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Unser Charakterbild: deformiert im Hier und Jetzt

Von Hans-Jörg Müllenmeister 

 “Ein guter Mensch in seinem dunklen Drange - Ist sich des rechten Weges wohl bewusst.” – Goethe, Faust-Prolog

Goethes Worte führen uns zurück zu den unsichtbaren Wurzeln unseres Wesens – genetischen Anlagen, die wie ein uraltes Wurzelwerk in uns wachsen und unsere ersten Entscheidungen lenken. Doch diese angeborenen Muster sind kein fest gegossenes Fundament, sondern vielmehr der Ausgangspunkt für eine stille Metamorphose. Wie Bambusstängel, die sich unter wechselnden Winden biegen, so formt uns das Leben in feinen Schichten um: mal leise, mal ruckhaft, je nachdem, welche Stürme uns treffen.

Sobald private Erschütterungen, gesellschaftliche Umbrüche oder politische Spannungen an unsere Pforte klopfen, beginnen die faserigen Strukturen unseres Ich zu zittern. Unter dem Druck lösen sich vertraute Konturen, Verantwortungsbewusstsein bekommt an manchen Tagen die spröde Kälte defensiver Abwehr zu spüren, und aus Mitgefühl kann ein drängendes Bedürfnis erwachsen, sich selbst zu schützen.

Im öffentlichen Raum wird diese Verformung besonders sichtbar: Meinungen verwandeln sich in Betonmauern, Dialog erstarrt zu Abwehrgesten. Schon ein leiser Hauch von “rechts” reicht, um Misstrauen zu säen; ein Flüstern von “links” genügt, um Barrikaden zu errichten. In diesem Schwarz-Weiß-Universum gehen die fein nuancierten Grauabstufungen unserer ursprünglichen Identität verloren. Stattdessen konstruieren wir ein Gerüst aus Schubladen, Stereotypen und urteilender Engstirnigkeit.

Hier prallen also zwei Deformationen aufeinander: die sanft geerbt-sensiblen Einstellungen und die scharfkantigen Erwartungen einer oft unnachgiebigen Umwelt. Vor diesem Hintergrund drängt sich die Frage auf: Welche Keimzellen unseres Charakters bleiben unbeschadet, wenn uns äußere Dynamiken in eindimensionale Rollen pressen? Und wie lässt sich der innere Kern bewahren, selbst wenn wir uns fortlaufend wandeln?

Betrachten wir einige Charakterzüge, die im privaten und beruflichen Alltag gleichermaßen ihre Kraft entfalten können – wie ein geübter Tänzer im steten Wechselspiel mit seinem Partner: Ehrlichkeit und Integrität, Empathie und soziale Intelligenz, Ausdauer und Resilienz, Zuverlässigkeit und Verantwortungsbewusstsein, Kreativität und Offenheit für Neues, Geduld und Selbstkontrolle, Durchsetzungsfähigkeit und Mut, Kommunikationsstärke und Teamfähigkeit, eine positive Grundhaltung und Dankbarkeit sowie Engagement und Zielstrebigkeit.

Diese Paare bilden den roten Faden, der uns durch die lebenslangen Wandlungen trägt – das unsichtbare Rückgrat eines Charakters, der sich deformiert, doch niemals vollständig zerstört. 

Choreografie des Charakterbilds 

Unser Charakter gleicht einem Ballett, in dem Mutter- und Vater-DNA als tänzelnde Partner die ersten Schritte vorgeben. Etwa 30 000 Gene – je zur Hälfte von Mutter und Vater – formen den Grundrhythmus, in dem sich Ängstlichkeit, Neugier oder Selbstbewusstsein ankündigen. Zwillingsstudien enthüllen, dass 40 bis 60% unserer Temperamente erblich sind, ohne dass sich klare Anteile mütterlicher oder väterlicher Herkunft ausmachen ließen. Und noch einen besonderen Twist enthält unser Gen-Duett: Die Hauptlast der Intelligenz-Gene liegt auf dem X-Chromosom – weshalb wir von Mama zwei Kopien mitbekommen, vom Vater aber nur eine. Kein Wunder, dass sich Intelligenz oft eher in mütterlichen Zügen widerspiegelt.

