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Mit dem Blauen Wasserstoff könnte Frau Reiche ihr Blaues Wunder erleben
Von Wilfried Schuler
Da Sie aber sachkundig ist, darf man erwarten, dass sie diesen Irrweg nicht einschlägt
Der Anlass dieses Aufsatzes ist der Rummel um den Blauen Wasserstoff. Ob dafür oder dagegen, 99% der Diskutanten wissen nicht, worum es geht. Nur wenige können die technischen Details nachvollziehen. Und noch weniger erkennen, dass die Herstellung von Blauem Wasserstoff den Verbrauch von Erdgas ins Absurde treiben würde. Eine Preisdiskussion könnte mangels Angebot gar nicht aufkommen. Die weitere Verfolgung dieser Idee wird die Energiebranche und mit ihr die Industrie zerstören.
Die technischen Details
Wie bekannt, stellt man 99,5% allen Wasserstoffs mit dem Wasserdampf-Reforming-Verfahren aus Methan oder anderen Kohlenwasserstoffen her. Dabei wird kontrolliert nur der Kohlenstoff verbrannt. Zunächst entsteht Wasserstoff und Kohlenmonoxid. In einem zweiten Schritt wird das Kohlenmonoxid mit Wasserdampf zu Kohlendioxid und Wasserstoff umgesetzt. Der Wasserstoff bleibt erhalten. Es kommt sogar aus dem Wasser noch etwas dazu. Der in Summe endotherme Prozess bezieht seine Energie aus der Verbrennung des Kohlenstoffs zu CO2. Aus 3,63 kg Methan mit dem Heizwert 50,8 kWh entsteht 1kg Wasserstoff mit einem Heizwert von 33,3 kWh. 34% der inhärenten Energie des Methans geht verloren. Als Zwangsanfall erhält man ca. 10 kg CO2. Der spezifische Energieverbrauch für den so hergestellten Grauen Wasserstoff beträgt 17,5 kWh/kg. Im Vergleich dazu benötigt die Wasserelektrolyse 51-54 kWh/kg für den erzeugten Wasserstoff.
Wird der erzeugte Graue Wasserstoff zur Synthese von Ammoniak, Methanol oder in der Raffinerie verbraucht, gibt es keine Alternative zu diesem Verfahren. Die Weltjahresproduktion von ca. 100 Millionen Tonnen wird mit diesem oder ähnlichen Verfahren erzeugt. Dabei werden eine Milliarde Tonnen Kohlendioxid freigesetzt. Im Vergleich dazu ist die Erzeugung von grünem Wasserstoff marginal und liegt deutlich unter 500.000 Tonnen.
Wollte man Grauen Wasserstoff statt Erdgas als Energieträger einsetzen, müsste das fehlende Drittel an Energieinhalt durch einen Mehrverbrauch an Erdgas kompensiert werden.
Der Faktor um von 2/3 zurück auf 3/3 zu gelangen ist aber nicht 1 1/3, wie man bei oberflächlicher Betrachtung vermuten würde, es ist 1 ½. Anders gesagt, der Verbrauch an Erdgas würde um 50% zunehmen, ohne dass eine kWh mehr bei einem Nutzer ankäme. Grauer Wasserstoff ist nicht CO2-frei. Das Kohlendioxid ist nur an anderer Stelle entstanden. Es muss beseitigt werden und der entstandene Wasserstoff muss die dazu nötige Energie liefern. Reicht diese nicht aus, ist die Idee des blauen Wasserstoffs obsolet.
Grauer Wasserstoff ist deshalb im Vergleich zu Erdgas kein sinnvoller Energieträger. Seine Verwendung würde den Verbrauch an Erdgas um 50% erhöhen ohne dass ein Energiegewinn oder eine Einsparung an CO2 damit verbunden wäre. Man sollte bedenken, dass alle Busse, Bahnen und sonstigen Fahrzeuge mit grauem Wasserstoff betrieben werden. Die Umwelt hat davon nichts. Das ist das sogenannte Greenwashing.
Blauer Wasserstoff ist Grauer Wasserstoff
Jedenfalls so lange, bis die besagten 10 kg Kohlendioxid restlos unter Tage verpresst sind.
