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Sexismusdebatte: Flirten nur noch nach Vorschrift

Von Peter Haisenko 

Mit schöner Regelmäßigkeit kommt die Debatte über Sexismus und sexuelle Gewalt als Topthema in die Medien. Der Fall Weinstein zeigt wieder einmal auf, dass die Übergriffe keinesfalls unbekannt sind, aber meist ein Mantel des Schweigens darüber gelegt wird – von beiden Seiten. Allerdings muss ich feststellen, dass alle Debatten von großer Einseitigkeit geprägt sind und damit der Komplexität des Themas nicht gerecht werden.

Die USA sind auch bei diesem Thema Vorreiter und – wie bei so manchen gesellschaftlichen Phänomenen – Vorreiter im Negativen. So haben sich dort seit Jahrzehnten Verhaltensnormen etabliert, die einen normalen Umgang zwischen Mann und Frau nahezu unmöglich machen. Nicht umsonst hat US-Vizepräsident Mike Pence gesagt, dass er nicht mehr mit einer Frau allein im Aufzug fährt, es sei denn mit seiner Ehefrau. Und er ist gewiss nicht der einzige, der diese Selbstschutz-Maßnahme praktiziert. Nehmen wir dazu die Professoren, die das unmissverständliche Statement abgegeben haben: Wenn ich mit einer Studentin etwas zu besprechen habe, ist die Tür zu meinem Büro immer offen. Dieses Misstrauen ist fürchterlich, aber aus Sicht des Mannes in herausgehobener Position ist die Gefahr inzwischen zu groß geworden, sein Leben mit falschen Anschuldigungen ruiniert zu bekommen, weil Aussage gegen Aussage steht und ein objektiver Nachweis auf beiden Seiten kaum möglich ist. Bereits 1994 wurde mit dem Film „Enthüllung“ mit Michael Douglas und Demi Moore eindringlich vorgeführt, wie mit dem vorsätzlich falschen Vorwurf sexueller Aggression eine Frau einen Konkurrent vernichten kann zum eigenen Vorteil oder aus Rache für eine Zurückweisung.

Die „Pille“ hat der Frau entschieden zu ihrer sexuellen Selbstbestimmung verholfen

Es wird behauptet: Die Hälfte aller Männer „geht fremd“. Das mag zutreffen, aber dazu gehören immer mindestens zwei. Einst gab es den Begriff der Ehebrecherin, der aus unserem Sprachgebrauch längst entfernt wurde. Fälschlicherweise wird immer davon ausgegangen, dass eine unbotmäßige sexuelle Avance vom triebstärkeren Mann ausgeht. Das ist unzulässig angesichts einer Fülle von Beispielen, wo sich Sekretärinnen oder Kindermädchen einen höheren Sozialstand erobert haben, indem sie ihren Chef – wie auch immer – dazu gebracht haben, aus der bestehenden Ehe auszubrechen. Dafür gibt es unzählige prominente Beispiele, auf die ich mich hier im Einzelnen nicht einlassen will. Schon vor vielen Jahren sagte ein Freund über eine Münchener „Promi-Disco“, dass dort die Sekretärinnen auf der Jagd nach einem besseren Leben sind. Auf eine solche ist auch Boris Becker hereingefallen. Jeder, außer Becker, wusste, dass Barbara Feltus jedem zugeneigt war, der mindestens eine goldene Rolex zur Schau stellen konnte. „Bobbele“ hat diese Unachtsamkeit schlappe 30 Millionen gekostet.

