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Das „Grünbuch ZMS 4.0“
Von Sigrid Petersen
Anders als man mit dem ersten Gedanken erwarten würde, hat das Grünbuch ZMS 4.0 rein gar nichts mit ökologischen oder Energiewende-Themen zu tun.
Das Grünbuch ZMS 4.0 ist das Ergebnis einer „Arbeitsgemeinschaft“ aus Vertretern der Bundeswehr, Bundestagsabgeordneten, Verfassungsschutz, des BMI und weiteren Bundes- und Landesministerin, einer deutschen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (PricewaterhouseCoopers GmbH – PwC) und dem Malteser Hilfsdienst e.V. und anderen unter Leitung des Kernteams des ZOES e.V. .
ZOES e.V., eine Denkfabrik, nennt sich Zukunftsforum Öffentliche Sicherheit, ein Verein, der sich den Bevölkerungsschutz und Katastrophenschutz zur Aufgabe gemacht hat.
Wie das ZOES es selbst formuliert, ging die Initiative zur Gründung des Vereins von Bundestagsabgeordneten des Innenausschusses aus und wurde im Februar 2022 gegründet.
Herausgeber des „Grünbuch ZMS 4.0“ sind MdB´s aus allen Bundestagsparteien des alten Bundestags außer der AfD.
Wie stößt man nun auf ein „Grünbuch“ oder besser „Grünbuch ZMS 4.0“?
In einem seiner Artikel erwähnt Norbert Häring diese Schrift im Zusammenhang mit der Forderung Roderich Kiesewetters nach Ausrufung des Spannungsfalls. Nicht nur Kiesewetter - er ist nur immer die Spitze oder wie Norbert Häring es ausdrückt „er macht den Eisbrecher“, indem er den Spannungsfall fordert – ist aktiv dabei in der Aufwärtsspirale zur Verschärfung nicht nur der sprachlichen, sondern auch der politischen Stellung der deutschen Bevölkerung und Politik gegen Russland.
„Kognitive Kriegsführung“
„Kognitive Kriegsführung“ -- breiter definiert lt. „Wirtschaftspsychologische Gesellschaft“ bedeutet nicht nur Maßnahmen von außen „sondern auch Maßnahmen, welche die eigene Kriegspartei psychologisch auf einen Krieg vorbereiten, resilient machen und stärken“ soll -- genau dieses Unterfangen wird mit dem Grünbuch u.a. angegangen, auch wenn es nicht direkt für die Bevölkerung geschrieben ist, aber deren Vertreter in Politik sowie diverse zivile Einrichtungen anspricht, die die Bevölkerung in diesem Sinne „sensibilisieren“ sollen. Aussagen wie die von R. Kiesewetter, von Außenminister Wadephul „Russland wird immer unser Feind sein“ und auch der von Kanzler Merz kürzlich geäußerte Satz „Wir sind nicht im Krieg, aber wir sind auch nicht mehr im Frieden“ sind dieser Kategorie zuzuordnen. Erwähnenswert ist vielleicht auch der Umstand, dass schon im Grünbuch im Kapitel 2 „Situationsbeschreibung“ geschrieben stand. „Wir befinden uns zwar noch nicht im Krieg, aber wir befinden uns auch schon lange nicht mehr im Frieden.“ Er wird ihn dort evtl. gelesen haben.
ZMS bedeutet übrigens Zivile-Militärische-Zusammenarbeit
Und hier setzt das ZOES mit dem Grünbuch ZMS 4.0 an.
Es ist ja durchaus nicht verwerflich, sich nicht nur Gedanken zu machen, sondern auch in Planung zu gehen, wie sich ein Land im Verteidigungsfall am besten für den Zivilschutz aufstellt, zu planen, wie im Bereich ziviler Einrichtungen Landesverteidigung durchgeführt werden sollte. Die Schweiz kann da für alle Länder vielleicht als Vorbild dienen. „Wir wissen, wir haben keine Chance, aber wir machen es jedem Angreifer so teuer es geht“. Deutschland meint allerdings wohl, im Verbund mit der NATO nicht nur nicht schlagbar zu sein, sondern auch Gegenangriff bzw. Angriff durchführen zu können, auch wenn Deutschland in seiner zentralen Lage in einem solchen Fall immer weitgehend vernichtet wird.
