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Entwerfen wir ein vages Gottesbild

Von Hans-Jörg Müllenmeister 

Göttliches – inszeniert durch eine materielle Erscheinung – hat es immer schon gegeben. Denken Sie an all die Religionsstifter; diese „Gottgesandten“ nahmen und nehmen für sich Göttlichkeit in Anspruch. Mit Verlaub gesagt, ich sehe die Schöpfung eher monotheistisch. Ihre „Derivate“ und selbst ernannten Abkömmlinge können ja durchaus von Gott „gesandt“ sein.

Dass aber mehrere Schöpfer gleichzeitig existieren, wäre in der Tat absurd, denn jede weitere Gottesexistenz wäre ja aus dem einen Urgott hervor gegangen. Damit wäre die Einzigartigkeit des Schöpfers aufgehoben, also ad absurdum geführt. Denkbar ist es, dass uns der „Schöpfergeist“ von Zeit zu Zeit zur Demut gemahnt. Dazu muss die unergründliche Natur etwas ins Werk setzen, was die „monolithisch“ strukturierte Menschheit als Heilsbotschaft begreift. Warum sollte nicht eines Tages ein virtuelles Gottesbild am Himmel erscheinen, das uns alle gemahnt, wieder demütig Gutes zu tun. Die Zeit dazu wäre reif – nach der „Höllen-Dreifaltigkeit“ Korona, Krieg & Klima-Wandlung. 

Trugbilder (Erklärungsmodelle) der Wissenschaft

Schon immer tastete sich die Physik schrittweise voran, um der Schöpfung näher zu kommen; die Physiker schufen Erklärungsbilder. Denken Sie z.B. an das Bohrsche Atommodell (Atomkern, umkreist von Elektronen) oder an den Dualismus des Lichtes: hier Teilchen, da Korpuskularstrahlung. Nichts von all dem ist „Wirklichkeit“, aber mit der bildhaften Krücke lässt sich rechnerisch umgehen, ebenso wie mit sinnvollen Vereinfachungen komplizierter physikalischer Sachverhalte.

Gerade wenn wir glauben durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse einen winzigen Zipfel der Schöpfung zu erhaschen, umhüllt sich das Überwesen der Schöpfung im Nebel neuaufkeimender Fragen. Allein die Frage, in welchem frühen Stadium der Zellteilung unser Körper unsere Seele aufnimmt, ob sie im Leben an Erfahrung zunimmt und den Körper im Tod verlässt, ist reine Spekulation. Wir unterstellen der Seele selbstverständlich eine Massenlosigkeit. Erst recht wäre ein massebehafteter, ewig wirkender Gott über Zeit und Raum physikalisch nicht vorstellbar. 

Der unwirkliche „Masse-Gott“; und da wäre ja noch die Zeit

Selbst die widerstandsfähigste Masse bestünde nicht ewig, wäre also als Baustein einer Gottessubstanz unwürdig. Diese müsste übrigens erst von einem Gott erschaffen worden sein. Ein „Masse-Gott“ wäre aber nicht in der Lage mit Überlichtgeschwindigkeit das Universum zu regieren: Bereits beim Erreichen der Lichtgeschwindigkeit würde Gott zu einer unendlichen Masse anschwellen. Naiv-egoistisch gefragt: Wo bliebe dann noch Platz für uns im Kosmos, wenn der Schöpfer sich so aufplustert? Würde dieser massenträge Gott irgend etwas im Universum bewirken wollen, käme er immer zu spät. Überhaupt, die versklavende Zeit als gerichteter Pfeil vom Vergangenen zum Gegenwärtigen bis ins Unendliche wäre einem Gott nicht würdig. Für Gott gibt es keine Zeit, er ist und wirkt zeitlos, für immer! Ein unendlicher Schöpfer zieht seine Hochgenialität nicht aus einer materiellen Ebene, wohl aber gestaltet und wirkt er auf alle Formen der Materie und des Geistes ein.

