------------------------------------

---------------------------------------

-------------------------------------

-------------------------------------

Türkei bombardiert Kurden: Ist das gut so?

Von Peter Haisenko 

Am Ostermontag hat die Türkei eine neue Offensive gegen die kurdische PKK im Irak gestartet. Das gesamte Spektrum der Luftwaffe ist beteiligt. Dieser Angriff auf den Nachbarstaat Irak wird mit dem Recht auf Selbstverteidigung legitimiert. Der Westen sieht keinen Grund, das zu kritisieren.

Die PKK verfügt über keine Luftwaffe, keine Panzer und auch schwere Waffen finden sich kaum in ihrem Arsenal. Seit Jahrzehnten wird im Westen der wahre Name der PKK verschleiert mit dem Begriff „kurdische Arbeiterpartei“. Tatsache ist aber, dass eines der „K´s“ für kommunistisch steht. Tatsache ist auch, dass in vielen Ländern die PKK auf Drängen Ankaras als verbotene Terrororganisation eingestuft wurde.

Im Syrienkrieg hingegen war sie willkommen als Verbündeter gegen Assad, vor allem bei den USA. Dann wurde sie hofiert, weil sie gegen den IS kämpfte. Das hinderte die USA aber nicht daran, die Hauptstadt Mossul im irakischen Kurdengebiet dem Erdboden gleich zu machen. Die Stadt existiert nicht mehr. All das lief über lange Jahre und war kein Anlass, irgendwelche Proteste zu formulieren oder gar Sanktionen gegen wen auch immer zu verhängen. Die menschenverachtenden Sanktionen gegen Syrien sind unverändert in Kraft.

Türkei reklamiert Recht auf Selbstverteidigung, obwohl es keine Bedrohung gibt

Seit einigen Jahren hält die Türkei nach einem militärischen Überfall Gebiete im Norden Syriens besetzt. Ankara lässt keine Absicht erkennen, diesen völkerrechtswidrigen Akt zu beenden. Der Westen schweigt dazu. Es geht ja auch gegen Assad, den gewählten Präsident Syriens. In Syrien selbst ist Frieden und Normalität eingekehrt, abgesehen von der Terroristenhochburg Idlib im Norden. Das Land leidet aber unter den Sanktionen, die den Wiederaufbau massiv behindern. Das Ziel, die Regierung Assad zu stürzen, ist nach mehr als zehn Jahren immer noch nicht aufgegeben worden. Es ist wie mit Putin. Der Westen wird erst Ruhe geben, wenn der Umsturz gelungen ist und beide Länder unter seiner Kontrolle sind.

Jetzt reklamiert die Türkei also für ihren Angriff auf Kurden im Irak das Recht auf Selbstverteidigung. Der Westen nickt das schweigend ab. Allerdings fällt es mir schwer, bei diesem Akt Selbstverteidigung zu erkennen. Besteht denn die Gefahr, dass Kurden aus dem Irak einen Angriff starten werden, der den Bestand der Türkei gefährden könnte? Gar ihre territoriale Integrität? So ganz ohne Luftwaffe oder ernstzunehmende Raketen? Das türkische Militär hat bereits mehrmals Einsätze gegen die PKK im Irak und gegen die Kurdenmiliz YPG in Syrien geführt. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hatte in der Vergangenheit bei ähnlichen Einsätzen bezweifelt, dass diese mit dem Völkerrecht vereinbar sind. Gab es angesichts dieser Expertise eine angemessene Reaktion Deutschlands oder gar Europas? Nicht einmal Androhungen von Sanktionen hat es gegeben.

