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US-Sanktionen wegen Nord Stream 2: Was erlauben Amis?

Von Hubert von Brunn

Dass die Energieversorgung Europas und speziell Deutschlands ein relevanter Faktor für die Verteidigungspolitik der USA sein sollte, konnte ich mir bislang nicht vorstellen. Doch jetzt hat Präsident Trump den „National Defence Authorization Act“ (NDAA) unterzeichnet und damit auch die dort formulierten Sanktionen gegen die an der Realisierung der deutsch-russischen Gaspipeline Nord Stream 2 beteiligten Firmen. – Wer solche „Freunde“ hat, braucht keine Feinde mehr!

Für die Wärme-Versorgung (Heizung/Wasser) in unserer Wohnung sorgt eine Gastherme. Wenn ich nun also die Heizung aufdrehe oder unter die Dusche gehe, muss ich mir Sorgen manchen, dass ich – im Falle das von mir verbrauchte Gas kommt aus Russland – die Sicherheit der Vereinigten Staaten von Amerika gefährde. Aus kontinentaleuropäischer Sicht (die Briten lassen wir an der Stelle bewusst außen vor) betrachtet, wäre es nicht das erste Mal, dass man kopfschüttelnd feststellen muss: „Die Amis ticken nicht ganz richtig.“ In diesem Falle kommt aber noch erschwerend hinzu, dass es sich um eine unzulässige, ja unverschämte Einmischung in die inneren Angelegenheiten Deutschlands und Europas handelt. Woher wir unser Gas und unser Öl beziehen, geht die selbst ernannten „Weltpolizisten“ jenseits des Atlantiks einen feuchten Kehricht an.

Mit drei Lügen wollen die Amerikaner ihre Sanktionen rechtfertigen

Vorgeschobenes Argument der Pharisäer in Washington ist die Furcht, die Europäer und vorneweg die Deutschen könnten sich abhängig machen von russischen Lieferungen. Vor so viel Fürsorge könnten einem ja glatt die Tränen der Rührung in die Augen steigen. Ehe wir die Taschentücher zücken, wenden wir uns aber doch lieber den harten Fakten zu: 1. Selbst in Zeiten des tiefsten Kalten Krieges war die UdSSR stets ein zuverlässiger Rohstoff-Lieferant. Ganz einfach, weil dieser Sektor die ergiebigste Einkommensquelle war. Daran hat sich auch für Putins Russland nichts geändert. Weshalb um alles in der Welt sollten sich die Russen sprudelnde Geldhähne abdrehen? 2. Die Amis wissen nicht, wohin mit ihrem Fracking-Gas. Deshalb, und nur deshalb wollen sie, dass wir auf das preisgünstige Gas aus Russland verzichten und stattdessen ihr teures Zeug kaufen. Von den USA abhängig zu sein, war ja schon immer eine gute Sache, wie wir wissen.

3. Ein weiteres vorgeschobenes Argument war, die USA würden, indem sie den Bau der Nord-Stream-2-Pipeline verhindern, dafür sorgen, dass die Ukraine ihre Einnahmen durch den Transit von Russen-Gas nach Europa nicht verliert. Die nächste Lüge, denn gerade haben sich nach intensiven Verhandlungen in Berlin Russland und die Ukraine auf eine Grundsatzeinigung bezüglich eines Gastransit-Vertrags verständigt. Details werden noch verhandelt, aber so viel steht jetzt schon fest: Der Vertrag gilt vorerst für fünf Jahre und die Ukraine wird weiterhin von den Gas-Transit-Gebühren profitieren. – Hier erkennt man überdeutlich, was eine vernunftbegabte Politik bewirken kann, selbst zwischen Partnern, deren Verhältnis derzeit alles andere als freundschaftlich zu nennen ist. Sich an einen Tisch zu setzen und miteinander zu reden ist tausend Mal besser, als ständig nur Sanktionen zu verkünden, egal gegen wen und warum. Der „amerikanische Sanktionismus“ (ein -ismus mehr, den die Welt nicht braucht), wird gewiss in die Geschichtsbücher eingehen.

Wieder einmal haben die Amis Putin unterschätzt

Man ist geneigt, die Nord-Stream-2-Blockade auch dem amtierenden Präsidenten Trump ans Revers zu heften, doch an der Stelle muss ich ihn in Schutz nehmen. Zum einen hat sich bereits sein Vorgänger Barack Obama, der große “Freund“ Deutschlands, vehement gegen diese Pipeline ausgesprochen (Gründe siehe oben). Zum anderen waren sich in dieser Frage die beiden Kammern des Kongresses ausnahmsweise einmal einig. Eingebracht wurde die Gesetzesvorlage übrigens von den Demokraten im Repräsentantenhaus, später bestätigt von der republikanischen Mehrheit im Senat. An der Stelle konnte Trump gar nicht anders, als den NDAA mit seiner schwungvollen Signatur in Gang zu setzen. – Sei’s drum, die Nummer wird ein Schuss in den Ofen für die Amerikaner. Wenn die ernsthaft glauben, sie könnten das Zehn-Milliarden-Projekt 300 Kilometer vor der Ziellinie stoppen, dann ist ihnen entgangen, dass sie es nicht nur mit wankelmütigen Europäern und einer schwachbrüstigen Merkel-Regierung zutun haben, sondern mit einem starken Mann in Moskau.

