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Mit dem Brexit muss auch die englische Sprache die EU-Institutionen verlassen

Von Peter Haisenko 

Mit bislang 28 Mitgliedsländern gibt es naturgemäß innerhalb der EU Sprachprobleme. Folglich gibt es viele im EU-Apparat, die sogar im Europaparlament nicht ihre Muttersprache benutzen, sondern sich des Englischen bedienen. Das ist verständlich, weil Englisch eine sehr einfache, leicht zu erlernende Sprache ist. Nachdem aber jetzt England die EU verlässt, muss auch seine Sprache die EU verlassen.

Mit dem 1. Februar 2020, spätestens dem 1. Januar 2021, also nachdem England ausgeschieden ist, gibt es kein EU-Land mehr, dass die englische Sprache als Hauptsprache, als Muttersprache hat. Selbst in Irland ist Englisch nur Zweitsprache. Auch dort ist sie die Sprache der Eroberer und Besatzer. Es wäre einmalig in der Geschichte, wenn ein ganzer Kontinent, die EU, eine Sprache als anerkannte Amtssprache führte, die in keinem Land der Gemeinschaft Muttersprache ist. Sämtliche Texte in dieser fremden Sprache würden der Interpretationshoheit des Landes unterliegen, das als Ursprungsland der Sprache natürlicherweise über deren Gebrauch und interpretatorische Feinheiten bestimmt.

Sprache als solche bestimmt unser Sein. Es ist elementar, in welcher Sprache man denkt. In jeder Sprache gibt es Wendungen und Begriffe, die nicht in andere übersetzt werden können, ohne den speziellen Sinn zu verfälschen. Für manche gibt es in anderen Sprachen kein Äquivalent. Ich erinnere hierzu nur daran, dass es im Englischen kein Wort für das deutsche "satt" oder "zufrieden" gibt. So, wie es im Deutschen kein Wort für "nicht durstig" gibt. Dazu merke ich an, dass es folglich nicht verwundern kann, dass ein Wirtschafts- und Finanzsystem von ewiger Gier und Wachstum getrieben ist, das von Menschen erschaffen worden ist, die in ihrer Sprache die Zustände von "satt und zufrieden" gar nicht kennen. Und nein, "satisfied" ist eben kein Äquivalent für "zufrieden".

Muttersprachliche Anglophone praktizierten weltweit Sprachimperialismus

Insbesondere durch das Internet hat die englische Sprache weltweite Dominanz erreicht. Allerdings leidet die Sprache selbst durch den zu oft unqualifizierten Gebrauch, den vereinfachten und an andere Sprachen angepassten Gebrauch (siehe "Denglisch"), unter einer Erosion der sowieso schon mangelhaften Präzision. Gerade deswegen ist es erforderlich, dass in juristischen Texten, die in Englisch verfasst sind, die letzte Interpretationshoheit bei den qualifizierten Muttersprachlern liegt. Werden also in Zukunft EU-Dokumente in englischer Sprache abgefasst, liegt die endgültige Interpretationshoheit in einem Land, das nicht Mitglied dieses Staatenverbunds ist. Muss man heute bereits feststellen, wie wenig echte Autorität und politische Handlungsfähigkeit die EU wirklich hat, darf dieser Zustand nicht dadurch verschärft werden, indem in Streitfällen ein Land außerhalb der EU das letzte Wort über interpretatorische Feinheiten sprechen kann.

Muttersprachlich Anglophone zeichnen sich zumeist aus durch einen weltweit praktizierten Sprachimperialismus. Sie erwarten mit gedankenloser Selbstverständlichkeit – oder vielleicht sogar Arroganz –, dass jeder ihre Sprache spricht, ganz gleich, welches Land sie bereisen. Dazu gibt es einen alten englischen Witz: Ein englischer Lord macht eine zweimonatige Reise durch Spanien. Nach seiner Rückkehr wird er gefragt, ob er denn keine Probleme mit der Sprache gehabt hätte. Ich nicht, nur die Spanier, war seine Antwort. Obwohl das nur ein Witz ist, zeigt er auf, in welcher Geisteshaltung die meisten Anglophonen leben. Fremdsprachen erlernen? Damit anderen Ländern und Kulturen wenigstens ein Minimum an Respekt zeigen? Das haben wir nicht nötig.