Es ist ein lange gepflegter Irrglaube, dass das Bedürfnis von Frauen nach sexueller Erfüllung verschwindend gering sei gegenüber dem der Männer. Natürlich war es vor der „Pille“ und der darauffolgenden sexuellen Revolution der „1968-er“ schwieriger für Frauen, sich in dieser Hinsicht auszuleben, denn das Risiko einer Schwangerschaft blieb natürlicherweise bei ihr hängen. Diese „Gefahr“ ist mit der Pille minimiert, aber die Diskussion über sexuelle Gewalt hat diesen Faktor bis jetzt noch zu wenig einbezogen. Im traditionellen Spiel der Geschlechter haben sich Männer daran gewöhnt, bei der Kontaktaufnahme mit Frauen Absagen – altmodisch „Körbe“ – einzufangen. Nicht nur meine Erfahrung zeigt aber, dass Frauen mit einer Zurückweisung oftmals überhaupt nicht umgehen können, sondern extrem verletzt und nicht selten rachsüchtig reagieren. Die Causa Kachelmann drängt sich an der Stelle unwillkürlich auf. Die Debatte um sexuelle Gewalt und die daraus entstandenen Regeln, Einschränkungen und Strafen haben dazu geführt, dass nicht nur rachsüchtige Zurückgewiesene eine scharfe Waffe in der Hand haben. Männer wie Frauen – siehe Michael Douglas und Demi Moore. Das natürliche Verhältnis zwischen den Geschlechtern ist vergiftet, weil nur noch schwer einzuschätzen ist, wo Komplimente und der einfache Wunsch nach Kontakt enden und sexuelle Aggression oder gar Nötigung anfangen.

Die Option sich „hochzuschlafen“ ist für Männer denkbar gering

Selbst wenn es ein Machtgefälle gibt, ist es schwer zu entscheiden, inwiefern sexuelle Nötigung tatsächlich vorliegt, wenn eine der beiden Seiten diese anklagt. Wie gesagt, es steht Aussage gegen Aussage und allgemein neigt man dazu, dem (sozial überlegenen) Mann die Aggression zuzutrauen, besonders dann, wenn es sich bei der Gegenseite um eine als attraktiv bezeichnete Frau handelt. Dem steht aber gegenüber, dass landläufig von Frauen gesprochen wird, die sich „hochgeschlafen“ haben. So wenig ich auch nur einen Funken Sympathie für Weinstein und Co. hege, muss aber auch hier die Frage nach der Henne und dem Ei gestellt werden. Hat Weinstein von Anfang an seine Position ausgenutzt, um junge Schauspielerinnen zu missbrauchen? Oder gab es so viele Bewerberinnen für eine Rolle, die sich unter Einsatz ihres Körpers einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz verschaffen wollten – bis er es als gleichsam natürlichen Preis annahm, sexuelle Gefügigkeit für eine Rolle entgegenzunehmen? Beide Verhaltensweisen gibt es und beide sind verabscheuenswürdig.

Ganz allgemein gilt, dass der Mann seit Urzeiten konditioniert ist, seinen Samen so breit wie möglich zu streuen. Das wiederum impliziert, dass die Mehrzahl der Männer geneigt ist, jede Möglichkeit zum Geschlechtsverkehr wahrzunehmen. Wiederum natürlich ist, dass Männer in Machtpositionen mehr Gelegenheiten haben, sich diese nehmen bzw. angeboten bekommen – und diese Macht dann auch ausnutzen. Aber ist es mit Frauen so anders? Auch sie sind konditioniert, sich mit dem Stärksten oder anderweitig Attraktivsten zu paaren. Betrachten wir hierzu den Fakt, dass es in der Geschichte eine Fülle von Frauen gab, die aus niederem Stand kommend allein aufgrund ihrer Schönheit (und Skrupellosigkeit) den Weg in Machtpositionen gefunden haben. Umgekehrt ist es eine Rarität, wenn überhaupt, dass Männer „aus dem Volk“ auf diesem Weg ihre Position verbessern konnten. Man liegt folglich nicht falsch zu sagen, dass beide Geschlechter ihre spezifischen Vorteile nutzen, wann immer es möglich ist oder vorteilhaft erscheint.

Das Prinzip der Gleichbehandlung kann auch Männern zum Nachteil gereichen

Ein Wort zur Gleichstellung, zur geschlechtsneutralen und gerechten Gleichbehandlung. Diese kann es aus vielerlei Gründen nicht geben. Üblicherweise erscheint in dieser Betrachtung die Frau als die Benachteiligte, als ungerecht Behandelte, als Verliererin. Es kann aber auch andersherum gehen. Dafür nenne ich beispielhaft die Luftfahrt, die als Mikrokosmos viele Gesellschaftsaspekte widerspiegelt. In der Luftfahrt herrscht vollständige Gleichbehandlung und genau betrachtet geraten dadurch die Männer ins Hintertreffen.

