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Schröder-Bashing, weil er sich in der russischen Energiewirtschaft engagiert

Von Hubert von Brunn 

Altkanzler Schröder wird Aufsichtsratschef beim russischen Staatskonzern Rosneft – und ein Aufschrei der Empörung geht durch die Medien. Auch in den Parteien unterschiedlicher Couleur, die Genossen eingeschlossen, melden sich kritische Stimmen zu Wort, die Schröders Vorgehen mindestens für „unanständig“ halten. Manche Kommentare rücken ihn gar in die Nähe des „Volksverräters“. Bemerkenswert, denn als derselbe Mann 2005 nur wenige Monate, nachdem er als Kanzler abgewählt worden war, auf Bitte seines Duzfreundes Putin beim anderen russischen Energieriesen Nord Stream AG/Gazprom eingestiegen ist, gab es zwar auch Kritik an der kurzen Zeitspanne vom Amt bis zum „Seitenwechsel“. Letztlich überwog aber die Haltung, dass dieses Engagement ganz nützlich sein könnte im Interesse der künftigen Gasversorgung Deutschlands und Europas.

Damals war das deutsch-russische Verhältnis noch ein ganz anderes: Expandierende Zusammenarbeit in Wirtschaft, Handel, Wissenschaft und Kultur und auf der politischen Ebene lebte immer noch die Vision vom „großen europäischen Haus von Wladiwostok bis Lissabon“. Das hat sich inzwischen fundamental geändert. Angetrieben von den Falken in den USA und in der NATO haben die Europäer – allen voran Frau Merkel – Russland mit Sanktionen belegt, sehr zum Schaden für unsere Wirtschaft. Putin wurde zum „bösen Buben“ erklärt, dem man nicht trauen kann und mit dem man selbstverständlich auch keine Geschäfte mehr macht. – Was so in letzter Konsequenz natürlich auch nicht stimmt. Man biegt es sich eben zurecht, so wie es gerade passt. Aber als ehemaliger Bundeskanzler jetzt noch eine weitere Spitzenposition in der russischen Energiewirtschaft zu besetzen – das geht doch gar nicht, ereifern sich die selbsternannten Saubermänner und -frauen.

Wie wären wohl die Reaktionen gewesen, wenn Schröder ein vergleichbares Angebot bei Google, oder Apple oder Facebook angenommen hätte? Vielleicht hätte man ihn dazu sogar beglückwünscht: ‚Sieh mal an, einer von uns hat es im Silicon Valley ganz nach oben geschafft’ – oder so ähnlich. Kritik wäre, wenn überhaupt, in jedem Falle sehr verhalten ausgefallen. Schließlich sind die Amerikaner die Guten, unsere Freunde, auch die Unternehmen, die den deutschen Fiskus – ganz legal – um Milliarden Steuereinnahmen betrügen.

Eine moderierende Stimme in Russland kann nicht schädlich sein

Da geraten dann andere sehr schnell vollzogene „Seitenwechsel“ gern in Vergessenheit. Ex-Verkehrsminister Matthias Wissmann (CDU) etwa wurde gleich nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag Chef-Lobbyist der Autoindustrie. Der Diesel-Skandal lässt grüßen! Oder Ronald Pofalla. Kaum als Merkels Kanzleramtsminister ausgeschieden, wechselte er in den Vorstand der Deutschen Bahn. Oder betrachten wir einmal die Nebeneinkünfte, die zahlreiche Abgeordnete Jahr für Jahr erwirtschaften – wohlgemerkt parallel zu ihrem Hauptberuf als Parlamentarier. In der Hitliste hier ganz oben Peer Steinbrück (SPD), der auch einmal Kanzler werden wollte. In seiner letzten Wahlperiode im Bundestag brachte er es mit Buch-Honoraren, Vergütungen als Aufsichtsrat und Vortrags-Honoraren auf rd. 2 Millionen Euro an Nebeneinkünften. All diese Jobs nehmen nicht gerade wenig Zeit in Anspruch und man fragt sich: Wie hat der Mann das gemacht?

