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Menschen sind nunmal Raubtiere

Von Peter Haisenko 

Die Lebenszyklen, das Streben aller Lebewesen auf Erden, kann auf die einfache Formel reduziert werden: Fressen und Vermehrung. Zum fressen gehört auch gefressen werden. Das gilt nicht nur für Tiere, sondern genauso für Pflanzen. Wie jüngere Erkenntnisse nahelegen, könnten auch Pflanzen ein Bewusstsein haben. Da wird es eng für Veganer.

Pflanzen unterscheiden sich von Tieren dadurch, dass sie ortsfest sind, sich also ohne fremde Hilfe nicht fortbewegen können. Dennoch versuchen auch Pflanzen, ihre Art so weit wie möglich über den Planet zu verbreiten, sich neue Lebensräume zu erobern. Das können sie aber nicht eigenständig. Sie brauchen den Wind oder eben die Hilfe von Tieren. So haben sie symbiotische Systeme entwickelt, die beiden Seiten nützlich sind. Aber selbst die scheinbar harmlosen Pflanzen bekämpfen sich gegenseitig im Ringen um den besten „Platz an der Sonne“, die besten Klimabedingungen oder das beste Erdreich. Das verläuft in langen Zyklen, die manchmal länger als 500 Jahre dauern können.

Bäume, Pflanzen, kommunizieren miteinander und auch untereinander. Sie warnen sich vor Gefahren, Fressfeinden, und können darauf reagieren, indem sie Giftstoffe produzieren. Die wirken abschreckend auf die Fressfeinde. Aber auch bei der Vermehrung kommunizieren sie, indem sie Duftstoffe aussenden, die dafür sorgen, dass alle möglichst gleichzeitig ihre Pollen abgeben und die Blüten empfangsbereit sind. Das findet in besonderem Ausmaß bei Korallen statt und es ist ein gewaltiges Schauspiel. Pflanzen haben Samenformen entwickelt, die an spezielle Tierarten angepasst sind. Bäume können mehrere Jahrtausende alt werden und höher als 100 Meter. Sogar während ihrer Lebensperiode können manche Arten ihre Fruchtform und deren Inhalt verändern, wenn sich die Bedingungen und die Fauna verändert haben.

Es ist ein endloser Kreislauf

Das größte Lebewesen auf Erden ist ein Pilz, der sich in Kalifornien über dreißig Kilometer streckt. Pilze fressen auch und werden gefressen. Letztendlich wird jedes lebendige und auch verstorbene irgendwann „gefressen“, von Mikroorganismen und auch die sind fähig, sich veränderten Bedingungen anzupassen. So ist alles Leben in jeder Form Teil eines endlosen Kreislaufs, der sich ständig anpasst und erneuert, gegenseitig bekämpft und frisst, aber auch gegenseitig hilft im Kampf um „Fressen und Vermehrung“. Wir Menschen sind Teil dieser Zyklen und selbst in unserem Inneren findet das statt. Milliarden Kleinstlebewesen, das Mikrobion, bevölkern unseren Darm ebenso, wie auf unserer Haut viele nützliche und auch schädliche Mikroben ihren Dienst verrichten. Wir wissen heutzutage, dass unsere Darmbewohner sogar unser Bewusstsein beeinflussen.

Welche Formen von Bewusstsein gibt es?

Angesichts all dieser jüngeren Erkenntnisse fällt es mir schwer auszuschließen, dass selbst Pflanzen über ein Bewusstsein verfügen könnten, dessen Funktion und Ausbildung sich uns Menschen aber kaum erschließen kann. Was aber unterscheidet den Mensch von allen anderen Lebensformen? Das Wesentliche dürfte sein, dass sich der Mensch soweit entwickelt hat, dass er in der Lage ist, alles andere Leben auf der Erde auszulöschen und so schließlich auch sich selbst. Nur der Mensch ist in der Lage, die eigene Spezies massenweise umzubringen. Leider tut er es auch. Allerdings hat der Mensch auch im Lauf der Evolution ethisch-moralische Grundsätze entwickelt. Noch kann niemand sagen, ob es bei Pflanzen ähnliche Erscheinungen geben könnte, aber Angesichts vieler symbiotischer Zusammenarbeit sollte man auch das nicht ausschließen. Schließlich sind uns Pflanzen in ihrer Entwicklungsgeschichte um Jahrmillionen voraus. Sie können sich nur nicht selbstständig fortbewegen und wenn sie kommunizieren, können zumindest wir sie nicht verstehen.