Pilotinnen zum Beispiel können schwanger werden und haben natürlicherweise dadurch Auszeiten, die akkumuliert durchaus einige Jahre betragen können. Nun gibt es aber das „Senioritätsprinzip“, das festlegt, dass die Förderung zum Aufstieg am Dienstalter festgemacht ist. Auszeiten wie Schwangerschaft werden dem Dienstalter nicht abgezogen und das führt dazu, dass Pilotinnen mit Kindern das Kapitänspatent erwerben dürfen, obwohl sie deutlich weniger Flugerfahrung haben als ihre männlichen Kollegen. Man sieht an diesem kleinen Beispiel, dass scheinbare Gleichbehandlung durchaus dazu führen kann, dass jetzt die Nachteile auf der anderen Seite liegen. Was den Sexismus in dieser Branche angeht, weiß ich aus eigener Erfahrung, dass in nicht wenigen Eingangslehrgängen für Stewardessen Wetten abgeschlossen werden, wer sich wohl als erste einen Kapitän „an Land ziehen“ wird.

Es ist dem Zeitgeist unterworfen, was als sexuelle Nötigung gilt. Auch hier wird mit zweierlei Maß gemessen. Ist es schon sexuell aggressiv, wenn ein Mann einer attraktiven Frau hinterher pfeift? Kann es auch als sexuell aggressiv bezeichnet werden, wenn sich eine Frau in aufreizender Kleidung in der Öffentlichkeit zeigt; wenn ihre Erscheinung als „nuttig“ bezeichnet werden kann? Darf sich diese Frau dann darüber mokieren, wenn ihr nachgepfiffen wird oder eindeutige Avancen gemacht werden? Kann es nicht geradezu andersrum sein, dass diese Frau frustriert ist, wenn ihr Erscheinen nicht wahrgenommen und mit entsprechenden Reaktionen „belohnt“ wird? Übt sie nicht auf diese Weise auch sexuelle Gewalt aus? Und zwar in einer Weise, wie sie Männern nicht möglich ist, weil die Bekleidungsnormen für Männer kaum ermöglichen, ihre körperlichen Vorteile ebenso zur Schau zu stellen.

Gerade hierin zeigt sich der nicht hinterfragte gesellschaftliche Konsens, dass Männer mit ihrer Kleidung nur ihren sozialen Stand, ihren Reichtum demonstrieren können, um so Frauen zu beeindrucken und anzulocken. Ja, Frauen können das auch, aber selbst die teuersten weiblichen Roben betonen die körperlichen Vorzüge der Trägerin und sind sehr wohl auf diese Weise eine doppelte Machtdemonstration: Ich bin nicht nur schön und begehrenswert, sondern auch reich und folglich mächtig oder habe zumindest einen solchen Ehemann. Hier gilt noch mehr als sonst was generell gilt: Ich bestimme, wer mich begatten darf!

Wenn’s ums Geld geht, sind Anstand und Moral am A…

Damit bin ich beim wesentlichen Punkt: In 90 Prozent der Fälle bestimmt die Frau darüber, ob es zum Geschlechtsakt kommt. Jedenfalls solange keine physische Gewalt angewendet wird. Und wenn hierarchische Gewalt im Spiel ist, ist es immer noch die Frau, die darüber entscheidet, ob ihr ihre sexuelle Unversehrtheit wichtiger ist als ihre Karriere. Ich stelle hier die These in den Raum, dass Männer wie Weinstein ihr unsägliches Treiben nur durchführen können, weil es Frauen gibt, die sich mit Hilfe ihrer Sexualität Vorteile gegenüber Konkurrentinnen verschaffen (wollen). Gäbe es einen gemeinsamen weiblichen Kodex, der das ächtet, ausschließt, würden die dahingehenden Avancen der anderen Seite schnell erlahmen und die „Besetzungscouch“ könnte auf dem Sperrmüll landen, wo sie hingehört. Allein dass der Begriff „Besetzungscouch“ existiert, zeigt doch, dass dieses unwürdige Verfahren in gewissem Rahmen von beiden Seiten akzeptiert und ausgenutzt wird.

