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Erdogan, der Putsch und die Parallelen mit dem Dritten Reich

Von Peter Haisenko 

Die Diskussion bei Maybrit Illner am Donnerstag den 21. Juli ist aus dem Ruder gelaufen. Es ging um die Situation in der Türkei nach dem misslungenen Putsch. Der Vertreter Erdogans, das AKP-Mitglied Mustafa Yeneroglu, hatte keine Freunde. Er glich das dadurch aus, indem er anderen fortlaufend ins Wort gefallen ist und seinen Abgang androhte, wenn er nicht genügend Redezeit bekommt. Gänzlich vergriffen hat er sich allerdings, als er einen Vergleich mit 1939 und dem Dritten Reich mit dem Totschlagargument konterte, dass damals eine spezielle Ethnie in Konzentrationslager verbannt worden ist. Da sollte der in Deutschland aufgewachsene seine Geschichtskenntnisse auffrischen.

Erdogan selbst hat den Putschversuch als “Geschenk Gottes” bezeichnet. Er gibt ihm das vermeintliche Recht, jetzt Säuberungen im Land durchzuführen, die sehr wohl mit den Vorgängen im jungen Dritten Reich vergleichbar sind. Anders als Yeneroglu glauben machen wollte, waren die Ersten, die von Hitlers Schergen in KZ´s verbannt worden sind, keineswegs Juden. Es waren vielmehr “asoziale Elemente”, Kommunisten, Sozialdemokraten und andere, die sich dem NS-Regime nicht unterordnen wollten. Die Internierung von Juden folgte erst später. Das klar bezeichnete Feindbild Erdogans gegen die Anhänger der Gülen-Bewegung, deren Entfernung aus dem öffentlichen Dienst und andere Verhaftungen müssen sehr wohl mit dem verglichen werden, was anfänglich im Dritten Reich geschehen ist. Analog dazu wird es wahrscheinlich nicht lange dauern, bis auch Erdogan seine “Säuberungen” ethnisch ausweiten wird, und zwar gegen Kurden und die PKK.

Zufälle oder Planspiele? – Die Situation bleibt verworren

Die Vorgänge in der Türkei sind ausgesprochen unübersichtlich und vielschichtig. Worum geht es hier wirklich? Hat die CIA wieder ihre Finger im Spiel? Wenn ja, warum? Ist es Zufall, dass der Anschlag am Flughafen von Istanbul passiert ist, kurz nachdem Erdogan sein Verhältnis zu Russland verbessert hat? Hat Erdogan erkannt, wie unzuverlässig die USA oder die NATO sind? Erst den IS unterstützen, jetzt bekämpfen? Wie sieht er die Allianz Washingtons mit Kurden? Warum hat er der US-Basis Incirlik den Strom abgedreht? Warum hat er die Piloten verhaften lassen, die die russische SU 24 abgeschossen haben? Wusste er überhaupt, dass sie abgeschossen werden sollte? Die entscheidende Frage aber lautet wohl: Vertraut Erdogan noch der NATO/USA?

Man kann über Erdogan denken, was man will. Eines aber sollte klar sein: Erdogan ist auf seine Art nicht dumm und ein gewiefter Machtmensch. Er hat erkannt, dass die NATO/USA seine Träume eines “Großosmanischen Reichs” nicht teilen und schon gar nicht unterstützen. Er hatte keine ernsthaften Probleme mit seinen Nachbarn, weder mit Iran, noch Syriens Assad oder Iraks Saddam Hussein und auch die Kurdenfrage schien auf einem guten Weg, bis die Hilfe zur Destabilisierung Syriens durch die USA angeordnet worden ist. Auch die Hilfe für den IS konnte er nur leisten, solange das im Interesse der USA geschah. Diese wiederum mussten nach der russischen Intervention ihre Politik auch in dieser Hinsicht revidieren und haben damit Erdogan in eine schwierige Lage gebracht. Hilft er dem IS nicht mehr, verübt dieser Anschläge in der Türkei.

Sucht Ankara jetzt die Nähe zu Moskau?