Affe oder Bär?

Betrachtet man die Fauna, ist es nicht der Affe, der unserer Lebensart am nächsten ist. Ich sehe hier eher die Bären. Diese sind nicht nur Kostrivalen des Menschen, sie sind kaum durch Fressfeinde gefährdet und uns bei ihrer Brutpflege sehr nahe. Eigentlich fehlt ihnen nur die ausgefeilte Kommunikationsfähigkeit zu einer menschenähnlichen Entwicklung. Auf der anderen Seite sollte man nicht ausschließen, dass sich auch in der Tierwelt im Lauf der Zeit eine immer höhere Intelligenz entwickelt. Fortlaufend. Ich denke hier zum Beispiel an Rabenvögel oder sogar Kraken, die in der Lage sind, ziemlich komplexe technische Aufgaben zu lösen. Konnten die das auch schon vor Tausenden von Jahren? Wir wissen es nicht. Und wieder müssen wir zugeben, dass auch diese Tiere eine längere Entwicklungsperiode als die Menschen hinter sich haben. Vögel sind Nachkommen der Saurier.

Wieviel „Selbstbewusstsein“ haben also Tiere? Immerhin ist von etlichen Arten bekannt, dass sie lebenslange Partnerschaften eingehen. So muss es zumindest die Fähigkeit geben, andere Individuen als unverwechselbare Individuen wieder zu erkennen. Inwieweit können Tiere freundschaftliche Beziehungen aufbauen, was auch eine Individualität als Voraussetzung bedingt? Haben Pflanzen auch die Fähigkeit zum freundschaftlichen Umgang miteinander? Immerhin ist mittlerweile bekannt, dass auch Bäume eine gewisse „Brutpflege“ betreiben. Sie sind über ihre Wurzeln miteinander verbunden, teilen ihren Lebensraum mit Pilzen und Mikroorganismen und helfen einander beim Überleben.

Alles Leben tauscht unablässig Moleküle aus

Um die universellen Zusammenhänge zu verdeutlichen und wie die Menschen darin verflochten sind, weise ich noch darauf hin, dass ein ständiger Austausch von Molekülen stattfindet. Zwischen Tieren, also auch Menschen, untereinander und der Flora. Die CO2-Moleküle, die Tiere und Menschen in ihren Körpern herstellen und ausatmen, treibt der Wind um den gesamten Globus. Sie werden wieder aufgenommen von anderen Menschen und Tieren und so universell „geteilt“. Wichtiger ist aber, dass dieses CO2 für das Leben der Pflanzen unverzichtbar ist. Und wenn die Pflanzen es verarbeitet haben, nehmen es die Tierwelt und die Menschen wieder mit der Nahrung auf. Es ist ein fein vernetztes Räderwerk, das auf keine seiner Komponenten verzichten kann.

Nachdem ich nun ausführlich genug darauf eingegangen bin, dass wir nicht ausschließen können, dass alle Lebewesen auf Erden ein Bewusstsein haben könnten, - wie auch immer das geartet sein mag – will ich mich den ethisch-moralischen Aspekten widmen. Vegetarier lehnen es ab, Tiere zu verzehren. Das ist nachvollziehbar. Man will keinem Tier etwas antun. Wie aber wollen wir Menschen leben, wenn nachgewiesen wird, dass auch Pflanzen ein Bewusstsein haben, Schmerz empfinden können oder sich über gute Behandlung freuen? Blumenfreunde schwören darauf, dass ihre Zöglinge besser gedeihen, wenn ihnen Mozart vorgespielt wird oder ihnen auch nur positive Gedanken gewidmet werden. Ein Blumenfreund wird seine Lieblinge nicht vertrocknen lassen, sie nicht vorsätzlich umbringen. Darf er trotzdem guten Gewissens Salat essen?