Alle anthropomorphen Erklärungsmodelle zum Wesen der Schöpfung scheitern, weil unsere Sinne und Erfahrungen auf uns selbst geprägt sind. Gewiss braucht das „Überuns“ selbst keine Super-Organe, etwa eine unendlicher Sehschärfe, um die Außenwelt zu verinnerlichen. Das wahre Gottesbild kann nicht aus materiellen „Lego“-Bausteinen (Organen) bestehen, so wie wir Menschen. Ich komme zur Ansicht, dass dieses Etwas die Welt in Bildern ganzheitlich erschuf und sie ohne Hilfskonstrukte erhält, die nur wir benötigen, um die Natur im Ansatz schemenhaft zu begreifen. So erschließt sich uns etwa die transzendente Zahl Pi = 3,14... erst akkurat mit unendlich vielen Nachkommastellen. Gewiss sieht die Schöpfung die komplette Zahl Pi ganzheitlich als eine Art Hologramm.

Oder betrachten wir die Infinitesimalrechnung, die verwickelte Naturprozesse nur dadurch zugänglich macht, indem sich bestimmte Dinge oder Ereignisse erst dann berechnen lassen, wenn man sie als Konstrukt mathematisch in Winzigkeiten aufteilt und aufsummiert. Dazu gehören auch chaotische Prozesse, die sich uns vielfach in ihrer Grundstruktur nicht erschließen. Der Schöpfergeist braucht indes keine Brille, hat keinen unscharfen „Abstand“ zu all den Dingen und geistigen Strukturen, denn er ist mitten drin, ja er ist die Natur selbst im weitesten Sinne. Dieser Dualismus ist für uns unbegreiflich. 

Nur ein masseloses „Hyperwesen“ ist über dem Universum erhaben

Ein massebehafteter Schöpfer ist physikalisch nicht möglich. Das würde ja seine Vergänglichkeit implizieren. Ein unendlich agierender Schöpfer zieht seine Genialität nicht aus einer materiellen Ebene, wohl aber gestaltet und wirkt er auf alle Formen der Materie und des Geistes ein. Überall und allzeit ruht die ordnende Hand Gottes auf alles Erschaffene. Nicht roboterhaft, sondern nach einem göttlich-dynamischen Prinzip, das direkt und überall ohne Zeitverzug wirkt. Nur die Schöpfung selbst ist durch die unendliche Geschwindigkeit – da masselos – in nichts begrenzt, auch nicht in der Zeit. Sie herrscht und wirkt über den gesamten Kosmos ohne Zeitverzug. Dieses augenblickliche Wirken über das unendliche Universum setzt eben eine unendliche Geschwindigkeit voraus.

In unserer erfahrenen Welt bildet indes die Lichtgeschwindigkeit für bewegte Massen eine unüberwindbare Natur-Schranke; jede Masse würde beim Erreichen der Lichtgeschwindigkeit zu einem unendlich schweren Monstrum anschwellen. Überhaupt, so dünkt es, hat sich die Schöpfung etwas Apartes vorbehalten: Vielleicht so etwas wie eine mehrdimensionale Unendlichkeit über Zeit und Raum, während wir z.B. von der Wiege bis zur Bahre den gerichteten Strom der Zeit aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nur linear wahrnehmen. 

Die vollkommene Intelligenz des Schöpfers bedarf keiner Erfahrung

Hat der Schöpfergeist ein virtuelles Gehirn mit unendlicher Intelligenz? Nicht etwa das Superlativ zu unserem Gehirn, selbst wenn es im höchsten Maße genial wäre. Unsere ausgeformte Intelligenz beruht ja auf Denkspuren, die wir im Laufe des Lebens erst ausbauen. Die ersten „Denk-Trampelpfade“ des jungen Lebens verbreitern sich durch den Zuwachs an Erfahrung; es entstehen daraus mehrspurige „Autobahnen“ des Denkens in weiteren Ebenen: das Prinzip einer heranreifenden Intelligenz. Übrigens unsere Gedanken und Ideen, die wir aus unserer Denkstube gewinnen, sind in der Tat auch masselos, denn wer hat schon einen seiner Gedanken direkt als wandelndes, an-fassbares Gedankengut gesehen?