Nord Stream 2 ist eines von Putins Prestige-Projekten, nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht. Dass das schweizerich-niederländische Unternehmen „Allseas“, das bisher für die Verlegung der Pipeline-Rohre im Meer zuständig war, vor den angedrohten Sanktionen eingeknickt ist und seine Arbeit vorerst eingestellt hat, beeindruckt den Kreml-Chef überhaupt nicht. Vielmehr hat er bereits angekündigt, dass Russland über die notwendige Technologie verfügt, um Nord Stream 2 erfolgreich zu Ende zu bringen – selbst wenn es am Ende noch teurer wird und vielleicht noch etwas länger dauert. Keine der bisher von den USA und Europa gegen Russland verhängten Sanktionen haben Putin daran gehindert, seine wirtschaftlichen Vorhaben zu realisieren. Und das wird auch hier so sein. Da müssten die Amerikaner dann schon mit einem Flugzeugträger vorfahren, um ein russisches Schiff daran zu hindern, Rohre zu verlegen. Aber das werden sie nicht wagen.

Wichtige US-Doktrin: Deutschland klein halten

Mit der Nord-Stream-2-Nummer führen uns die Amerikaner einmal mehr vor, dass Deutschland nicht wirklich ein souveräner Staat ist, dass wir vielmehr noch immer da facto unter Besatzungsrecht stehen und jederzeit – wenn Washington es für erforderlich hält – auch militärisch wieder an die Kandare genommen werden können. Wie hat es der britische Politiker und General Hastings Lionel Ismay, 1. Baron Ismay hinsichtlich der Funktion der NATO für Europa doch so treffend formuliert: „to keep the Russians out, the Americans in, and the Germans down“. Wenn das keine klare Ansage ist? US-Dokumente aus den 1960ern belegen, dass der lockere Spruch des Briten der tatsächlichen Intention entsprach. Eine friedliche und konstruktive Kooperation zwischen Deutschland und Russland ist das Horrorszenario, das seit mehr als 100 Jahren in Washington (und London) beschworen wird. Da tritt eine tief sitzende Paranoia der Amerikaner zu Tage – ganz egal, wer im Weißen Haus gerade das Sagen hat.

Während sich die Kanzlerin, wie gewohnt, wieder einmal feige weggeduckt hat, hat immerhin Vizekanzler Scholz einen Funken Selbstrespekt gezeigt, indem er die Androhungen von Sanktionen seitens der USA als einen „schweren Eingriff in die inneren Angelegenheiten Deutschlands und Europas“ verurteilt hat und deutlich machte, dass er dieses Vorgehen „entschieden ablehnt“. Da meldet sich natürlich sofort der amerikanische Scharfmacher in Berlin, US-Botschafter Richard Grenell, zu Wort und weist die Kritik an den Sanktionen gegen den Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 zurück. Das sei vielmehr, so verkündet er in einem Zeitungsinterview, eine „sehr pro-europäische Entscheidung“.

Grenell ist kein Botschafter, sondern ein Scharfmacher, der ausgewiesen gehört

Es ist nicht das erste Mal, dass sich Grenell als Statthalter der amerikanischen Besatzungsmacht in Deutschland aufführt. Vielmehr hat er seit seinem Amtsantritt mehrfach Äußerungen getätigt, die einem Botschafter nicht zustehen und sich unverhohlen in die inneren Angelegenheiten Deutschlands eingemischt. So hat er beispielsweise bereits im Frühjahr d.J. von der deutschen Wirtschaft verlangt, Geschäfte mit dem Iran zu unterlassen; schriftlich drohte er deutschen Firmen, die sich am Bau der Nord-Stream-2-­Pipeline beteiligen wollten, mit Sanktionen. An Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) richtete er die Drohung, dass er mit Einschränkungen bei der Kooperation der Geheimdienste rechnen müsse, wenn chinesische Firmen am Ausbau des neuen 5G-Mobilfunks beteiligt würden. Auch den Haushaltsentwurf von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hat Grenell öffentlich kritisiert: „Dass die Bundesregierung es auch nur in Erwägung zieht, ihre ohnehin schon inakzeptablen Beiträge zur militärischen Einsatzbereitschaft auch noch zu reduzieren, ist ein beunruhigendes Signal Deutschlands an seine 28 Nato-Verbündete.“