Doch erst das Umfeld verleiht dem Tanz Schwung: Erziehung, Kultur und Erlebtes legen die Choreografie fest, in der aus Veranlagung geformte Impulse in Alltagshaltungen münden. Schon im Kindergarten ahnen wir, wie wir in einer bestimmten Rolle agieren – doch bis ins junge Erwachsenenalter hinein komponiert unser soziales Geflecht an uns weiter. Epigenetik wirkt dabei wie ein unsichtbarer Dirigent, der Gene ein- und ausschaltet und so Erfahrungen in die Partitur kommender Generationen einfließen lässt. Flaps gesagt: Unser Denken mag der Solist sein, doch das Genom hält den Taktstock. 

Wandel der Charakterideale im Lauf der Geschichte 

Im finsteren Mittelalter (500 – 1500) erklang das Credo der Kirche in allen Orten: Frömmigkeit, Demut, Keuschheit und Gehorsam bildeten den Kanon, während ritterliche Tugenden wie Tapferkeit und Treue die Fassade stützten. Das Individuum verlor sich im großen Chor der göttlichen Ordnung. In der Renaissance und Aufklärung (14. bis 18. Jh.) erklang dann erstmals das Solostück des autonomen Menschen: Neugier, Bildung, Selbstverwirklichung und der Mut zur eigenen Meinung standen im Rampenlicht.

Mit Industrialisierung und bürgerlicher Moderne (19. bis Anfang 20. Jh.) folgte eine neue Fuge – Betonung auf Disziplin, Fleiß und Zielstrebigkeit. Charakter wurde zum Markenzeichen sozialer Überlegenheit: Wer „verlässlich“ und „ehrgeizig“ war, gewann Applaus in den Fabrikhallen und Börsensälen. Heute schließlich schimmert das Finale in schillernden Farben: Authentizität, Empathie und emotionale Intelligenz sorgen für Standing Ovations, während Disziplin und Pflichtgefühl im Duett mit Kreativität und sozialem Verantwortungsgefühl tanzen.

Doch hinter den Kulissen lauert eine andere Melodie: In Zeiten, in denen Ellenbogenmentalität und Blendwerk den Takt angeben, verblassen klassische Tugenden. Integrität, Demut und echtes Mitgefühl wirken wie aus der Zeit gefallen. Gerade in höchsten Ämtern erklingt oft der dissonante Akkord von Narzissmus und Korruption – Paläste gebaut aus geraubtem Geld, Regenten wie Janukowytsch, die Milliarden in die eigene Tasche spielen, oder eine Parade tyrannischer Zerrbilder: Amin, Hussein, Mugabe, Assad, Mobutu und wie sie alle heißen. Diese Negativliste entlarvt eine Gesellschaft, die ihre wahren Heroen über Bord wirft und stattdessen Seiltänzern auf dem Grat zwischen Machtgier und Moral applaudiert.

Weiterführende Gedanken – Wie können wir in diesem historischen Wettstreit um Charakterstärke die Balance finden zwischen erblich geprägtem Rhythmus und umweltbedingtem Takt? – Welche „Übungen“ im Alltag helfen uns, Empathie und Integrität bewusst zu trainieren? – Lohnt sich ein Ausflug in die neueste Forschung zur Charakterbildung in digitalen Welten?

Lasst uns in der nächsten Runde erkunden, wie wir die Choreografie unseres Charakters selbst dirigieren können – mit praktischen Impulsen für Beruf, Freundschaft und innere Stärke. 

Was sind die leuchtenden Säulen der Charakterstärke? 

In unserem inneren Tempel ruhen die Fundamente wahrer Charakterkraft: – Ehrlichkeit & Integrität: Zwei untrennbare Pfeiler, die schon bei der ersten Entscheidung geradestehen – die Wände unserer Moral beugen sich keinem Wind. – Mut: Der kühne Fuß, der sich über den Abgrund tastet, um im Unbekannten Halt zu finden. – Resilienz & Ausdauer: Elastische Träger, die selbst unter dem schwersten Druck nicht brechen, sondern federn und uns mit jedem Rückschlag stärker zurückschleudern. – Empathie & soziale Intelligenz: Feine Netzwerke wie arterielles System, das uns mit den Herzen anderer verbindet und Mitgefühl in pulsierende Brücken verwandelt. – Verantwortungsbewusstsein: Die schützende Kuppel, unter der wir Erfolg und Scheitern gleichermaßen unter unser Dach nehmen. – Selbstkontrolle & Geduld: Beruhigende Mauern, die innere Impulse zähmen und uns selbst in stürmischer See gelassen bleiben lassen. – Authentizität & Standhaftigkeit: Die Fassade aus echtem Stein, die uns unwiderstehlich macht, weil wir uns niemals verstellen.