Die Macht des Allwissenden braucht dagegen keinen Erfahrungsschatz, um darauf aufbauend, sich weiter zu vervollkommnen; er ist bereits vollkommen! Zwar lässt die Schöpfung als Konzept Versuch und Irrtum im Leben zu, um daraus neue resistentere und auch intelligentere Lebensformen zu entwickeln. Der Schöpfergeist ist gewiss erhaben über alle menschlichen „Werteskalen“ von Ethik und Moral. Und was sind wir, wir edlen Geschöpfe? Mark Twain sagte dazu süffisant: „Gott hat den Menschen erschaffen, weil er vom Affen enttäuscht war. Danach hat er auf weitere Experimente verzichtet.“ 

Der hypothetische Urknall: Geburt von Raum, Zeit und Urkraft

Erinnern wir uns an den viel zitierten Urknall, den singulären Punkt. Im Gegensatz zu uns Menschen gibt es für den Schöpfergeist bestimmt keinen singulären, also einzigartigen Punkt. Dieser Zustand trug womöglich gottähnliche Züge, denn es existierten zu Beginn weder Zeit noch Raum. Erst einige Jahrhunderttausende nach dem Urknall wurden Raum und Zeit geboren: aus der elementaren Urkraft – die scheint mir sehr gottverdächtig! – spalteten sich die vier Elementarkräfte unseres Universums ab, nämlich die große und kleine Kernkraft, die elektromagnetische und die Gravitationskraft. Bemerkenswert ist sie schon, die gerichtete Gravitationskraft, wirkt sie doch als kleinste dieser Kräfte allein bis ins Unendliche. Übrigens: Der britische Astrophysiker Stephen Hawking leugnete zuletzt jede Gottesexistenz. Allein die besagten Elementarkräfte hätten das Universum hervorgebracht, so postuliert er. Da fragt sich, wer ließ denn die Elementarkräfte entstehen, wer schafft und erhält die Natur, wenn nicht Gott persönlich? Die Physiker unserer Zeit wollen mathematisch herausfinden (Weltformel), aus welcher Urkraft die Elementarkräfte hervorgingen. Aber dieses Geheimnis werden sie nie entzaubern. Gott lässt sich nicht in seine Karten blicken. Die Nähe Gottes liegt im Unendlichen, und wir kommen Gott nicht näher, eher entfernen wir uns immer weiter von der Natur. 

Ist Gott der Quell unendlicher Energie?

Wir können unser Gehirn zermartern nach der Gottesfrage, die Schöpfung bleibt für uns ein ewiges Geheimnis. Das, was die Schöpfung auszeichnet, ist für uns wesensfremd und weitaus gewaltiger, zudem beseelt von ewiger Liebe und Kreativität. Der Wesenskern ist die göttliche Liebe, die vollendete Harmonie im Kosmos. 

Fein abgestimmte Naturgesetze

Schauen wir uns nur die Feinheiten seiner Naturgesetze an. Vieles in der Natur entsteht und lebt von der Periodizität, vom Chaos, von der Symmetrie, sowohl im Mikro- als auch im Makrokosmos. All das sind feine Zutaten und Eigenarten unserer Schöpfung. Und alles ist in geheimnisvoller Weise präzise aufeinander abgestimmt, allem voran die Naturkonstanten wie auch die Himmelsmechanik. Alles, was weiter teilbar ist, etwa die Atome bis hin zu den „Elementarfäden“, den Strings, gehört zum Mikroprogramm der Natur, sie sind aber nicht der Ursprung alles Seins. 

Und wo thront der Schöpfer im Universum?

Nie werden wir einen topographischen Gottesort in der Unendlichkeit ausmachen. Selbst die Heimat unseres blauen Planeten im Hinterhof der Milchstrasse ist durch nichts Außergewöhnliches hervor gehoben. Müßig ist es auch, eine unendlich wirksame Hyperenergie Gottes anzunehmen, eingebettet in einem feinkörnigen, göttlichen Meer der Information. Gott ist eben kein bloßer Hyper-Rechner oder ein Hyper-Energiebündel. 

Das Ende des Universums – auch Ende der Schöpfung?

Das größte unfassbare Geheimnis der Astrophysik ist die Wirkung der rätselhaften Dunklen Energie. Diese seltsame Energieform bestimmt, wie sich unser Universum weiter entwickelt. Die schicksalhafte Zukunft hängt von den Massen- und Energiedichten des Universums ab. Ist genug Materie vorhanden, dann dominiert die Gravitationskraft über die expansive titanische Kraft der Dunklen Energie, die das Universum auseinander zu reißen droht. Als Folge davon wird die Expansion irgendwann aufhören und das Universum wieder kollabieren. Dieses hypothetische Szenario nennt die Astrophysik das „Große Knirschen“, den „Big Crunch“. In der Schlussphase dieses Prozesses gäbe es ein einziges Schwarzes Megaloch. Dieses enthielte sämtliche Materie und Informationen des Vorgänger-Universums. Von allen weiter denkbaren End-Szenarien scheint mir dieses wahrscheinlich; es kennzeichnet die wahrhaft göttliche aller denkbaren Choreographien.