Männer und Frauen sind nun mal unterschiedlich und was wäre das Leben ohne diesen Unterschied. Beide Daseinsformen haben ihre Vor- und Nachteile. Es ist grundfalsch, nur einer Seite vorzuwerfen, ihre Position auszunutzen. Noch falscher allerdings erachte ich den Trend, auch noch die Kontaktaufnahme zwischen den Geschlechtern mit Verboten und Strafen regulieren zu wollen. Wie in allen anderen Gesellschaftsbereichen verhält es sich auch hier: Wenn es ums Geld geht, führt der fortschreitende Verfall von Anstand und Moral unweigerlich zu verabscheuungswürdigen Auswüchsen. Müssen wir wirklich regeln, in welcher Art geflirtet werden darf? Es war schon immer so, dass hier unterschiedliche „Anmachen“ akzeptiert wurden, je nachdem, in welcher Gesellschaftsschicht man sich bewegt. In den USA sind die Regeln dazu mittlerweile so restriktiv, dass zum Beispiel innerhalb einer Firma kaum noch geflirtet werden kann, selbst dann, wenn es beide Seiten wollten.

Die Diskussion über sexuelle Gewalt ist viel zu eng gefasst

Sex und Gewalt sind unvereinbar. Stimmt das wirklich? Mancher Mann und wohlmöglich noch mehr Frauen werden hier widersprechen, denn für manche ist ein gewisses Maß an Gewalt beim Sex durchaus erwünscht. Nicht nur in diesen Fällen gilt, dass es immer darauf ankommt, ob und wie sich zwei finden, die mit dem speziellen gegenseitigen Umgang einverstanden sind. Diese Fülle von individuellen Vorlieben kann und darf man nicht wegregulieren, das Leben würde verlieren. Viel wichtiger ist, einen allgemeinen Verhaltenskodex wieder herzustellen, der vom gegenseitigen Respekt geprägt ist, und zwar nicht nur bezüglich Sexualität, sondern auf allen Ebenen.

Weinstein und Co erfahren gerade die Höchststrafe, die gesellschaftliche Ächtung und damit das Ende der Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt in gewohnter Weise zu verdienen. Ja, auch ich halte das für eine gerechte Strafe für ihr Verhalten. Was aber ist mit Managern, die sich skrupellos bereichern, Firmen ruinieren und Tausende ihrer Arbeitsplätze, ihrer Lebensgrundlage berauben? Die dürfen weiterhin geschätzte Mitglieder der edlen Gesellschaft bleiben, ihre Millionen kassieren und die nächste Firma ruinieren. Die Diskussion über sexuelle Gewalt ist viel zu eng gefasst. Sie muss auf den Zustand unserer Gesellschaft insgesamt ausgeweitet werden. Nur so haben wir eine Chance, auch das Verhältnis zwischen Mann und Frau zu einem natürlichen, anständigen und respektvollen Umgang zurückzuführen.

Es kann doch nicht sein, dass wir in Zukunft nur noch nach genau definierten Regeln und Vorschriften flirten dürfen. Wie weit sind wir denn schon gekommen, wenn ein Blick ins Dekolleté, ein Kompliment über das gute Aussehen einer Frau, eine ironisch-witzige Bemerkung dazu führen können, dass ein Mann Amt und Würden verliert und öffentlich geächtet wird? Werden wir in Zukunft ein Ministerium haben, bei dem ein Antrag zu stellen ist, wenn man einen Partner kennenlernen will? Schöne neue Welt! Nein, ich will in einer Welt leben, in der spontane Komplimente nicht strafbar sind, auch wenn sie ungebührlich vorgetragen werden. Ja, ein Nein muss ein Nein sein und respektiert werden. Auch für Weinstein und Co. wäre ein unmissverständliches Nein wahrscheinlich ausreichend gewesen, wenn es denn ohne Rücksicht auf die eigene Karriere so vorgetragen worden wäre. Genau hier liegt der Hase im Pfeffer und das dürfte auch der Grund sein, warum es so lange gedauert hat, bis die ersten Betroffenen ihren Mund aufgemacht haben: Die eigene Karriere auf Kosten der sexuellen Unversehrtheit. Geld geht vor Moral.

 

 

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