Sind Menschen Schädlinge?

Wer alle diese Gedanken nicht zu Ende denkt, könnte zu dem voreiligen Schluss kommen, die Menschheit müsste sich kollektiv umbringen, weil man nur leben kann, wenn man anderes Leben tötet und verspeist. Wie ich aber schon ausgeführt habe, ist alles Leben ein Zyklus von fressen und gefressen werden und der Mensch ist nunmal beteiligt daran. So, wie die Exkremente der Tiere Dünger für neues Leben sind, sind es auch die der Menschen. Warum also sollte sich ausgerechnet der Mensch diesen Zyklen entziehen müssen?

Der Mensch hat in Mitteleuropa seine Fressfeinde ausgerottet, zum Selbstschutz und um Kostrivalen auszuschalten. Bären und Wölfe. Die Folge ist, dass sich alle Beutetiere der Bären und Wölfe stark vermehren können und die Pflanzen leiden darunter. So muss der Mensch die Rolle seiner Fressfeinde, seiner Kostrivalen, übernehmen und so dafür sorgen, dass das Gleichgewicht wieder hergestellt ist. Sollen die erlegten Tiere nicht sinnlos verrotten, müssen sie verspeist werden. Gleiches gilt für Pflanzen, denen der Mensch mit Beginn des Ackerbaus zu einer Vermehrung verholfen hat, die diese ohne menschliche Hilfe niemals hätten erreichen können. Ja noch mehr, Mais zum Beispiel, kann ohne den Anbau durch Menschen nicht existieren. Ob wir es wollen, wollten, oder nicht, der Mensch, das Raubtier und der Pflanzenfresser, ist Teil des ewigen Zyklus.

Ist sinnloses Töten unmoralisch?

Nicht toleriert werden sollte allerdings sinnloses Töten, ebenso wie der Einsatz von Massenvernichtungswaffen gegen Pflanzen wie beispielsweise Glyphosat. Abscheulich empfinde ich die „Großwildjagd“, die nur wegen der Trophäen durchgeführt wird. Aber genau betrachtet, verhelfen auch die so entstandenen Kadaver anderen zu Nahrung. Hyänen oder Geier zum Beispiel oder Milliarden von Kleinstlebewesen. Die Essenz daraus ist, egal, was der Mensch tut, nichts verschwindet völlig nutzlos von diesem Planeten. Selbst nach der Explosion einer Atombombe entsteht neuer Lebensraum für Arten, die vorher dort keinen Platz hatten. Für Flora und Fauna. Man denke hierzu nur an Waldbrände, ohne die die Samen mancher Pflanzen nicht aufkeimen können.

So komme ich nach reiflicher Überlegung zu dem Schluss, dass wir Menschen guten Gewissens an den Zyklen von fressen und gefressen werden teilhaben dürfen. Und zwar, was sowohl Pflanzen als auch Tiere betrifft. Auch wir haben ein Recht auf Vermehrung, die Erhaltung der Art. Leider ist dabei der Respekt vor der Natur, der Schöpfung, verloren gegangen. Massentierhaltung und daraus folgende Quälereien sind abzulehnen. Wer aber bei seinem eigenen Kampf ums eigene Überleben respektvoll mit seinen „Opfern“ umgeht, wird auch sein Karma nicht strapazieren. Wir Menschen sind nunmal Raubtiere und das ist die Rolle, die uns die Evolution zugeordnet hat. Sie ist sinnvoll, solange man dabei nicht mehr Leben vernichtet, als man wirklich braucht. Und ebenso wichtig ist es, sich einen inneren Dank zu bewahren, für die Gaben von Flora und Fauna, die uns die Existenz als Menschen erst ermöglichen. Wer respektvoll und dankbar mit Lebensmitteln jeder Art umgeht, dem werden diese auch gut tun.

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