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Das Regierungsprinzip unserer Tage: Willkür und Ungerechtigkeit

Von Hubert von Brunn

Zur „Abmilderung der zusätzlichen Belastung durch die Corona-Krise“ erhalten die rund 4.500 Mitarbeiter der 709 Bundestagsabgeordneten noch in diesem Monat einen steuerfreien Corona-Bonus von bis zu 600 Euro. Das hat der Ältestenrat des Bundestages beschlossen, wie die „Augsburger Allgemeine“ (AA) als erste Zeitung berichtete.

An dieser Meldung sind mehrere Aspekte höchst bemerkenswert. Erstens: Krankenschwestern und Pfleger, die tatsächliche seit Monaten hautnah mit Corona zu tun hatten und haben und physisch wie psychisch am Limit arbeiten, haben im Frühsommer lautes Händeklatschen vernommen – von den versprochenen Sonderzahlungen für ihre Leistung haben viele von ihnen jedoch bis heute noch nichts gesehen.

Zweitens: Viele derer, die von diesem vorweihnachtlichen Bonus profitieren, zeigten sich auf Nachfrage höchst erstaunt. Eher „befremdet als erfreut“, wie ein Betroffener der AA gegenüber berichtete. Es sei keineswegs so, dass die Abgeordnetenbüros in den Zeiten des eingeschränkten Parlamentsbetriebes untätig gewesen seien, doch spürbare Mehrbelastungen habe es nicht gegeben. Im Gegensatz zu den Alten- und Krankenpflegern habe er und seine Kollegen oft im Homeoffice arbeiten können. „Wir haben das nicht gefordert“, sagte er und fügt hinzu, dass die Mitarbeiter in den Büros überlegen, „das Geld für einen wohltätigen Zweck zu spenden.“

Manche werden belohnt, andere gehen leer aus – Begründung: Keine!

Was ist da los?, fragt man sich. Da schüttet der Selbstbedienungsladen Bundestag wieder einmal die Gießkanne aus und die von dem unverhofften Segen Betroffenen wollen das Geld gar nicht haben. Freimütig bekennen sie, dass sie durch Corona keine Mehrbelastungen ertragen mussten, verweisen auf jene, bei denen es tatsächlich der Fall war/ist. Oder vermuten sie womöglich, dass das so eine Art Bestechungsgeld sein soll, damit sie auch künftig Stillschweigen bewahren über ihr Insiderwissen? Denn dass in so manchem Abgeordnetenbüro so manche Schweinerei ausgekungelt wird – davon kann man ausgehen. Und wenn die Hiwis das öffentlich machen würden – so mancher MdB wäre darüber bestimmt not amused.

Gut in dieses schräge Bild passt die Meldung von der Berliner Feuerwehr. Die „Heldenprämie“ für Polizisten und Feuerwehrleute, die wegen Corona erheblichen Mehrbelastungen ausgesetzt waren, wurden ausgezahlt (500 – 1.000 Euro). Doch ausgerechnet die Mitarbeiter in der Feuerwehr-Leitstelle gehen leer aus. Warum? Mit oder ohne Corona leisten diese Beamten in einer Millionenstadt wie Berlin Schwerstarbeit. Mehr als 1.500 Einsätze werden von der Leitstelle aus täglich koordiniert. Sie beruhigen am Notfalltelefon aufgeregte Menschen, tragen lebensrettende Informationen zusammen, regeln die Zusammenarbeit mit anderen Behörden und Krankenhäusern, organisieren Verlegungstransporte… Die Aufgaben sind vielfältig und anspruchsvoll – eine Anerkennung wie die Kollegen draußen haben sie aber anscheinend nicht verdient. Die Entscheidung darüber, wer die Prämie erhält, wurde im „Ausschuss für Personalmanagement“ getroffen.

Wer für diese schäbige Regelung verantwortlich ist, ist letztlich sekundär. Was mich an der Stelle umtreibt, ist die Frage nach Gerechtigkeit… Weshalb bekommen die einen staatliche Sonderzuwendungen für Leistungen, die sie gar nicht erbracht haben, und andere, die Tag für Tag rackern und an ihre Grenzen gehen, fallen einfach hinten runter. Da kann doch irgendetwas nicht stimmen. Nüchtern von außen betrachtet, schlägt mir hier die schiere Willkür ins Gesicht, denn es gibt keinen vernünftigen Grund, die Dinge so zu handhaben, wie oben beschrieben. Willkür scheint in diesen Tagen die herausragende „Qualität“ zu sein, die politisches Handeln bestimmt.

Regeln, Verordnungen, Verbote: Mit Logik hat das nichts zu tun

Der Katalog von Regeln, Verordnungen und Verboten, der im Zusammenhang mit Corona seit Wochen und Monaten unser Leben bestimmt und noch sehr lange bestimmen wird, ist sehr lang, durch und durch undurchsichtig und von den meisten normal denkenden Menschen nicht mehr nachvollziehbar. Ein Beispiel: Friseure dürfen weiter arbeiten – gut so. Nagelstudios mussten schließen und selbst medizinisch indizierte Fußpflege darf derzeit nicht sein. Kann mir irgendjemand die Logik dieser Vorgehensweise erklären? Wohl kaum, denn es gibt keine Logik und keine Notwendigkeit – es ist reine Willkür. Oder auch das: Am Sonnabend fand die alljährlich vom Springer-Verlag initiierte Spenden-Gala „Ein Herz für Kinder“ statt. Mit Publikum – weniger zwar als sonst und mit Abstand, aber ohne Gesichtslappen. Und gesungen wurde auf der Bühne auch. Das geht, weil ein mächtiger und schwer reicher Verlag dahinter steht – da halten sich die Aerosole schon mal zurück, zumal wenn mehr als 25 Millionen Euro an Spendengeldern eingefahren werden. Das ist eine gute Sache und viele Kinder auf der Welt werden davon profitieren. Aber logisch ist das nicht.

Denn warum müssen auf der anderen Seite alle Kinos, Theater, Opern- und Konzerthäuser, Kabaretts usw. geschlossen werden? Die Zuschauer könnten mühelos in gebührendem Abstand sitzen, sind während der Veranstaltung still, sprechen und singen nicht und würden widerstandslos auch die anderen Hygieneregeln einhalten, auch nach der Veranstaltung. Die Liste ähnlicher Beispiele ließe sich endlos fortsetzen. – Nein, ich bleibe dabei: Es herrscht die reine Willkür. Die einen werden unterstützt, erhalten Sonderzuwendungen, während andere einfach hinten runterfallen. Sie haben entweder keine Lobby oder sind nicht „systemrelevant“. Und selbst wenn sie es sind, wie die Feuerwehrleute in der Leitstelle, wird mit zweierlei Maß gemessen. Mit Gerechtigkeit hat das alles nichts zu tun. Es einem jeden recht zu machen, geht nicht, das ist eine „Ding, das niemand kann“. Aber wenn den Regierenden in einer Demokratie jedes Gespür für Gerechtigkeit abhanden kommt und nur noch Willkür herrscht – dann werden allmählich auch die gutwilligsten Untertanen aufmüpfig und schalten auf stur. Und wenn eines Tages die Mehrheit nicht mehr mitmacht, dann hat sich die Demokratie dank der Unfähigkeit ihrer Repräsentanten endgültig selbst erledigt.

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