Jedes dieser Merkmale erschafft nicht nur unsere persönliche Festung, sondern strahlt ansteckend in Gemeinschaften hinein: Wo Integrität regiert, entsteht Vertrauen; wo Mut wohnt, wächst der Zusammenhalt. 

Der „Baum der Erkenntnis“ im digitalen Zeitalter 

Unser Charakter war einst ein innerer Kompass aus Prinzipien, nun gleicht er einer mobilen App, die ständig neu installiert wird, um mit der neuesten „Nutzererwartung“ kompatibel zu bleiben. Die Psychologie zeigt, wie wir auf dem Drahtseil zwischen ungestörter Selbstverwirklichung und der Angst vor digitalem Ausschluss balancieren. Der Algorithmus des Zeitgeists droht, unsere wahren Koordinaten zu verschieben: Loyalität, Durchhaltevermögen oder moralische Klarheit performen schlecht im „Klick-getriebenen“ Alltag.

Doch nicht jede Aktualisierung ist ein Upgrade. Manche Aktualisierungen der Software Patches (Softwareänderungen, die Fehler oder Sicherheitslücke in aktuell verwendeter Software schnell beheben)  nagen am Betriebssystem unserer Persönlichkeit und erzeugen auf lange Sicht nur „moralischen Stress“ – jener heimtückische Prozess, bei dem kleine Kompromisse wie Tropfen im Gestein tiefe Risse hinterlassen. Ein verschlucktes Wort hier, ein erzwungenes Lächeln dort, ein heimliches Nicken statt offener Gegenrede: So verhärtet sich das Ich nicht in einem schweren Beben, sondern erodiert sanft Tag für Tag. 

Der stille Trotz – leise Revoluzzer des Alltags 

Und doch gibt es sie: die unbeugsamen Minimalisten der Moral. Sie verweigern das Update, indem sie in Besprechungen widersprechen, obwohl alle nicken; schweigen im Netz, wenn der Shitstorm, der Sturm der Entrüstung tobt; leben privat gegen jede Konvention. Keine großen Protestzüge, sondern kleine Gesten voller Zivilcourage: der seidenfeine Widerstand.

Ironie wird hier zum Wurfpfeil: Ein gut platzierter sarkastischer Satz entlarvt mehr Widersinn als alle Megaphon-Rufe dieser Welt. Und wer in der Stille des Tagebuchschreibens, in echten Gesprächen oder beim Wiederlesen vergessener Bücher das innere Maß neu justiert, findet zurück zu seiner ureigenen Stimme. Denn wo Tempo schwindet, kann Tiefe wachsen, und wo Leere ist, dringt die Wahrheit ein.

Und der Preis dafür? Anschlussverlust, Karriereknicke, Komfortverzicht. Doch sie leisten sich das, was unbezahlbar ist: die Unaufhaltsamkeit, im Spiegel immer dem selben Blick zu begegnen.

Wie können wir diesen leisen trotzigen Kern in uns stärken? Mit welchen täglichen Ritualen bauen wir unsere moralische Widerstandskraft auf? Lass uns gemeinsam in den Kampf gegen die innere Erosion ziehen. 

Unser Charakter im Schleudergang des Hier und Jetzt 

Wir leben in einer Ära der Stromlinienform – Ecken und Kanten werden abgeschliffen, Haltung zu einem austauschbaren Beiwerk. Wo Charakter einst ein massives Felsfundament war, wirkt er heute wie ein Fluidum: geschmeidig, wandelbar, stets bereit zur „Neuprogrammierung“. Der Zeitgeist gleicht weniger einem sanften Strom als einem industriellen Fließband, das unsere Form, Tonlage und Tempo vorgibt. Soziale Netzwerke übernehmen nicht nur die Regie über unser Verhalten, sie prägen unser Menschenbild: Statt uns selbst zu entdecken, lernen wir uns vor allem zu vermarkten.

Die Umkehr der Werte Früher flüsterte das Gewissen uns ins Ohr, heute fordert uns das ständige Feedback unserer Umwelt zum Vergleich heraus. Ehemals war innere Haltung ein unerschütterliches Gerüst, jetzt firmiert sie unter dem Schlagwort „Resilienz“ – die Kunst, sich zu beugen, ohne zu brechen. Doch Schweigen gilt nicht mehr als Schwäche, sondern als strategische Klugheit, ein wohlplatziertes Manöver im System der permanenten Beobachtung.

