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Die Angst der Lobbyisten vor der Minderheitsregierung

Von Peter Haisenko 

Bislang läuft es so: Ein Lobbyist „überzeugt“ einen hochrangigen Abgeordneten/Parteifunktionär, dass die Interessen seines Auftraggebers auch die seinen sind. Nachdem der Abgeordnete über sein Netzwerk die Fraktionsspitze eingebunden hat, wird über den Fraktionszwang zu Gunsten der Interessen des Lobbyisten zuverlässig „abgestimmt“. Mit einer Minderheitsregierung und grundgesetzkonformem Verbot des Fraktionszwangs geht das nicht mehr so einfach.

Laut Grundgesetz ist jeder Abgeordnete nur seinem Gewissen verpflichtet. Jegliche Abstimmung unter Fraktionszwang ist folglich grundgesetzwidrig. Trotzdem ist es gängige Praxis und diese wird nicht hinterfragt, unter anderem, weil sie für eine Mehrheitsregierung und die Abgeordneten so bequem ist. Man muss sich mit der Thematik nicht auseinandersetzen, weil es gar nicht darauf ankommt, wie man selbst dazu steht. Die Entscheidung wird von anderen getroffen. Das dürfte einer der Gründe sein, warum wir mit einer solchen Flut von Gesetzesnovellen in einen Zustand gebracht werden, dass praktisch niemand mehr sicher sein kann, ob das Recht von gestern auch heute noch gilt. Müsste sich jeder Abgeordnete vor Abgabe seines Votums selbst eine Position dazu erarbeiten – um eine Gewissensentscheidung treffen zu können –, würde man sich schnell gegen diese Flut wehren.

Würdeloses Geschachere um Positionen

Aus den Reihen der Gegner kommt das Argument, in einer Minderheitsregierung müssten Abstimmungsergebnisse teuer erkauft werden. Hierin zeigt sich die ganze Verkommenheit des Demokratieverständnisses unserer Häuptlinge. Es geht nicht um Positionen, die selbsterklärend Mehrheiten finden können, sondern um ein würdeloses Geschachere. Man weiß darum, dass der eigene Vorschlag nicht mehrheitsfähig ist und so kauft man den politischen Gegner ein, indem man ihm zusagt, sein ebenfalls nicht mehrheitsfähiges Anliegen als Gegenleistung ebenfalls durchzuwinken. Die Folge ist, dass eine Fülle von Gesetzesvorlagen mit dem Mittel des Fraktionszwangs durch den Bundestag geprügelt werden, die eigentlich nicht mehrheitsfähig sind. Eine weitere Konsequenz dieses Verfahrens ist, dass es Lobbyisten möglich ist, mit geringsten Mitteln ihre Interessen durchzusetzen. Das wird uns dann als Demokratie und Erhalt westlicher Werte verkauft.

Das Gerede um eine „stabile“ Regierung ist also nichts anderes, als das Eingeständnis am Parlament vorbei regieren zu wollen, indem durch Koalitionsverträge vorab vereinbart wird, in welchem Ausmaß jeder bereit ist, seine eigenen Positionen zu verkaufen. Auf der anderen Seite soll verhindert werden, dass mehrheitsfähige Anträge kleiner Parteien eine Mehrheit finden können. Selbst wenn eine Mehrheit der Abgeordneten dafür wäre, werden sie mit dem Fraktionszwang an einer ehrlichen Abstimmung gehindert. Gänzlich undemokratisch wird es aber, wenn vorab festgelegt wird, dass Anträge einer bestimmten Partei nicht unterstützt werden dürfen, selbst wenn sie der eigenen Linie entsprächen. Eigentlich kann das Parlament abgeschafft werden, denn die Abstimmungsergebnisse werden vorab von den Granden ausgeschachert.

Anträge kleiner Parteien sind von vorn herein zum Scheitern verurteilt

Dieses einer Demokratie unwürdige Verfahren ist nur möglich, weil die Medien von der Regierung usurpiert sind. Sie nehmen ihre Aufgabe der Kontrollfunktion nicht mehr wahr, wie sie das Grundgesetz eigentlich vorgesehen hat. Einen weiteren Beweis dazu liefert gerade der Umgang mit der AfD. Nachdem man nach der Wahl festgestellt hat, dass möglicherweise die hohe Präsenz der AfD in Talkrunden und Presse zu ihrem Erfolg beigetragen hat, ist sie jetzt restlos aus den Medien verschwunden. Pressemeldungen der AfD landen direkt im Papierkorb und auch über parlamentarische Anfragen und die teils sensationellen Antworten wird der Mantel des Schweigens gehüllt. (zum Beispiel diese: http://www.epochtimes.de/politik/deutschland/einreise-per-flugzeug-45-766-migranten-seit-2013-a2277556.html )Talkrunden finden ohne Vertreter der AfD statt. Wahrscheinlich sind sie vor der Wahl nur eingeladen worden in der Hoffnung, dass sie sich durch peinliche Auftritte selbst diskreditieren. Nachdem das nicht so war, sind sie nun verbannt worden. Sie sollen totgeschwiegen werden.

