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Ciao Papa

Von Hubert von Brunn

WIR SIND PAPST, titelte die Bild-Zeitung am 20. April 2005 als der Deutsche Josef Ratzinger zum Pontifex Maximus erkoren wurde. Nun, ICH war damals nicht Papst, ich bin es heute nicht, wenn Ratzinger sich als Hauptdarsteller von der vatikanischen Bühne verabschiedet, und ich werde es in Zukunft nicht sein, egal wen das Konklave auf den Stuhl Petri hieven wird. Das Papsttum ist mir zutiefst zuwider, und ich würde laut applaudieren, wenn dieser anachronistische Posten endgültig der Vergangenheit angehörte.

Ich bin schon etwas erstaunt, dass keiner der Kommentatoren in den großen Medien seit Bekanntgabe von Benedikts Ausstieg (soweit mir bekannt) auch nur eine kritische Anmerkung gemacht hätte über die Verlogenheit, die Verkommenheit und die Machtanmaßung, die das Papsttum in Wirklichkeit bedeutet. Immerhin war es die Bild-Zeitung (!), die in einer kurzen Serie über einige der extremsten Auswüchse in der Geschichte der Päpste informierte. (Aber das „Revolverblatt“ liest ja angeblich keiner.)

Werfen wir also einen kurzen, pointierten Blick auf die Geschichte der Päpste, um deutlich zu machen, woher mein Widerwille gegen dieses Amt kommt. Es kann wirklich nur ein sehr kurzer Blick sein, denn was diese „Stellvertreter Gottes“ auf dem Stuhl Petri im Laufe der Jahrtausende angestellt haben, spottet jeder Beschreibung, und selbst das Wenige, das uns bekannt ist, füllt dicke Bücher. (Der Vatikan achtet mit Argusaugen darauf, dass nicht zu viele Informationen ans Licht der Öffentlichkeit gelangen, denn würden alle Missetaten der Katholischen Kirche mit ihren Päpsten als Oberhäuptlinge schonungslos offengelegt – dann könnten sie als „Menschenfischer“ (O-Ton Petrus) endgültig einpacken. Nicht einmal die verblödeten Deutschen wären dann noch bereit, die staatlich verordnete Kirchensteuer weiter zu bezahlen.)

Klerikaler Machtanspruch

Zurück zum Papsttum. Vorneweg die historisch nicht zu widerlegende Tatsache, dass dieser Posten weder von Jesus noch von den Aposteln vergeben wurde. Vielmehr waren es die Bischöfe von Rom, die ab dem 4. Jh. eine Vormachtstellung gegenüber ihren Amtskollegen im christlichen Abendland für sich in Anspruch nahmen – weil in Rom lebend und sich als direkte Nachfolger des Apostel Petrus fühlend, (der sinnigerweise nie in Rom war) – und erstmals den Titel „Papa“ führten. Die anderen christlichen Würdenträger wollten diese Anmaßung aber nicht akzeptieren und nannten sich dann einfach auch „Papa“.

Dennoch verstanden es die römischen Bischöfe im Laufe der Jahrhunderte, ihre Vormachtstellung innerhalb der katholischen Kirche, insbesondere aber auch ihre Machtfülle gegenüber den weltlichen Herrschern in Europa weiter auszubauen und zu festigen. Was ihren liederlichen Lebenswandel und ihre an widerlichsten Auswüchsen überbordente Hofhaltung anlangt, waren sie ohnehin unschlagbar. Also wählten sie fromme Namen, nummerierten sie durch und nannten sich „Papst“. Extreme, von den Klerikern mit aller Macht propagierte Gottesfürchtigkeit, tiefer Aberglaube und abgrundtiefe Unwissenheit ließen dem gemeinen Volk (und auch den in der Regel wenig gebildeten Königen und Kaisern) keine Wahl: Sie mussten den universalen Machtanspruch des Papstes anerkennen und ihm die Pantoffel küssen, wollten sie nicht für alle Ewigkeit in der Hölle schmoren.