In dem (kurz) Grünbuch wird, wie sollte es anders sein, natürlich der „Angriffskrieg Russlands“ auf die Ukraine und selbstredend die vorausgesetzte(!) Motivation Russlands bei der Ukraine nicht aufhören zu wollen als Ausgangspunkt der Planungen herangezogen. An dieser Stelle möchte ich auf den kürzlich erschienen Artikel auf anderweltonline.com von Herrn Haisenko verweisen „Weil sie Trump und Putin nicht zuhören...“ vom 29.9.2025: Zitat: „Die meisten Menschen glauben, dass die anderen ähnlich handeln oder denken, wie sie selbst es tun.“
Denn, jeder vernünftig und nicht voreingenommene Mensch würde sich doch erst einmal die Frage stellen, warum Russland die Intention haben sollte, die baltischen Staaten, Polen, Deutschland und damit die NATO (z.Z. voraussichtlich ohne USA) angreifen zu wollen. Die besagte Schrift ist im März dieses Jahres herausgekommen. Man muss vermuten, wenn noch die Demokraten den Präsidenten in den USA gestellt hätten, dann wäre die im Grünbuch beschriebene „Ausgangssituation“ für einen möglichen Verteidigungsfall gegen Russland anders beschrieben worden. Dann wären Russland vermutlich imperiale Erweiterungsfantasien und Weltmachtstreben unterstellt worden. So hat man sich dann auf Formulierungen wie, dass Russland wohl davon ausgehe, dass ihm die ganze Ukraine zustehe und dass Russland „An der historischen Mission der Heimholung aller Russen in ein historisch legitimiertes russisches Großreich“ festhalte. Lebensraumerweiterung oder Ressourcenvereinnahmung würde als unterstelltes Motiv niemand abnehmen.
Wie kommt man auf so etwas?
Was ist in diesen Köpfen passiert? Man möchte doch einmal Belege für dieser Art Interessen seitens Russland bringen. Wenn ich als Laie mir die Kriegssituation in der Ukraine anschaue, dann ist es doch mehr als verwunderlich, dass Kiew noch steht, dass der Westen der Ukraine abgesehen von militärisch nutzbarer Infrastruktur so gut wie keine Schäden zu verzeichnen hat. (Die USA/NATO macht da erfahrungsgemäß ganz schnell Tabula rasa) Und als Argument hier vorzubringen, dass Russland nicht die Mittel hätte, ist lächerlich. Da muss man sich nur Militäranalysten, z.B. amerikanische, anhören, die die Lage in der Ukraine und russische Fähigkeiten beurteilen. Nein, Russland hat kein Interesse, die Ukraine in „seine Hände“ zu bekommen. Dieses hat Putin auch mehr als einmal geäußert. Dafür ließen sich Belege erbringen.
1991 sind die besagten Länder, die Russland angeblich „Heim ins Reich“ holen möchte, unter Anerkennung der Sowjetunion, unabhängig und souverän geworden. Wo sind Belege für Äußerungen von Putin, die diese Loslösung bedauern würde? Oder auch anderer einflussreicher russischer politischer Führungskräfte oder Bewegungen? Dass es einzelne „Verrückte“ gibt, soll nicht bezweifelt werden. Die gibt es überall.
Aber zurück zum Grünbuch ZMS 4.0 (hier)
Und jetzt muss ich natürlich eingestehen, ich bin da ganz klar russischer Desinformation erlegen. Denn so etwas kann nur behaupten, wer sich von dieser Desinformation hat manipulieren lassen.
Das BMI (Bundesministerium des Inneren) sagt mir doch ganz eindringlich: (hier)
„Gegen gezielte Falschinformationen können alle etwas tun:
-
Leiten Sie Inhalte nicht ungeprüft weiter.
-
Informieren Sie sich aus zuverlässigen Quellen und gleichen Sie diese mit weiteren Quellen ab.
-
Lassen Sie sich nicht von anderen manipulieren!“
Auch das Grünbuch widmet sich dem Thema der Desinformation ausgiebig, denn Desinformation gehört zur hybriden Kriegsführung, der wir seitens Russlands seit vielen Jahren ausgesetzt seien. Wobei … „Lassen Sie sich nicht von anderen manipulieren!“ könnte implizit bedeuten: Lassen Sie sich nur von uns manipulieren. Oder? Siehe Kognitive Kriegsführung.
Dass wir hin und wieder auf tatsächliche Desinformationen („von außen“) hereinfallen können, lässt sich wohl nicht ganz vermeiden, weil sie teils wirklich sehr gut verpackt ist. Wichtig hierbei ist nur, dass man in einer Desinformation nicht stecken bleibt und bereit ist, Informationen immer wieder zu prüfen und sich rückzuversichern, indem man z.B. weitere Quellen sucht, die unabhängig voneinander Gleiches berichten und vor allem Quellen benennen. Dass gerade die Sozialen Medien selbstregulierend agieren (aufmerksam machen auf evtl. Fakes) entzieht sich der Kommunikation in den oberen Reihen, denn auch hier gilt „Was wir selbst nicht tun, tut auch kein anderer“. Dummschwätzer gibt es in allen Blasen, diese zu benennen und zu widerlegen hat sich leider in „unsere Demokratie“ nicht in die DNA gebrannt.