Der schleichende Erosionsprozess Der Verfall des Ichs beginnt mit kleinen Tropfen: ein „Ja“, das nicht aus Überzeugung erklingt, ein Gedanke, zurückbehalten aus Angst vor Reibung, ein Ideal, verraten zugunsten von Effizienz. Nicht mit Donnerschlag, sondern mit beständigem Tropfen höhlt das Wasser den Stein: So versiegt unsere charakterliche Substanz allmählich, bis nur noch eine Aushöhlung bleibt.

Leiser Aufbegehren Und doch gibt es sie – die stillen Dissidenten, die im Meeting widersprechen, während alle anderen nicken; die sich im Netz der Empörungswellen enthalten; die privat gegen jede Norm leben. Sie bedürfen keines Megafons, sondern setzen auf das feine Instrument der Zivilcourage. Ihre Waffe ist das Maß, ihre Haltung ein leiser, steter Trotz.

Bevor wir den Tugendpfad verlassen, noch eine kleine Idee, um unseren Charakter im Alltag wirksam zu stärken:

Achten wir auf kleinste Alltags-„Ja“ und ‑„Nein“. Notieren wir einen Tag lang Situationen, in denen wir uns verstellt haben. Reflektieren wir ehrlich: Warum habe ich so reagiert? Schreiben wir auf, welche inneren Werte dabei im Spiel waren – oder im Konflikt standen. Üben wir echtes Zuhören, ohne zu bewerten oder sofort Gegenargumente zu suchen. Führen wir abends ein kurzes Frage-Ritual ein: Was habe ich heute wirklich gesagt oder getan? Wo habe ich Ehrlichkeit bewiesen? Wofür bin ich dankbar? 

Erkenntnis Charakter ist kein Relikt vergangener Zeiten, sondern ein Widerstandsnest im Getöse der Moderne. Wer heute seine Unverwechselbarkeit wahrt, ist kein Exzentriker – sondern ein stiller Held im digitalen Sturm.

Schattenspiel der Selbstbilder Reizüberflutung und Schnelllebigkeit lassen kaum Raum für Tiefgang. Das „Schaufenster-Selbst“ triumphiert über Authentizität, Leistungsdruck nagt am Selbstwert, Medien und Wirtschaft ziehen an psychologischen Strippen, um unser Verhalten zu lenken – oft auf Kosten unserer Integrität. 

Autobiografisches Zwischenspiel: Die Schrift als Seismogramm der Seele 

In meiner Jugend entzifferte ich Handschriften wie Landschaftsspuren im Pulverschnee. Ludwig Klages’ „Handschrift und Charakter“ war mein magischer Schlüssel zum Innersten des Menschen, sein Begriff des „Formniveaus“ mein moralischer Kompass. Besonders faszinierten mich die Winkelzüge sogenannter „krimineller Hände“: Jede Linie, jeder Schreibrhythmus war ein Echo des inneren Konflikts zwischen Ordnung und Abweichung.

Ein windiger Handelsvertreter trug eine Handschrift, die in mir die Alarmglocken schellen ließ. Voll jugendlichem Eifer warnte ich meine Eltern – vergeblich. Sein angepriesenes „Supergerät“ entpuppte sich als teurer Schrott. In diesem Moment jedoch wuchs in mir die Gewissheit: Ich hatte eine Wahrnehmung, die anderen fehlte. Kein Triumph der Schadenfreude, sondern die berauschende Erkenntnis, dass Lug und Trug sich manchmal in feinen Konturen der Handschrift offenbart. 

Graphologie „rückwärts“ – Die Handschrift als Flirt-Instrument

In jenen jugendlichen Jahren, als das zarte Flirren weiblicher Ausstrahlung meine Wahrnehmung zu verzaubern begann, wurde meine eigens erdachte „Graphologie rückwärts“ zu einem charmanten Türöffner erster Begegnungen. Ich spielte mit einem paradoxen Kunstgriff: Noch bevor ich je einen handschriftlichen Strich der Auserwählten gesehen hatte, entwarf ich auf Grundlage unseres Gesprächs ein psychologisches Porträt – eine Art innerer Schriftabdruck, der sich, so meine These, auch im Schriftbild spiegeln müsse.

Dann inszenierte ich ein verspieltes Frage-Antwort-Spiel: Mit wissendem Blick behauptete ich, ihre Handschrift erraten zu können. Ich malte Charaktermerkmale in die Luft und fragte beiläufig, ob ihre Schrift denn nicht diese oder jene Eigenheit aufweise – etwa großzügige Oberlängen, weich gerundete Unterlängen beim „g“, einen federnden Duktus oder das elegante Ausschwingen eines „f“. Selbst ungeübte Augen konnten diese Merkmale erkennen, sofern man sie geschickt anleitete.

