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Wortfindlinge aus dem Sprachchinesisch

Von Hans-Jörg Müllenmeister 

Wortfindlinge, vor allem künstliche, erfreuen sich in Schreiberlingskreisen wachsender Beliebtheit. Diese jüngste Ling-Epidemie geht auf die verbesserten Deutsch-Chinesischen Beziehung unter Leitung des Botschafters Shi Mingde zurück.

Während neumodische Wort-Lieblinge allerorts wie Pilze aus den Federn fließend schießen man denke nur an den Miesling oder Naivling wandern ganze Nachtschattengewächse in den Kochtopf, etwa Pfifferling, Täubling, Becherling oder der schmackhafte Brätling.

Weniger bekömmlich ist dagegen ein giftiges Kräutergebräu, nämlich der Schierling, dem bereits Sokrates sein vorzeitiges Erkalten verdankte.

Kurioserweise sind auch Findlinge unter den im Wachstum Begriffenen gar nicht so selten: Das Repertoire reicht von Säugling, Sprössling bis zum Jüngling. Unter diesen Halbstarken würde sich ein Greisling als seniler Sonderling ausnehmen. Dagegen zählen der Däumling, Würmling und Winzling zu den Liliputlings.

Der verwegene Neuling im Reiche der Ling-Orthografie meint, den Zwillingsbrüdern Feigling und Ängstling stünde ein Mutling vis-à-vis. Das Pendant des argen Fieslings wäre der liebenswürdige Nettling, der Kontrahent des Schädlings sei der Nützling und aus dem derben Rohling würde schließlich ein ausgekochter Garling.

Kein Zweifel, das jahreszeitliche Ling-Schlaraffenland ist der Frühling: Da erschnäbelt sich der Nestling einen fetten Engerling, der vogelmütterlicherseits unter einem Sämling herausgepickt wurde, ein verspäteter Frischling (dieser Flurschädling) verspeist grunzend lauter frische Setzlinge, durch die klare Luft schwimmen farbenprächtige Schmetterlinge, genauer gesagt Kohlweißlinge. In weiser Voraussicht vermeidet die Natur ein Sprachchinesisch und lässt den Winterling nicht erst im Mai blühen, gottlob! Das Gesträuch hieße sonst Frühlingling.

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