Und wir haben in den letzten Jahren die Erfahrung machen müssen, dass Desinformation hauptsächlich „von innen“ gekommen ist und dass selbst nach Offenlegung sämtlicher Beweise an den gemachten Desinformationen festgehalten wird.
Also, was kann man anderes erwarten, als dass in dem Grünbuch wiederholt, zusammengefasst und zur weiteren Verteilung vorbereitet wird, was unreflektiert über die Medien in unsere Köpfe getragen wird und über diverse Maßnahmen tiefer und fester in den Köpfen verankert werden soll.
Schlussbetrachtung im Grünbuch
„Die Zivil-Militärische Zusammenarbeit (ZMZ) bedarf einer schnellen Anpassung an die veränderte Bedrohungslage.
Die dauerhafte Hybride Bedrohung Deutschlands durch Cyberangriffe, Desinformationskampagnen, wirtschaftliche Erpressung, Sabotage, Spionage und andere nichtmilitärische Mittel erfordert eine umfassende und nachhaltige Reaktion. Erforderlich sind bereits im Vorfeld einer militärischen Krise zentrale Konsequenzen, die daraus gezogen werden sollten:“ so lautet der Untertext der Überschrift.
Wirtschaftliche Erpressung? Durch Russland? Sabotage? Durch Russland?
Wie klingt der „Deal“, den U.v.d. Leyen kürzlich mit den USA abgeschlossen hat? Wer soll Nordstream gesprengt haben? USA oder Ukraine, jeweils mit Unterstützung durch Norwegen? Alles „Freunde“ von Deutschland. Da kann man nur sagen, „wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde“.
Spionage durch Russland? Wie war das noch mit den NSA-Abhöraktionen (selbst Merkels Telefon)? Und wer glaubt, ohne dass jedweder Beweis erbracht wird, dass Russland mit Drohnen Störaktionen durchführt oder Anlagen ausspioniert, wo Russland über ausreichend Satellitentechnologie verfügt?
Wenn die im Grünbuch in der Schlussbetrachtung aufgeführten zu ergreifenden Maßnahmen wie „Sensibilisierung der Bevölkerung für Desinformation und Cyberrisiken, Ausbau der Cybersicherheit bis hin zu Sanktionen und rechtliche Maßnahmen gegen Staaten oder Akteure, die hybride Angriffe fördern oder durchführen“ sich auch auf die inneren Beziehungen („Freunde“) und (politischen + medialen) Akteure der „unsere Demokratie“ richten würden, hätte sich der Punkt „• Demokratieförderung: Stärkung ... des Vertrauens in den Staat, um die Gesellschaft widerstandsfähiger gegen Manipulationen zu machen.“ bereits erledigt.
Anhang: (und nur ein sehr frisches Beispiel)
Ein weiterer Artikel Norbert Härings, erschienen am 8.10. (hier) klärt über einen Faktencheck bei dpa auf:
Die sogenannten Faktenchecker der führenden deutschen Nachrichtenagentur behaupten;
„Die Feststellung, ob der Spannungsfall eingetreten ist, trifft der Bundestag. Das Grundgesetz schreibt dafür eine Zwei-Drittel-Mehrheit vor – zurzeit müsste die schwarz-rote Koalition dafür also auch in anderen Fraktionen um Zustimmung werben. Einen Antrag zur Abstimmung könnte entweder die Bundesregierung einbringen oder eine Fraktion des Bundestags oder fünf Prozent seiner Abgeordneten gemeinsam.“
Die Behauptung im ersten Satz ist – wie in meinem vorangegangenen Blogbeitrag zum Thema bereits dargelegt – in ihrer Absolutheit durch Auslassung falsch. Denn laut dem ignorierten Absatz 3 von Artikel 80a Grundgesetz kann auch die NATO durch Beschluss mit Zustimmung der Bundesregierung alle Spannungsfall-Gesetze auslösen, die sich auf Absatz 1 von Artikel 80a beziehen.
Dass dpa so desinformiert, ist besonders wichtig, weil die allermeisten Zeitungen und Online-Nachrichtenseiten ihre Nachrichten von dpa beziehen
Nur um nochmals zu unterstreichen, woher Desinformation kommt. Zu diesem Thema auch nicht uninteressant zu lesen: von Thomas Röper (in seiner Eigenschaft als Desinformationsagent der Russen) “Gesteuerte Wahrheit“. Ein Buch, in dem man über Vernetzung und Finanzierung „UnsererMedien“ Aufklärung findet.