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Die Kanzlerin warnt vor Pegida. – Darf man in Deutschland seinen Unmut über politisches Versagen nicht mehr äußern?

Von Dr. Hans Jörg Schrötter

Die zentrale Frage lautet: Unmut worüber? Hier sollte man erst einmal sehr genau hinschauen, bevor man die wohlbekannten Sprüche klopft oder die allzu bequemen Klischees hervorholt. Wer hier vordergründig von „Islamfeindlichkeit“ oder von „Fremdenhass“ schwadroniert, macht es sich nicht nur zu einfach; er tut den Beweggründen eines großen Teils der Demonstranten möglicherweise schlichtweg Unrecht.

Im Kern geht es nämlich nicht um pauschale Kritik am Islam oder um plumpe Ablehnung von Zuwanderung. Im Kern geht es um Kritik an einer Politik, die seit Jahrzehnten genau das hat entstehen und wachen lassen, was jetzt zunehmend als Bedrohung empfunden wird: Parallelgesellschaften, islamische Paralleljustiz, ein Zustrom von Asylbewerbern, die sich ganz offensichtlich zu Unrecht auf unsere großzügigen Regelungen berufen oder das aggressive Auftreten von Gruppierungen wie den Salafisten. Nein, Pegida nimmt das evidente Versagen unserer politisch Verantwortlichen ins Visier. Die eklatante Konzeptions- und Planlosigkeit einer Politik, die es seit fünf Jahrzehnten nicht vermochte, eine stringente Zuwanderungspolitik zu entwickeln und klare Kriterien für eine kontrollierte Einwanderung zu definieren. Kriterien, die im Sinne der Migranten deren Akzeptanz gewährleistet und im Sinne unseres Landes einen Zuzug von benötigten Fachkräften nicht nur verbal fordert, sondern dezidiert fördert.

Planlose Migrationspolitik versteckt sich hinter Klischees

Auf keinem Feld der Politik ist in den vergangenen Jahrzehnten so vieles schief gelaufen, ohne dass seitens der Administrationen nennenswerte Konsequenzen gezogen wurden. Das Fatale an der Geschichte: Die Politik versteckt ihr Versagen, ihre Ratlosigkeit seit 50 Jahren höchst erfolgreich hinter genau den Klischees, die auch jetzt wieder bemüht werden. Wer dem – zugegeben in gigantischer Dimension ungelösten – Thema Migration kritisch begegnet, wird mit beängstigendem Automatismus niedergemacht. Ist zwingend Nazi, Antisemit und selbstverständlich fremdenfeindlicher Rassist. So „einfach“ ist das bei uns.

Damit sind wir bei dem eher tragischen Aspekt der Geschichte. Kaum nämlich äußern etwa Anwohner ihre Sorgen vor einem Asylbewerberheim in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft –schon sind sie vor Ort, die Rechten, die ewig Gestrigen, die Neonazis und Krawallisten. Hier wittern sie Kundschaft für ihre stupid-ausländerfeindlichen Positionen. Und schon ist die ganze Chose diskreditiert, wird von den Medien stigmatisiert und von Grünen und anderen Gutmenschen aus sicherer Entfernung plakativ gegeißelt.

Aus sicherer Entfernung lässt sich leicht schwadronieren

Bleiben wir auf dem Teppich. Es geht doch nicht um Kritik an Flüchtlingen. Wer verstünde nicht Menschen, die sich, um ihre Haut zu retten oder die einfach nur von einem besseren Leben träumen, auf den Weg machen ins gelobte Germania. Nein und nochmals nein – Pegida hat das Licht der Welt erblickt als eine aus mitunter durchaus berechtigtem, ehrlichem Unmut entstandene Kritik an Zuständen, die man zu Recht als Versagen der Politik wahrnimmt. Als eine längst aus dem politischen Ruder gelaufene Entwicklung, die nun die Menschen „an der Basis“ auszubaden haben. Die Anwohner, die sich Sorgen um ihre Kinder machen. Die Polizisten, die ihre Köpfe hinhalten, wenn sich Salafisten mit Pro NRW-Demonstranten prügeln. Lehrer in Berlin-Neukölln oder anderswo, die sich mit Sinti und Roma-Kindern konfrontiert sehen, die noch nie in ihrem Leben eine Schule von innen gesehen, geschweige denn jemals ein einziges Wort deutsch gelernt haben.