Sodom und Gomorra am päpstlichen Hof

Mit dem 10. Jahrhundert begann dann das so genannte „römische Hurenregiment“. Der päpstliche Hof war inzwischen zu einem einzigen Sodom und Gomorra verkommen (was bis weit in die Renaissance hinein andauern sollte) und war geprägt von Intrigen und Verrat, Vetternwirtschaft, die auch vor Mord nicht zurückschreckte, Völlerei, Hurerei, Inzucht…! Zustände, die sich ein zivilisierter Mitteleuropäer unserer Tage nicht vorstellen kann. (Selbst Bunga-Bunga-Berlusconi erscheint dagegen wie ein mickriges Würstchen!)

Eine herausragende Figur jener pornokratischen Epoche war die schöne Marozia (892 – 932). Alt ist sie nicht geworden, doch in ihrem kurzen Leben hat sie eine Menge erreicht. „Sie begann umsichtig, Päpste einzusetzen, abzusetzen, zu ermorden und zu gebären“, schreibt ein Chronist. Als sich die machtlüsterne Dame auch noch zur Kaiserin krönen lassen will, wird es ihrem Sohn Alberich zu viel. Er lässt sie ins Gefängnis werfen, wo sie elendiglich krepiert. Ihr Enkel, der als Papst Johannes XII. in die Geschichte eingehen sollte, führt dann ein Lotterleben ganz im Stile seiner verblichenen Oma weiter – bis er eines Tages an den Falschen gerät. Als er sich nämlich eines Nachts über eine adlige Dame in deren ehelichem Gemach hermacht, kommt unvermutet der Gatte nach Hause und erschlägt ihn. Dumm gelaufen für ihn, aber sicherlich kein Verlust für die Menschheit.

Universalmonarchie des Papsttums

Dann trat Papst Gregor VII. ( 1073 – 1085) auf den Plan. Ein wirklich schlimmer Finger, der seine Idee einer Universalmonarchie mit aller Macht zu verwirklichen suchte, und als der eigentliche Begründer des Papsttums angesehen werden kann. Er ist der Urheber der erzwungenen Ehelosigkeit der Priester, des Zölibat. (Diesem sehr komplexen und ganz und gar nicht ruhmreichen Thema der Katholischen Kirche werde ich mich in Zusammenhang mit den bekannt gewordenen Missbrauchsfällen in Kürze annehmen.)

Gregor war es auch, der den deutschen Kaiser Heinrich IV. mit einem Bann belegte, weil dieser nicht widerspruchslos nach seiner Pfeife tanzen wollte, ihn dann im Büßerhemd und barfuß drei Tage lang im kalten Winter vor dem Schloss Canossa (gehörte seiner Buhlerin, der reichen Gräfin Mathilde) als Bittsteller stehen ließ, um schließlich gnädigst den Bann (vorerst) von ihm zu nehmen. Damit waren die Machtverhältnisse zwischen Klerus und Adel ein für alle Mal geklärt.

Und Gregor war es auch, der auf einer Synode verfügte, dass sich ab sofort nur einer in der Christenheit „Papst“ nennen dürfe: Er! Voilà, in dieser Tradition haben alle späteren Päpste, bis hin zu Benedikt XVI. gelebt, gedacht und gehandelt. Was soll ich daran gut finden?

Kündigung der Mitgliedschaft

Um etwaigen Missverständnissen entgegenzutreten: Ich komme aus einer hochkatholischen Familie, die immerhin zwei Fürstbischöfe (Lampert in Bamberg und Johann in Würzburg) hervorgebracht hat. Dementsprechend war meine Erziehung. Diese durchaus nicht alltägliche Familiengeschichte hat mich allerdings auch dazu gebracht, mich schon in jungen Jahren mit der Geschichte der Katholischen Kirche zu beschäftigen.

Je weiter ich in meinen Studien vorangedrungen bin, desto offensichtlicher wurden drei Themen, die mir die Augen öffneten und deutlich machten, dass ich dieser Verbrecherorganisation nicht länger angehören will: die Kreuzzüge, die Inquisition und das Papsttum. Mit 28 Jahren wusste ich genug und habe meine Mitgliedschaft gekündigt. Meiner Zwiesprache mit dem „Chef da oben“ hat das keinen Abbruch getan.

