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Enttäuschung und gebrochene Versprechen bringen Wut im Osten

Von Peter Haisenko 

Das Versprechen für blühende Landschaften im Osten ist mit Herrhausen und Rohwedder begraben worden. Mit Frau Breuel begann ein beispielloser Ausverkauf, der nur noch Raubzug genannt werden kann. Das Drama der ehemaligen DDR-Bürger ist, dass sie niemals das bekommen haben, wofür sie auf die Straße gegangen sind: Die Soziale Marktwirtschaft.

Ob die „Wiedervereinigung“ wirklich völkerrechtlichen Standards genügt hat, wäre noch zu untersuchen. Fest steht, dass die DDR-Bürger nicht darüber abstimmen durften, es kein Referendum dazu gab. Sie hatten eine Verfassung, jetzt nur noch ein Grundgesetz. Führungspositionen sind flächendeckend mit „Wessis“ besetzt worden und bis heute hat sich daran nicht viel geändert. Einzig Frau Merkel hat sich mit ihrem Feldzug gegen Helmut Kohl die Spitze gesichert, aber heute ist nicht mehr klar, ob sie nicht besser als „Honeckers Rache“ bezeichnet werden sollte, denn auch der Westteil hat sich seither dramatisch verändert.

Unipolare Welt des Kapitalismus’ nach 1990

Die Soziale Marktwirtschaft ist Stückwiese abgeschafft worden, erst von Schröder/Fischer, und weiterführend Frau Merkel. Angefangen hat das aber unmittelbar nach dem „Sieg des Kapitalismus über den Kommunismus“, nämlich schon 1990. Fortan war die Welt unipolar, der Kapitalismus musste nicht mehr beweisen, dass es das bessere System für die Menschen ist. Beispielhaft nenne ich hier die Lufthansa. 1990 hat die Airline die Tarifverträge nach unten erweitert und begonnen, Teile des Flugbetriebs aus dem Kernunternehmen auszugliedern. Alles das mit dem Ziel, Löhne und Sozialstrukturen abzusenken und mehr Gewinn einzufahren. Diese Vorgehensweise gilt für alle Branchen, aber besonders der Osten hatte darunter zu leiden. Unter Aufsicht der Treuhand wurde verramscht, betrogen und Strukturen zerschlagen; Menschen nach Belieben in die Arbeitslosigkeit entlassen, Löhne gekürzt. Fachkräfte sind in Massen in den Westen abgewandert und traditionelle Industrieregionen sind verödet.

Natürlich sollte nicht übersehen werden, wie schnell der Osten „renoviert“ wurde, mit „Soli“ und der unendlichen Belieferung mit Materialien. Die größte Leistung aber haben die „Ossis“ selbst erbracht. Die Baumärkte, die wie Pilze aus dem Boden geschossen sind, haben den Menschen endlich das Material zugänglich gemacht, mit dem sie ihre Umgebung auf Vordermann bringen konnten. Dennoch waren letztlich alle Verlierer, die sich nicht aus alten Pfründen und Parteiverbindungen noch schnell die besten Schnäppchen an Immobilien sichern konnten. Selbst die hoch qualifizierten Piloten der Interflug sind betrogen und, ja man kann es nicht anders sagen, gefickt worden, wie ich aus erster Quelle erfahren habe. Offiziell hieß der Auftrag, die Interflug in die Lufthansa zu integrieren. Der „Abwickler“ Dr. Körte hat mir aber erzählt, dass er tatsächlich den Auftrag hatte, die Interflug zu zerschlagen, aufzulösen, ohne Folgekosten. Ich nehme dieses Beispiel, um zu illustrieren, welche Folgen das hat.

Die heutige „Mauer“ zwischen Ost und West ist eine ökonomische

Wir im Westen hatten eine Kontinuität bis 1990, die es erlaubte, Eigentum zu schaffen und fürs Alter vorzusorgen. So habe ich als ehemaliger Kapitän bei Lufthansa eine gute Übergangsversorgung bis zur Rente und anschließend eine ordentliche Betriebsrente neben der normalen Rente. Keiner der Kollegen aus dem Osten befindet sich in einer ähnlich angenehmen Lage. Sie mussten nach der Zerschlagung der Interflug irgendwie versuchen, im Westen überhaupt eine Stelle in einem Cockpit zu bekommen, die ihrer Qualifikation entsprach. Manche gingen „in den Busch“, also nach Afrika, andere durften bei der neugegründeten Tochter der Lufthansa „Südflug“ anheuern. Was aber auch diesen wenigen Glücklichen vorenthalten wird, ist eine Altersversorgung, die ihrer Lebensleistung entspricht und für deren Erhalt die Lufthansapiloten lange gestreikt haben. Ähnliches gilt für die meisten (technischen) Spitzenkräfte der DDR und Reichsbahnmitarbeiter.

Immer wieder wird von der „Mauer in den Köpfen“ gesprochen, die immer noch zwischen Ost und West stehen soll. Ich sehe das eher als eine ökonomische Mauer. War die DDR schon die Billigwerkbank der BRD, so hat sich daran bis heute wenig geändert. Die Globalisierung hat das ihrige dazu geleistet, mit Billiglohnkonkurrenz noch weiter im Osten. Ja, wie gesagt, kosmetisch ist der Osten renoviert, aber die Strukturen sind kaputt. Kein Wunder also, dass man sich abgehängt fühlt und Protest wählt. Besonders im Hinblick darauf, dass sich keine Partei dieses Problems wirklich angenommen hat, schon gar nicht die der FDJ-Sekretärin Merkel.