Zwischen Schröders Amts-Ende als Bundeskanzler und seinem Einstieg bei Rosneft jetzt liegen immerhin 12 Jahre. Die Verletzung einer Schamfrist kann man ihm dieses Mal also nicht vorhalten und er hat auch keine wichtigen politischen Ämter mehr inne, die er mit „Nebentätigkeiten“ vernachlässigen könnte. Er ist ein freier Mann und kann als solcher machen, was er will. Schädlich für Deutschland kann es nicht sein, wenn in dem inzwischen unnötig angespannten Verhältnis zu Russland zu gegebenem Anlass eine deutsche Stimme moderierend eingreift. In einem „Stern“-Interview hat Schröder sein Selbstverständnis als stiller Vermittler hinter den Kulissen bereits deutlich gemacht: „Ich rate dazu, nicht zu viel Druck auf Russland auszuüben“, mahnte er dort, „zum Beispiel durch Sanktionen. Ich rate zu mehr Bescheidenheit“. Diese Haltung ist integer, zeugt von Weitsicht und ist dementsprechend nicht zu beanstanden.

Neid – ein typisch deutsches Phänomen

Dann müssen wir doch noch auf den Faktor „Neid“ zu sprechen kommen. Neid ist in unserer Gesellschaft ein weit verbreitetes Phänomen. Ehe man jemand um seinen Erfolg – sei es im beruflichen, geschäftlichen oder auch im privaten Bereich – beglückwünscht, ist man erst einmal neidisch. Der hat mehr als ich. Dem fällt alles in den Schoß etc.. (Selbst-)kritische Menschen wissen, dass das nur in den wenigsten Fällen zutrifft. Meist stehen hinter dem Erfolg Fleiß, Können, Geschick im Umgang mit Menschen – und als Sahnehäubchen obendrauf vielleicht ein wenig Glück des Tüchtigen. Dass Putin ausgerechnet Gerhard Schröder in die genannten Positionen holt, hat gewiss nicht nur mit der langjährigen Freundschaft zwischen den beiden Männern zu tun. Auf bloße Emotion würde sich ein geschickter Schachspieler wie Putin nie verlassen. Er weiß, was er tut, und Schröder weiß es auch.

Wenn wir über Neid reden, müssen wir natürlich auch den pekuniären Aspekt betrachten – so weit das möglich ist. Um die 600.000 Euro sollen es sein, die Schröder als Aufsichtsratsvorsitzender bei Rosneft kassiert, das Honorar für sein Engagement bei den Pipeline-Unternehmen Nord Stream und Nord Stream 2 dürfte sich in etwa in der gleichen Größenordnung bewegen. Dazu kommen noch sein Ruhegehalt als Ex-Kanzler und seine Bezüge aus seiner Zeit in Niedersachsens Landesregierung plus die Zuwendungen aus der Staatskasse für sein Büro in Berlin. Würde er auf Letzteres verzichten, was durchaus zu verschmerzen wäre, könnte er ein klares Signal setzen in Richtung derer, die ihn (neidvoll) kritisieren und ihnen zumindest diesbezüglich den Wind aus den Segeln nehmen. Wie dem auch sei: Am Hungertuch muss Herr Schröder nicht nagen und seine Altersvorsorge ist gesichert. 

Aber mag er sich bei Gazprom und Rosneft noch so viele Verdienste erwerben – an das Vermögen des VW-Versagers Martin Winterkorn wird er nicht herankommen. Der hat sich mit Jahresgehältern und Boni zwischen 15 und 17,5 Mio. Euro ein Vermögen von (geschätzt) 200 Mio. Euro ergaunert und erhält für seine großartigen Verdienste auch noch eine gesicherte Jahresrente von 1,3 Mio. Euro. Über diese himmelschreiende Ungerechtigkeit redet heute niemand mehr. Das ist halt so, und vor allem: Er hat keine Geschäfte mit Putin gemacht – nicht direkt.

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