide Begriffe sich sehr nah, was in Zeitenwendezeiten, wie gegenwärtig, praktisch ist. Die Nummer mit der geplanten Züchtung von Narzissten und Selbstdarstellern war im Sinne einer wirkmächtigen Kontrolle durch die anglo-amerikanischen „Philanthropen“ ein voller Erfolg.
Man sollte aber nie ausblenden, dass die polit-mediale Matrix fast ausschließlich nur an zwei von fünf menschlichen Sinnen andockt. Vom sechsten ganz zu schweigen. Die Gehirnmanipulation läuft rein audio-visuell. Mit der enormen Zunahme der Nutzung von Radio, Film, TV, Internet bis zum Smartphone ist diese Art der Kontrolle und Einflussnahme bisher bestens gelungen.
Trotzdem spürten einige wenige schon vor über 60 Jahren, dass da was falsch läuft. Gemeint ist hier das Gespür, das bei sensiblen und feinfühligen Zeitgenossen deutlich besser ausgeprägt ist, als bei den durchschnittlichen und abgestumpften Herdenwesen, die immer die Masse bilden. Der Höhepunkt in der Verachtung des anzustrebenden Konsumparadieses zeigte sich ab Mitte der 70er im Punk.
Somit müsste man den Punkern eigentlich Denkmäler für ihren emblematischen und prophetischen Slogan „No Future“ errichten.
Komischerweise erklomm die westliche Kultur in Musik, Film und Kunst in den darauf folgenden, heute verklärten 80ern nochmal ungeahnte Höhen. Doch wir wissen, nach dem Höhepunkt geht’s zwangsläufig bergab. Uninteressant wird’s dennoch nicht.
Kennt jemand noch den Ausspruch „Wo man singt, da lass Dich nieder. Böse Menschen kennen keine Lieder“? Musik ist etwas fürs Herz, für die Seele, so sagt man. Wann hat die westliche Musik den Zugang zu Herz und Seele verloren? Mit dem Aufkommen des Techno kurz vorm Mauerfall?
Wenn die heute angesagte Popmusik ein Äquivalent oder besser einen Ausfluss vom Zeitgeist darstellt, dann erweckt das nur noch unendliches Mitleid. So einen dermaßen ätzenden Dünnpfiff wie bspw. die aktuell vergötterte Tylor Swift darbietet, gab es prinzipiell zwar auch immer schon. Doch bis Ende der 80er gab es auch bedeutende Teile des Publikums, für die Niveau und Substanz noch was zählten. Da wurde dieser Mist bestenfalls naserümpfend im Klo entsorgt.
Diesen Gesamtzustand von „UnsererDemokratie“ perfekt auf den Punkt gebracht hat der Hadmut Danisch: „Dummes von Dummen für Dumme“. Es kann nicht schaden, dazu eine uralte Weisheit aus dem Osten von Konfuzius zu bedenken: „Der Dumme muss aus seinen Fehlern lernen. Der Kluge lernt aus den Fehlern anderer.“
„Trotz jahrzehntelanger Selbstzufriedenheit beginnt ein wachsendes Bewusstsein bei den Bürgern von EU und USA zu dämmern: Sie wurden betrogen.“
„Achwas“, im Sprachduktus von Loriot schießt einem da in den Kopf. Das gilt ebenso für den Gedanken von Jeff Thomas, der schlussfolgert: „Es scheint, als sei die Notwendigkeit für einen Krieg – sowohl zur Ablenkung der Bevölkerung als auch zum letzten Auspressen der monetären Zitrone vor dem Crash – selten größer gewesen.“
Demokratien werden von Idioten regiert? Falsch. Westlich geprägte Demokratien werden von Verbrechern und Verrätern regiert, die von Idioten gewählt wurden.
Diejenigen, die uns angeblich vor den Bösen schützen, sind die Bösen. Der Nazivergleich muss nicht mehr explizit formuliert werden, der springt einem sowieso überall ungefragt ins Gesicht.
Der Großteil dieser Bevölkerung ist „gesichert komplettverblödet“, weil der Dumme leider nicht kapiert, dass er dumm ist und der Verbohrte nicht, dass er leider völlig verpeilt und daneben ist.
Nach Alexander Wendt gibt es „eine ganz spezifische Form der Dummheit, nämlich die stolz zur Schau getragene Niedertracht.“ Wohl deshalb kommt Brian Berletic zur Einschätzung über die westliche „Elite“ als „Gangsterismus, organisiertes Verbrechen auf globaler Ebene.“
Die Oberhoheit über die Narrative scheint heute wichtiger als wie früher die Lufthoheit zum Auslegen von Bombenteppichen.
Allerdings haben sich die westlichen Puppenspieler so in die von Ihnen selbst geschaffene Phantasiewelt eingegraben, dass die physische Realität nur als unangenehmer Störfaktor wahrgenommen wird. Deshalb hat die Wirklichkeit keine Chance auf Berücksichtigung.
Das erinnert eher an einen anderen Wahnsinn, dessen Ende vor 80 Jahren gerade gefeiert wurde. Die dabei herrschende Selbstherrlichkeit vieler ist immer unerträglicher. „Was? Da ist ein Eisberg vor uns? Total egal! Volle Kraft voraus und mitten durch!“
Vielleicht nehmen Sie zum Abschluss diese Frage mit: „Was von dem, was wir glauben zu wissen, stimmt eigentlich?“
Und dann „genießen“ Sie die „interessanten Zeiten“! Solange es noch geht…
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Mehr von Werner Roth finden Sie hier: https://www.anderweltonline.com/satire/
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Zu diesen Gedanken passt das Werk von Karl Pongracz „Todeskult“. Er führt in eleganter Weise vor, wie wir mit erfundenen Problemen in die totale Kontrolle gezwungen werden: Pandemie, Krieg, Klimakatastrophe und Geschlechterwahn. Obendrauf den Transhumanismus. Nur wer das verstanden hat, kann seine eigenen Strategien entwickeln, wie man damit umgehen kann und vor allem, wie man sich dagegen wehren könnte. Bestellen Sie Ihr Exemplar „Todeskult“ direkt beim Verlag hier oder erwerben Sie es in Ihrem Buchhandel.