Nun wird also ernsthaft über eine Minderheitsregierung diskutiert, über die Merkel nicht einmal nachdenken will. Allerdings ist diese Diskussion schon wieder von Anfang an völlig daneben. Da wird doch tatsächlich überlegt, ob eine Minderheitsregierung aus einer Koalition von CDU/CSU und Grünen oder FDP bestehen soll. Was für ein Unsinn! Eine Minderheitsregierung braucht keine Koalition. Sie ist so oder so abhängig von wechselnden Mehrheiten. Ich plädiere sogar für eine Minderheitsregierung die nur von der CDU gebildet wird, ohne CSU. Man erinnere sich nur an die Querelen zwischen CDU und CSU in der Migrationsfrage. Hätte die CSU auch nur ein wenig Stehvermögen, hätte sie bereits vor einem Jahr aus der GroKo austreten müssen. Die CSU kann bei der nächsten Landtagswahl ihre absolute Mehrheit nur wiedergewinnen, wenn sie den Anti-Merkel-Kurs des letzten Jahres wieder aufnimmt.

Eine Minderheitsregierung braucht keine „Duldung“

Einen interessanten Aspekt bietet die Haltung der SPD. Nahles ist für eine Minderheitsregierung, Maas dagegen. Warum wohl? Nahles behält ihren Posten als Fraktionsvorsitzende sowieso, aber für Maas steht viel auf dem Spiel. Der 17. Dezember 2017 ist für ihn ein entscheidendes Datum. An diesem Tag verdoppelt sich nämlich sein Pensionsanspruch als Bundesminister auf monatlich 4.200,- €, weil er dann seine vier Jahre voll hat. Würde vorher eine Minderheitsregierung gebildet ohne ihn, wäre sein Anspruch bloß 1950,- €. Aber genauso zweifelhaft empfinde ich die Überlegungen, eine Merkel-Minderheitsregierung tolerieren zu wollen. Wie, tolerieren? Heißt das dann, dass sie auch außerhalb einer Koalition alles abnicken werden, was Merkel diktiert? Oder eben nur ein bisschen, je nachdem, was gerade parteipolitisch förderlich ist? Da hat doch schon wieder jemand nicht verstanden, was Demokratie ist!

Eine Minderheitsregierung braucht keine „Duldung“. Sie muss so regieren, dass es der Mehrheit des Bundestags und damit dem Wähler gefällt. Jedes Versprechen einer Duldung impliziert doch schon wieder Gekungel ohne Ende. Eben das teure Regieren, weil man sich Mehrheiten erkaufen will, die eigentlich nicht existieren. Genau hier ist wohl Merkels Aversion gegenüber einer Minderheitsregierung zu sehen. Sie müsste den Wählerwillen respektieren.

Eine Chance für echte Demokratie

Auch die Grünen demonstrieren ein seltsames Verhältnis zur Demokratie. Mit Stand heute (25.11.2017) sind sie „offen für eine Minderheitsregierung“. Toll! Als ob es ihrer Genehmigung bedürfte, ihrer schlappen 8,9 Prozent, wenn die CDU eine Minderheitsregierung bilden will. Es bedarf nur einer Mehrheit zur Kanzlerwahl, und zwar vom gesamten Bundestag. Oder soll damit signalisiert werden, dass man bereit ist, sich seine Zustimmung zu Merkel abkaufen zu lassen und dann mit dem Fraktionszwang alle Grünen zu verdonnern, Merkel zu wählen? Zu welchem Preis? Geht es vielleicht darum, Lobbyisten nicht zu verprellen, die mit den Grünen kungeln?

Damit bin ich zurück am Anfang: Die Macht der Lobbyisten und Merkels seltsamem Plan, den sie partout dem Wähler nicht offenbaren will. Eines ist unausweichlich: Der Fraktionszwang muss verboten, geächtet werden. Abstimmungen dürfen nur noch namentlich durchgeführt werden. Dann wird unübersehbar, wer welche Interessen welcher Lobby vertritt und es wird für die Lobbyisten sehr aufwändig. Sie müssten fortan eine riesige Menge an Abgeordneten beeinflussen, überzeugen, kaufen, um überhaupt noch Macht und Einfluss auszuüben. Merkel selbst müsste ihren Plan offenlegen, damit sie überhaupt gewählt werden kann. Aber hier dürfte auch ein Grund liegen, warum die geschäftsführende Kanzlerin nicht einmal darüber nachdenken will. Sie wird keine Mehrheit im Bundestag für ihre weitere Kanzlerschaft bekommen – und so geht das Spiel weiter mit geheimen Absprachen um Ziele, die eigentlich nicht mehrheitsfähig sind.

Eine Minderheitsregierung kann die Demokratie wiederbeleben, geradezu attraktiv machen. Es ist doch letztlich gleichgültig, ob Minister nur einer Partei angehören, dann aber so arbeiten müssen, dass es der Mehrheit des Parlaments gefällt. Ja nicht einmal einer Partei müssten sie angehören, denn das schreibt das Grundgesetz nicht vor. Es könnten neutrale Fachleute in Ministerämter berufen werden, ebenso wie der Kanzler selbst. Sie wären nur dem Parlament verantwortlich und das Parlament dem Wähler/Bürger. Die Lobbyisten wären entmachtet. Das wäre Demokratie und die Gelegenheit dazu wird sich so schnell nicht mehr bieten. Aber genau davor haben die etablierten Machthaber Angst, die Politsaurier, die an den Sesseln kleben, und die Lobbyisten. Der Bürger muss sich davor nicht fürchten! Im Gegenteil, er kann wieder auf eine lebendige Demokratie hoffen, die nicht von Lobbyisten gesteuert wird. Und, ach ja, der nächste Schritt wären dann bundesweite Volksabstimmungen, nach Schweizer Vorbild.

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