Wolfgang Kubicki (FDP), Vizepräsident des Deutschen Bundestags, ist darauf hin der Kragen geplatzt und er hat die Ausweisung Grenells gefordert. Wer sich als US-Diplomat „wie ein Hochkommissar einer Besatzungsmacht aufführt“, müsse lernen, „dass unsere Toleranz auch Grenzen kennt“. Es sei „nicht mehr zu tolerieren“, dass sich Grenell in politische Fragen der Bundesrepublik eingemischt habe. Deutschland dürfe sich das „aus Gründen der Selbstachtung“ nicht gefallen lassen. Mit dieser Haltung hat Kubicki völlig Recht, nur ist er nicht in der Position, um das, was er fordert, zu bewerkstelligen. Der, der diesen überfälligen Schritt in die Wege leiten könnte, Außenminister Heiko Maas, hat leider nicht den A… in seiner maßgeschneiderten Hose. Abgesehen von wachsweichen Statements hat er nichts zu bieten. ­– Man stelle sich vor, der deutsche Botschafter in Washington würde sich in der Weise in die Innenpolitik der USA einmischen. Es dauerte weniger als einen Tag, bis man ihn zur persona non grata erklären und des Landes verweisen würde.

Sanktionen sind Krieg mit anderen Waffen!

Noch ein abschießendes, grundsätzliches Wort zum Thema Sanktionen. Diese in aller Regel von den USA verhängten Strafmaßnahmen gegenüber Staaten, die sich nicht willfährig verhalten, treffen immer die Schwächsten der Gesellschaft: Kinder, Kranke, alte Menschen. Denn dann fehlt es an Nahrungsmitteln und Medikamenten; die Infrastruktur in den abgestraften Ländern bricht zusammen, demokratische Prozesse werden unterbrochen, die korrupten Eliten bleiben ungeschoren. Russland ist – wie oben schon erwähnt – die große Ausnahme. Das Land ist einfach zu groß, zu flexibel und arbeitsam und Putin zu stark, als dass die verhängten Sanktionen einen nachhaltigen Effekt ausüben könnten. Im Gegenteil: Russland sucht und findet neue Wege und Partner und wird dadurch nur noch stärker. Aber das kapieren die verblödeten Amis nicht.

Früher sind sie, wenn sich ein Land nicht unterordnen wollte, mit ihrer überwältigenden Militärmacht einmarschiert, haben tonnenweise Bomben abgeworfen und die Aufrührer einfach platt gemacht. Das tun sie seit Trump nicht mehr – wie er versprochen hat. Aber unter ihm hat der „amerikanische Sanktionismus“ eine bis dahin nicht gekannte Blüte erfahren. Inzwischen herrscht geradezu eine Inflation an Sanktionen und auch Deutschland und Europa werden nicht mehr verschont. Der Wirtschaftskrieg mit immer mehr Zöllen auf irgendwelche Waren ist eine Sache. Da werden sie Amerikaner letztendlich sowieso den Kürzeren ziehen. Sanktionen sind etwas anderes. Sie sind ein Krieg mit anderen Waffen! Für ärmere Länder können sie verheerend sein, Russland und Europa werden sie nicht wirklich wehtun. Die Amerikaner müssen nur aufpassen, dass nicht irgendwann der Rest der Welt Wirtschaftssanktionen gegen sie verhängt. Dann hätten sie wirklich ein Problem und müssten den Druck der Lebensmittelkarten für die Ärmsten in der Bevölkerung um ein Vielfaches steigern.

 

Die USA, nicht die Amerikaner, waren noch nie Deutschlands „Freunde“. Sie haben 1917 dem Deutschen Reich den Krieg erklärt, um ihre gigantischen Kredite an England und Frankreich zu sichern, die sie ihnen gewährt haben, damit diese den Krieg gegen Deutschland führen können. Ohne den Kriegseintritt der USA hätte das Deutsche Reich diesen aufgezwungenen Krieg gewonnen und die USA hätten ihre Kredite von England und Frankreich niemals zurück bekommen. Deswegen hat Washington in Versailles auch vorab einen Separatfrieden mit Deutschland geschlossen, der die vorrangige Bedienung der viel kleineren an Deutschland vergebenen Kredite vorsah. Mit dem Zweiten Weltkrieg war es nicht viel anders. Mehr darüber im Werk von Peter Haisenko: „England, die Deutschen, die Juden und das 20. Jahrhundert“. Erhältlich im Buchhandel oder direkt zu bestellen beim Verlag hier. 

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