Erneut käme es vielleicht zu einem „fast“ singulären Zustand, wenn das Schwarze Megaloch „Trichter-förmig" wäre. Die Materie des sterbenden Universums würde dann im Strudel irrsinnig verdichtet und beschleunigt hinein gesogen. Kurz vor Erreichen des ominösen, singulären Punktes würde die verschlungene Materie samt ihrer Information den Trichter durch den „Geburtskanal („Wurmloch“) als das neugeborene Universum verlassen: Ein periodischer Verlauf von Expansion und Kollaps eines ewig pulsierenden Universums. Aber ließe Gott am hypothetischen Ende des Vorgänge-Universums seine Schöpfung eines kalten Todes sterben? Warum sollte er sich als Faulpelz aus seiner Schöpfung zurückziehen, wenn er doch ewig wirkt? Nein, denn es käme ja erneut zu einer Wiedergeburt eines neuen Universums: zur Paukenschlag-Symphonie – womöglich sogar mit einem verblüffend neuen Arrangement an „Legobausteinen“ (Elementen) der Natur.

Das göttliche Universalfeld

Wir können uns nicht vorstellen, wie Gottesintelligenz einfach universal besteht, ohne dass diese einem kreativem Organ entspringt. Wir kommen aus der Bredouille, wenn wir ein göttlich wirkendes Universalfeld annehmen, das immer und ewig im gesamten Universum seine „Kraftlinien“ ausstreckt – auch in verborgene Dimensionen. Es müsste bis in die entferntesten Galaxien wirken, ebenso wie in allen subatomaren Bereichen und in allen Lebensprozessen. So ein reinrassiges Informationsfeld wäre zwar „hochintellektuell“, indes zu keinem Gefühl fähig, erst recht nicht zur höchsten Form der Liebe (Agape). So ein Dilemma – verkünden doch unsere Weltreligionen einen Gott der Liebe. Es wäre vielleicht ein zweites oder drittes Gottesfeld denkbar, das dann all diese göttlichen Eigenschaften in der Summe in sich vereint. Bestimmt besteht Gott aber nicht aus einem Sammelsurium eines Bausteinsystems, vielmehr ist er einzig und eine hochkomplexe Einheit. Da stellt sich für mich die Frage: Wie aber schafft Gott das alles, eine Einheit in Geist und Seele? 

Finale Einsicht

Wir, Staubpartikel der grandiosen Schöpfung, erahnen die Schöpfungsidee und bitten Gott als wohlwollend höchste Instanz um Hilfe und Beistand; meist dann, wenn wir in Not geraten. Die meisten von uns sehen ja in Gott einen Joker für besonders schwierige Lebenssituationen. Wäre es abwegig anzunehmen, dass fremdartige Intelligenzen des Kosmos in einer von uns nie wahrnehmbaren Dunkelwelt existieren, die ebenso von der Idee Gottes geleitet sind? Welch einen gigantischen Größenbereich muss da die Schöpfung ständig nachhaltig „betreuen“!

Unsere Lebensspanne liegt zwischen Geburt und Tod. Was postmortal mit uns geschieht, darum wetteifern die Religionen in diversen Glaubensrichtungen. Was der Einzelne über die Schöpfung – über Gott – denkt, entspringt seiner Vorstellung, seiner Tradition, seinem Glauben. Würde man die Jahrmilliarden Erdgeschichte auf einen einzigen Tag komprimieren, wären wir denkenden Erdlinge kurz vor zwölf erschienen. Die Schöpfung gab uns „Last Minute“-Wesen vermutlich das größte Denkpotential unter den Erdlingen. Schöpfen wir daraus, gehen wir pfleglich damit um. Seien wir demütiger.

Benehmen wir uns wieder als Gäste auf unserem blauen Planeten Erde und nicht wie Zechpreller oder Ganoven, die weltweit Raubbau und Klau an der gottgegebenen Natur begehen – gerichtet gegen die Schöpfung, gedient dem schnöden Mammon. 

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