Churchill wollte ein vereinigtes Europa Anfang der 1950-er Jahre. Es wäre nicht Churchill gewesen, wenn er dieses Europa nicht selbstverständlich unter britischer Führung geplant hätte. Da haben die Franzosen aber schnell ein Veto eingelegt und so hat Churchill seinen EU-Plan ganz schnell wieder vergessen. Aber selbst als die Briten dann doch noch EU-Mitglied geworden sind, zeichneten sie sich stets durch Sonderwünsche aus, auf denen sie diktatorisch beharrten. Und natürlich musste Englisch dann auch die Hauptsprache für die EU sein, obwohl englische Muttersprachler dort nur eine kleine Minderheit sind. So dominiert die englische Sprache die EU-Institutionen und gerade deutsche Parlamentarier überschlagen sich mit Reden, die sie zu oft mehr schlecht als recht in englischer Sprache vortragen.

Die EU muss sich von der angelsächsischen Bevormundung emanzipieren

Grundsätzlich gilt, dass man sich immer im Nachteil befindet, wenn man mit einem Muttersprachler in dessen Sprache diskutiert, die für einen selbst eine Fremdsprache ist. Das gilt nicht, wenn man mit jemandem in einer Sprache kommuniziert, die für beide Seiten eine Fremdsprache ist. Allerdings ist bei einer derartigen Kommunikation Tür und Tor geöffnet für Missverständnisse. Es gilt nämlich auch dann, dass es unterschiedliche Interpretationen im Gebrauch der fremden Sprache gibt, je nachdem, was die eigene Muttersprache ist. So genießen Anglophone grundsätzlich einen "Heimvorteil", wenn sie mit Fremden Englisch reden. Andererseits ist die englische Sprache so einfach strukturiert, dass es leicht fällt, ein gewisses Kommunikationsniveau zu erreichen. Für die Anglophonen selbst ist es aber sehr schwer, andere komplexere Sprachen zu erlernen. Ein einfaches Kommunikationsniveau reicht aber nicht aus, wenn es um ernsthafte, komplizierte und erst recht um juristische Themenkomplexe geht.

Die deutsche Sprache als solche verdient auch noch eine kurze Betrachtung. Immerhin ist sie es, die ich als Grundlage der Leistungen sehe, die den deutschsprachigen Raum so von anderen abheben. Das wissen auch die Angelsachsen und wohl deswegen wird seit Jahrzehnten eine Marginalisierung der deutschen Sprache betrieben. Allenthalben werden Anglizismen in den Sprachgebrauch gedrückt und gute deutsche Sprache wird selbst in den Medien nicht mehr eingefordert. Alles Neue wird mit englischen Namen belegt, selbst wenn es sich im Gesetzes- und Regierungsbereich bewegt. Da muss es dann nicht verwundern, wenn sich Deutsche im Europaparlament gleich auf Englisch versuchen.

Will sich die EU also emanzipieren von angelsächsischer Bevormundung oder gar von Kriegen, in die sie von der NATO gezogen wird, so ist der erste Schritt dahin nach dem Austritt Englands die Verbannung der englischen Sprache aus dem institutionellen Gebrauch der EU. Obwohl die bei weitem größte Gruppe in Europa Deutsch als Muttersprache hat, will ich keineswegs fordern, Deutsch als dominante Sprache im EU-Gebrauch zu installieren. Mit dem Ausscheiden der englischen Sprache besteht aber jetzt die Chance, ein faires Miteinander der Hauptsprachen der EU zu installieren. In einer EU, die gleichberechtigte Staaten als Prinzip hat, sollte es keine einseitige Sprachdominanz geben, die bislang das Englische innehatte. Die Dokumente müssen sowieso in alle möglichen Sprachen übersetzt werden, ebenso wie es passende Simultandolmetscher geben muss. Entfällt jetzt die englische Sprache, können immerhin die Kosten für die Übersetzungen in diese nunmehr obsolete Sprache eingespart werden. Englisch hat nach dem Brexit im EU-Gebrauch nichts mehr verloren, zumindest auf institutioneller Ebene. Alles andere wäre eine freiwillige Unterwerfung unter die weltweit betriebene Dominanz der Angelsachsen.

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