Die Welt ist nicht nur schwarz oder weiß

Immer noch sehen sich „Ossis“ den Fragen ausgesetzt, ob sie nicht vielleicht doch Stasispitzel waren. Das geschieht den Wessis nicht, obwohl da Fragen durchaus berechtigt wären. Was habt ihr Mitglieder der „Atlantikbrücke“ und ähnlicher Vereine eigentlich getrieben, das nicht dem Wohl Deutschlands gedient hat und dient? Wo ist letztlich der Unterschied zwischen einem moskautreuen Kommunisten und einem Transatlantiker oder Banker, die den USA und dem Großkapital mehr verpflichtet sind als dem eigenen Land? Nein, diese Fragen sind unschicklich, obwohl sogar bekannt ist, wer wo und was getrieben hat und weiterhin treibt. Nein, das kann kein Makel sein, denn man arbeitet ja für die Guten. Die DDR-Bürger gehörten nicht zu den Guten.

Bereits 1990 habe ich gesehen, dass die Wiedervereinigung für DDR-Bürger um die fünfzig wirklich eine fatale Zäsur in ihrem Leben bedeutet. Aber auch die Jungen hatten es nicht leicht, auch nicht in Russland. 1990 sagte eine Deutschlehrerin in Russland zu mir, dass sie völlig in der Luft hinge: „Früher waren es die Spekulanten, heute sind es die Kaufleute“. Die Grundlagen der Ausbildung und Moral waren auf den Kopf gestellt. Wie mag es den DDR-Bürgern da gegangen sein? Schließlich sind nicht alle zum Demonstrieren auf die Straße gegangen. Manche waren durchaus überzeugt, dass ihr Weg der bessere ist, auf lange Sicht. Und wenn man den Zustand der Welt heute betrachtet, kann dem nicht vorbehaltlos widersprochen werden. Die Welt ist nicht nur schwarz oder weiß. Betrachtet man Jugoslawien, das einen dritten Weg zwischen Kommunismus und Kapitalismus gegangen ist, wird das deutlich. Jugoslawien war erfolgreich und genau das dürfte der Grund sein, warum es zerstört werden musste. Es durfte nicht sein, dass ein erfolgreiches Modell neben dem Kapitalismus ein „schlechtes“ Beispiel gibt und zum Nachdenken anregen könnte. So, wie der Kommunismus keine Konkurrenz dulden konnte, so verhält es sich auch mit dem Kapitalismus.

Zunehmender Unmut ob des krassen sozialen Auseinanderdriftens

Die Wut im Osten ist verständlich, ist nachvollziehbar. Hatte man mit der Wiedervereinigung noch die Hoffnung, endlich aus dem Status des Unterprivilegierten zu entkommen, hat sich diese weitgehend zerschlagen. Dass man sich bereits vor 1990 unterprivilegiert fühlen musste, kann daran festgemacht werden, welche Privilegien Ausländer und Diplomaten in der DDR genossen. Auch das Westfernsehen hat seinen Teil beigetragen, weniger wegen der Beiträge und Filme, sondern mit der Werbung für Dinge, die in der DDR unerreichbar waren. Wie musste man sich fühlen, wenn Ausländer und diplomatisches Personal straffrei mit fetten Westkarossen jenseits aller Geschwindigkeitsbeschränkungen über die Autobahnen gebraust sind? Oder wenn dieselben im Halteverbot vor dem Kaufhaus standen, um billigst hochwertige Waren zu kaufen, die für die Bürger knapp waren? Oder in den Devisenläden?

Ja, der normale DDR-Bürger musste sich zweitklassig fühlen, gegenüber den „Westlern“ und für zu viele hat sich das bis heute nicht geändert. Daran ändert nur wenig, wenn sie jetzt zwar reisen dürfen, wohin sie wollen, aber das Geld nicht haben, um diese erkämpfte Freiheit zu genießen. So, wie im „Westen“ der Unmut wächst ob des krassen sozialen Auseinanderdriftens und damit Protestwähler schafft, so ist diese Entwicklung im Osten in verschärfter Form zu beobachten. Die von Merkel geschaffene Migrationskrise ist nur der Katalysator für tiefliegenden Groll über das generelle Versagen der Politik, die die Reichen reicher macht und die Ärmeren in hilfloser Agonie zurücklässt. Und dann muss noch mit angesehen werden, wie auf einmal Geld für Migranten da ist, das man selbst dringender benötigen würde. Wenn die Politik nicht eine drastische Kehrtwende vollzieht, steht zu befürchten, dass sich der allgemeine Unmut in gefährlicher Weise massenhaft entlädt. Nicht nur im Osten, aber vielleicht wieder in Leipzig.

Wie sich die DDR-Bürger fühlen mussten, angesichts des arroganten und überheblichen Benehmens mancher Diplomaten, kann gut nachvollzogen werden, wenn man die Erzählungen einer Diplomatengattin aus West-Berlin gelesen hat, die in Ost-Berlin akkreditiert war. Ja, sie hat auch versucht, hier und dort zu helfen, aber insgesamt doch mehr die diplomatischen Freiheiten und Vorteile ausgenutzt. Gerade für junge Menschen, die die DDR nicht mehr erlebt haben, sind diese Episoden eine Offenbarung. Aber nicht nur für die. Mancher „Westler“ wird nach Lektüre mehr Verständnis aufbringen für die Wut und die Verzweiflung im Osten, die sich in der Wahl offenbart hat. „Wundersame DDR“ heißt das Buch mit den Geschichten der Diplomatengattin und es ist im Buchhandel erhältlich oder direkt zu bestellen beim Verlag hier.

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