Es liegt auf der Hand, dass Aufbereitung, Versand und Deponierung des separierten Kohlendioxids zu einem Energieverbrauch von 1-2 kWh/kg Kohlendioxid anwachsen können. Da 1 kg Grauer Wasserstoff von der Erzeugung her die schwere Hypothek von 10 kg CO2 Entsorgungslast zu tragen hat, kommt man an folgender unwiderlegbarer Berechnung nicht vorbei: Energieinhalt von 1 kg Wasserstoff = 33,3 kWh – 10 x Z = E
Z ist der Energiebedarf für alle Manipulationen, denen das Kohlendioxid unterworfen wird. Es wird gefiltert, gewaschen, getrocknet und verflüssigt. Alleine für die Verflüssigung werden 0,25 kWh/kg benötigt. Nach der Abscheidung, folgt der Transport und die sehr aufwendige Verpressung in den Untergrund. Eingedenk der Vielzahl und Komplexität dieser Entsorgungsmaßnahmen kann Z durchaus Werte bis zu 2 kWh/kg erreichen. Da aber 10 Kg CO2 vorliegen ahnt der versierte Leser bereits schlimmes.
E ist der verbliebene Rest an Wasserstoff Energie. Man würde von 33,3 kWh – 2 x 10 kWh verlieren und behielte E = 13,3 kWh als kläglichen Rest zurück. Der eigentliche Schrecken tritt aber dann ein, wenn man sich bewusst wird, dass am Beginn dieser Kaskade der Verschwendung 3,63 kg Erdgas = 50,8 kWh standen. Man hätte von 50,8 kWh nur 13,3 kWh zurückbehalten, ¾ der Energie wäre für die diversen Manipulationen wie das Reforming, Separation des CO2, Aufbereitung, Transport, Injektion in den Untergrund usw. verbraucht worden. Diese Energie Entnahmen wirken sich auf die Gesamtbilanz sehr negativ aus.
Um das verbliebene Viertel noch verfügbare Energie wieder auf 4/4 anzuheben, müsste die eingesetzte Menge Erdgas vervierfacht werden. Im Deutschland des Jahres 2025 eine nicht besonders sinnvolle Idee, deren Verfolgung sich erübrigt.
Ist diese Erkenntnis schon demoralisierend, so enthält sie noch einen Denkfehler. Nach dessen Korrektur wird jedes weitere Nachdenken überflüssig. Bei den erwähnten 33,3 kWh, Energieinhalt des einen kg Wasserstoffs, handelt es sich um die chemische Energie des Wasserstoffs, die durch Verbrennung freigesetzt werden kann. Für die Aufbereitung des Kohlendioxids und seinen Abtransport, werden aber erhebliche Mengen elektrische Energie benötigt um die Pumpen und Kompressoren zu betreiben. Folglich müsste der erzeugte Wasserstoff in Elekrizität umgewandelt werden. Beim bekannten Wirkungsgrad eines Kraftwerks von 0,5 blieben von 33,3 kWh noch 17 kWh elektr. übrig und die 10 kg CO2 wären immer noch da. Wenn es gelänge, diese besagten 10 kg Kohlendioxid aus der Welt zu schaffen, was fraglich erscheint, hätte man mit viel Mühe die 50,8 kWh Energieinhalt des als Rohstoff eingesetzten Methans in ein Nichts verwandelt. Eine aufwendige Aktion ohne Nutzen.
Nicht nur der Blaue Wasserstoff, auch sein Bruder, der Türkise Wasserstoff sind nichts als Heißluftballons für Wahlkampf Veranstaltungen. Für die praktische Verwendung sind sie unbrauchbar.
Herr Dr. Bernhard Weßling hat das Problem in diversen Aufsätzen theoretisch aufgearbeitet. Ich sehe alle meine Aussagen bestätigt. Der Begriff der Entropie meint eine Energie, die im Zuge ihrer Anwendung unwiederbringlich verschwindet. Das ist die Energie die zum Verklappen des Kohlendioxids verschwendet wird. Es ist auch der Energieüberschuss den E-Fuel zu seiner Herstellung benötigt, und von dem bei der Nutzung nur 1/3 übrig bleibt. Der Rest aber ist nutzlos und bleibt verschwunden. Literatur und Informationen von und über Dr.Weßling finden Sie hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Bernhard_Weßling
Frau Zahn hat das Thema umweltfreundlicher blauer Wasserstoff sehr gekonnt in zwei heiteren Bildern dargestellt. Ihre Kunst überzeugt den Betrachter ohne Physik und Chemie vom Aberwitz dieser Sache.
(Bilder oben und unten)