Was wie Zauberei wirkte, war in Wahrheit eine intuitive Synthese aus Gesprächseindrücken, feinfühligem Beobachten und einer Prise psychologischer Suggestion. Oft schauten mich die jungen Damen mit ehrlichem Erstaunen an – nicht unbeeindruckt davon, dass jemand scheinbar aus dem Nichts ihre „Schriftseele“ zu lesen vermochte. 

Übergang: Vom Zauber der Feder zur Enge der Tasten

Doch während ich einst im schwungvollen „g“ oder federnden Duktus die Seele einer jungen Dame zu ergründen suchte, schwindet heute jener analoge Zauber. Der wunderbare, altmodische Brauch des Briefeschreibens ist mit steigenden Portogebühren und der verlockenden Bequemlichkeit elektronischer Post längst verloren gegangen. Wo einst Tintenstriche und Papierflächen intime Einblicke gewährten, tippt man nun lieber eine rasch versendete Mail – zum großen Leidwesen zwischenmenschlicher Tiefe. Dieser Pferdefuß der ausufernden Digitaltechnik begräbt die „analoge Persönlichkeit“, die selbst Goethe mit akribischer Sammelleidenschaft in jedem Brief bewahrte und verewigte. 

Blick in die Zukunft der Charakterdiagnostik

Obwohl die klassische Graphologie im digitalen Zeitalter als Orakel verblasst ist, lebt ihr Grundgedanke fort: Biometrische Unterschriftsmuster auf Tablets und Smartphones tragen Spuren unserer Persönlichkeit. Wer weiß, vielleicht ermöglichen uns KI-gestützte Tools schon bald, Charakterzüge allein aus unserem Tipp-Tempo und Fingerdruckverlauf zu entschlüsseln.

Doch wenn ich heute auf die Welt der Bewerbungen blicke, scheint mir die Zeit der Handschriftanalyse wie ein aus der Mode geratenes Orakel: Niemand reicht mehr einen Lebenslauf in Tinte ein, der unter der Lupe der Graphologie bestehen müsste. Es ist eine andere Epoche. Und doch, irgendwo zwischen Digitalisaten und Algorithmen, lebt der Gedanke fort – dass jede Zeile, ob geschrieben oder getippt, ein Echo unseres Charakters trägt. Oft sind menschliche Prunkfassaden Tarnung für Charakterschaden.

Ich hoffe, dass die „antike“ Graphologie als Charakter-Fander nicht nur in meiner Erinnerungen weiterlebt: Schließlich untersucht moderne Forschung heute biometrische Unterschriftsmuster auf Tablets und Smartphones und verknüpft sie mit Persönlichkeitsprofilen. Stellen Sie sich nur mal in Zukunft KI-Tools für gestützte Handschrifterkennung vor, die zudem Charaktereigenschaften ans Licht fördern.

Erlauben Sie mir einen poetischer Schlussakkord. Am Ende bleibt die leise Poesie Goethes. Er sagt in seinem Drama Torquato Tasso: 

> „Es bildet ein Talent sich in der Stille, > Sich ein Charakter in dem Strom der Welt." >

Inmitten des lärmenden Getriebes der Gegenwart wächst also im Schweigen unsere größte Stärke – der Charakter, den wir uns täglich neu erarbeiten oder erschreiben. 

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Unser Autor Karl Pongracz hat sich die Deformierungen unseres Seins im Zuge der Politik der letzten Jahre genauer vorgenommen. Er kommt zu Schlussfolgerungen, die seinem Werk den Titel „Todeskult“ geradezu aufgezwungen haben. Wie der aus dem Ruder gelaufene „Zeitgeist“ Themen hervorhebt, die es eigentlich nicht gibt, nicht geben dürfte. Einfach weil diese aus niederen Motiven geschaffen wurden, um Menschen zu beherrschen und zugänglich zu machen, für totale Gedankenkontrolle. Er führt seine Betrachtungen bis hin zum Transhumanismus, der den wahren Humanismus ausrotten wird. Ein wunderbares Werk, das uns hilft, Orientierung im ganz alltäglichen Wahnsinn zu behalten. Bestellen Sie Ihr Exemplar „Todeskult“ direkt beim Verlag hier oder erwerben Sie es in Ihrem Buchhandel.

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