Wer ist es denn, der sich nun an Pegida abarbeitet – mal abgesehen von Angela Merkel, die aus höchst geschützter Entfernung im 3. Stock des Kanzleramtes in Berlin bei ihrer Neujahrsansprache ihre nicht näher begründeten Warnungen ausruft? Jene, die nun von „brauner Soße“ schwadronieren, sitzen wohlbehalten in den edleren Stadtvierteln hinter dicken Rhododendronbüschen bei einem guten Glas Wein vor dem behaglich knisternden Kaminfeuer… Würde man ihnen eine Flüchtlingsunterkunft mitten hinein in ihre gepflegten Vorgärten platzieren, sähe manches anders aus!

Eine qualifizierte Auswahl von Zuwanderung findet nicht statt

Demokratischer Dialog? „Wir sind das Volk“ ist auch bei dem seit 50 Jahren politisch verdrängten Thema Einwanderung kein völlig abwegiger Ansatz. Man kann es übersetzen mit „wir wollen das nicht“. Wir wollen, wie schon vor 25 Jahren, keine Bevormundung bezüglich der Möglichkeiten, unsere Meinung frei zu sagen. Wir fordern auf den Straßen von Dresden und anderswo erneut das Recht ein, Umstände anzuprangern, die eine verantwortungslose Politik uns eingebrockt hat. Wer wollte denn 2.500 Moscheen in Deutschland? Wer wollte die heutige millionenfache Zuwanderung in unserem Land? Wer will 1.226.000 Einwanderer allein im Jahr 2013?

Genau hier zieht dann die Political Correctness ihre vermeintlich unschlagbare Zauberformel aus dem Hut: „Wir brauchen Zuwanderung“.

Summa summarum – und hier wird es spannend – verzeichnen wir laut Statistik des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge eine Zuwanderung von „Fachkräften und Hochqualifizierten aus Drittstaaten“ (also aus Nicht-EU-Ländern) in einer Größenordnung von gerade einmal 23.997 Personen – bei einem Zuzug von 446.002 Migranten aus Drittstaaten insgesamt. Wo sind sie, die Kriterien für eine – wie es Wolfgang Bosbach bereits im Jahr 2000 wohlklingend formulierte – „qualifizierte Auswahl von Zuwanderung“?

Das Einwanderungsland Nr. 2 ist ohne Konzept

„Wir brauchen Zuwanderung“ entpuppt sich bei näherem Hinschauen eher als zentrale Lebenslüge unserer Republik. Wenn wir auf die erstaunlichen Zuwanderungszahlen der letzten Jahrzehnte blicken, wenn heute weit mehr als 16 Millionen Menschen in Deutschland einen „Migrationshintergrund“ haben und zugleich die Klage über einen Mangel an Fachkräften immer lauter schallt – dann muss etwas schiefgelaufen sein, mit der Regelung von Migration.

Regelung? Welche Regelung? Jahrzehntelang wollten wir kein Einwanderungsland sein – und mutierten sozusagen hinten herum, durch Passivität und Ratlosigkeit der Politik, zum Einwanderungsland Nummer 2. Weltweit, nach den USA! Kurzum: die millionenfache Einwanderung war weder gewollt noch geplant. Sie passiere nicht, weil wir Migranten „brauchen“ oder „nicht brauchen“, oder weil es in Deutschland eine Migrationspolitik gäbe, die diesen Namen verdiente. Nein – die Einwanderung passierte. Und: statt sich vorausschauend mit den Konsequenzen einer millionenfachen Einwanderung aus verschiedensten Kulturen auseinanderzusetzen und ebenso verantwortungsbewusst wie entschlossen Weichen zu stellen, werden bis heute und bis zur aktuellen Neujahrsansprache der Bundeskanzlerin in erster Linie drei Patentrezepte praktiziert: das Wegschauen, das Einknicken und das Schönfärben. Ist, wer sich hier Gedanken oder Sorgen macht, zwingend und ausnahmslos „Ausländerfeind“?

 

 

Was mit Zuwanderung und Asyl in Deutschland schiefläuft und wie man es besser machen sollte, beschreibt Hans-Jörg Schrötter in messerscharfen und meist unterhaltsamen Analysen in dem Buch „Auf nach Germania“. Im Buchhandel oder direkt beim Verlag hier.

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