Die „friedliebenden“ USA haben den Irak kaputt gemacht

Analysieren wir den Vorgang politisch korrekt. Die Türkei ist Mitglied im Friedensbündnis NATO. Seit gut 30 Jahren hat die Führungsmacht dieses Friedensbündnisses, die friedliebenden USA, den Irak zu einem kaputten, wehrlosen Staat gemacht. So kann der NATO-Staat Türkei friedlich und gefahrlos im Staatsgebiet seines südlichen Nachbarn wüten, wann immer ihm der Sinn danach steht. Dieser Nachbar kann nichts dagegen tun, denn sein Militär kann nichts gegen ein friedliebendes NATO-Land unternehmen. Es ist selbstverständlich, dass ein friedliebendes NATO-Land seinen Nachbar nur zur Selbstverteidigung angreift. Und natürlich stehen die Truppen eines friedliebenden NATO-Lands nur zur Selbstverteidigung im Territorium seines anderen Nachbarn im Süden, in Syrien. Auch die Truppen der friedliebenden Führungsmacht der NATO, die immer noch auf syrischem Boden stehen, dienen ebenfalls der Selbstverteidigung zum Schutz gegen Angriffe aus Syrien auf sein Mutterland jenseits des Atlantik. Wie kann man da dem Westen vorwerfen, dass er da nicht mit Sanktionen oder Embargos eingreift?

Gar nicht politisch korrekt ist hingegen diese Betrachtung als Kontrast. Vor einem Jahr hat die friedliebende Ukraine ein Gesetz erlassen, das als Staatsziel einen Angriff auf seine Ostprovinzen vorschreibt. Auf die Provinzen, in denen schon 14.000 Menschen während der letzten acht Jahre ermordet worden sind. Ebenso sieht dieses Gesetz vor, auch Russland anzugreifen. Nämlich die Krim, die sich nach erfolgreichen Referenden in die russische Föderation eingegliedert hat. Die friedliebende Ukraine ist ein bis an die Zähne bewaffnetes Land, das sogar wieder Atomwaffen haben will. Wie kann da irgendjemand auf die Idee kommen, dass sich in Moskau jemand bedroht fühlen könnte? Wie kann da Moskau behaupten, seine Operation in der Ukraine wäre ein Präventivschlag zur Selbstverteidigung, der vom Völkerrecht gedeckt ist? Ein solches Recht steht einem aggressiven Staat wie Russland niemals zu. Das muss sanktioniert werden, bis auch dieser aggressive Staat und seine Wirtschaft zerstört sind.

Nach welchen Maßstäben definiert die Türkei „Terroristen“?

Die Meldungen über die Angriffe der Türkei im Irak sind spärlich und lassen jegliche Kritik vermissen. Im Gegenteil wird darauf hingewiesen, dass die PKK eine verbotene Organisation ist und so insinuiert, dass die Aktion der Türkei zulässig sein kann. Aber die PKK stellt nicht die Regierung im Irak und nicht einmal in den kurdischen Nordprovinzen. Geradezu lobend wird der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar zitiert: "Eine große Zahl an Terroristen" sei "neutralisiert" worden. Welcher Art Terroristen sind diese neutralisierten aber? Sie befinden sich nicht in der Türkei. Was geht es die Türkei an, was Menschen im und nur innerhalb des Irak treiben? Wer und nach welchen Maßstäben wird von Ankara als Terrorist eingeordnet? Kann das türkische Militär garantieren, dass sie nur diese treffen? Ach ja, wenn ein NATO-Land irgendwo angreift, natürlich mit Präzisionswaffen, die keine Kollateralschäden verursachen, dann kann das nur der Selbstverteidigung dienen oder dem Ziel, Menschen mit Demokratie zu beglücken.

So kann ich nur zu dem Schluss kommen, dass es gut und richtig sein muss, wenn NATO-Länder zur Selbstverteidigung angreifen, Länder in Schutt und Asche legen, überall Truppen stationieren, natürlich auch nur zum Selbstschutz, weltweit gefährliche Terroristen mit Drohnen abschießen und eine aggressive Atommacht rundherum einkreisen, damit diese nicht mehr ihre andauernden Angriffe auf wehrlose Staaten fortsetzen kann. Ja, so macht friedliche Politik Sinn! Ein Hoch auf die Türkei, die rechtzeitig einen Präventivkrieg führt, zur Selbstverteidigung! Oder habe ich da etwas ganz falsch verstanden?

Nach oben