Sünde – Bedrohung – Höllenqualen

Absolutistische Monarchien haben die Völker in Europa im Laufe der Jahrhunderte in blutigen Revolutionen abgeschafft, haben die Potentaten zum Teufel gejagt oder sie gleich um einen Kopf kürzer gemacht. Den Absolutheitsanspruch der Katholischen Kirche indes lässt man sich gefallen – bis heute. Warum? Weil diese Kirche Machtansprüche und Bedrohungsszenarien erfunden hat, die jenseits jeglicher menschlichen Vorstellungskraft liegen: Erbsünde, Fegefeuer, Höllenqualen, ewige Verdammnis…!

In Zeiten der Inquisition waren die Schmerzen, die die Kirchenbüttel missliebigen Menschen zugefügt haben, durchaus konkret. Keine Ordnungsmacht im Mittelalter (und darüber hinaus) hat fantasievollere und grausamere Foltermethoden ersonnen als die „Heilige Inquisition“. Und an der Spitze dessen: immer ein Papst! Die Folterkammern der Inquisition sind längst stillgelegt. Gut so! Die Bedrohung der ewigen Verdammnis bei sündhaftem Verhalten aber (was Sünde ist, bestimmt der Papst), schwebt immer noch wie ein Damoklesschwert über den Köpfen der Gläubigen. Das reicht, das ist Machtfülle genug, um die dummen Schäfchen gefügig zu machen.

Kratzer im Lack

Der Berliner Kardinal und Erzbischof Rainer Maria Woelki hat, nachdem Benedikt XVI. erklärt hatte, dass er vorzeitig seinen Hut nehmen wird, die Entmystifizierung des Amtes durch diesen doch allzu menschlichen Schritt beklagt. Nun, vielleicht war das die einzig wirklich gute Tat dieses Papstes, zur Entmystifizierung jenes Amtes beizutragen, das auf einem morastigen Fundament aus Lügen, Verrat, Brutalität und konsequenter Volksverdummung gebaut wurde. Der bis dahin sorgsam polierte Lack der Übermenschlichkeit und Unfehlbarkeit hat durch Benedikts Ausstieg jedenfalls unübersehbare Kratzer bekommen.

Vielleicht hat jener in den letzten Tagen und Wochen seines Pontifikats auch einmal darüber nachgedacht, welchen Anteil er hat an der Aufrechterhaltung dieses weltumspannenden Systems der moralischen Unterdrückung und der Schuldgefühle, die den gläubigen Katholiken von der Wiege bis zu Bahre begleiten. Als Kardinal Josef Ratzinger hat er immerhin von 1981 bis 2005 die Glaubenskongregation geleitet. Jene Nachfolgeorganisation der „Heiligen Inquisition“, deren Aufgabe es ist, jede Art von Ketzerei zu unterbinden. Willkommen im Mittelalter.


Buchempfehlungen

Für alle, die sich noch etwas ausführlicher mit den angesprochenen Themen beschäftigen wollen, habe ich noch ein paar lesenswerte Buchempfehlungen:

Otto von Corvin, Paffenspiegel – Historische Denkmale des Christlichen Fanatismus, TB, Carl Stephenson Verlag 2011.

Ein außerordentlich spannendes Buch, das den Leser sprachlos über so viele Ungeheuerlichkeiten zurücklässt. Besonders bemerkenswert: Die Erstveröffentlichung dieses kulturgeschichtlichen Werks geht zurück auf das Jahr 1845!

Nicht weniger aufrüttelnd (und niederschmetternd zugleich):

Karlheinz Deschner, Kirche des Unheils – Argumente um Konsequenzen zu ziehen, TB, Wilhelm Heyne Verlag, 1980.

Wer es ganz genau wissen will und wissenschaftlich in die Tiefe gehen möchte, dem sei das zehnbändige (!) Werk empfohlen:

Karlheinz Deschner, Kriminalgeschichte des Christentums, Rowohlt, 1986 (Bd.1).

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