Erdogan hat aber auch sehen können, dass Russland ein verlässlicher Partner ist, der seine Allianzen nicht so schnell wechselt, wie Washington das tut – siehe Syrien und Iran. Er sieht den wachsenden Einfluss Russlands an seiner Südflanke. Er hat erfahren, dass Russland Wohlverhalten – seine Entschuldigung für den Abschuss der SU 24 – sofort anerkennt und positiv reagiert. Bereits am nächsten Tag hat Russland die Charterflüge in die Türkei wieder freigegeben. Anders die USA. Atomabkommen mit Iran abgeschlossen – die Sanktionen und Embargos werden vielleicht nächstes Jahr aufgehoben. Normalisierung des Verhältnisses zu Kuba? Vielleicht wird man darüber nachdenken, die Embargos aufzuheben – irgendwann. Ist es nicht ekelhaft, dass zwar von positiven Vertragsabschlüssen und Normalisierung gesprochen wird, aber Sanktionen und Embargos einfach fortgeführt werden? Hier dürfte nicht nur Erdogan erkannt haben, dass Einigungen und Verträge mit den USA von deren Seite mit einer Interpretationsbeliebigkeit behandelt werden und das steht im Gegensatz zu Russland, das umgehend seine Massnahmen einstellt, sobald die Notwendigkeit entfallen ist.

Die Luftwaffenbasis Incirlik und deren Nutzung durch NATO-Partner ist auch problematisch. Nicht nur, dass sie die Türkei zum Angriffsziel für den IS macht, es lagern dort auch amerikanische Atombomben. Erdogan hat wohl erkannt, dass dieser Umstand Incirlik im Konfliktfall NATO vs. Russland zu einem primären Ziel für Atombomben macht und damit die ganze Türkei. Hierzu sollte man kurz innehalten und überlegen, welche Folgen der Abwurf einer Atombombe über Incirlik hätte, oder auch auf Teheran oder ein anderer Abwurf auf ein Land, das über keine eigene atomare Abschreckung verfügt, ganz gleich, ob er von USA oder Russland ausgeführt wird. Außer lauen Protesten wird gar nichts passieren in dem Sinn, dass weder Russland noch die USA ihre Interkontinentalraketen auf den anderen starten werden. Solidarität oder der Paragraph 5 des NATO-Vertrags wird nicht dazu führen, dass sich Russland oder die USA der Gefahr aussetzen, ihr eigenes Land einer atomaren Katastrophe auszusetzen. Dasselbe dürfte wohl auch für Deutschland gelten, wo auch amerikanische Atomwaffen gelagert sind.

Der Putschversuch ist Erdogans “Reichstagsbrand”

Auf der anderen Seite könnten die USA die Kontrolle über die Atomwaffen in Incirlik nicht behalten, sollte sich Erdogan entscheiden, diese für sich zu requirieren. Sie hätten dann nur noch die Möglichkeit, selbst eine Atombombe auf Incirlik abzuwerfen, um ihre eigenen Waffen unschädlich zu machen, schlicht zu verdampfen. Nicht erst seit gestern wird Erdogan in Washington als unzuverlässig eingestuft und das weiß der Kalif von Ankara auch. Könnte es also sein, dass die Vorgänge in der Türkei und insbesondere der dilettantische Putschversuch nur die Vorboten einer gewaltigen Veränderung der globalen Verhältnisse sind? Dass die Türkei aus der NATO ausschert und damit das gesamte Konstrukt gegen Russland an der Südflanke zerfällt? Ich weiß nicht wovor man sich mehr fürchten soll.

Mit dem Putschversuch hat Erdogan nun seinen “Reichstagsbrand”, den er schamlos als Vorwand benutzt, jeden aus dem Weg zu räumen, der es wagt, eine eigene Meinung zu haben oder gar ihn zu kritisieren. Unvorbereitet hat es ihn nicht getroffen. Die Listen derer, die verhaftet oder geschasst werden, müssen bereits in der Schublade gelegen haben. Die akute Warnung kam offenbar aus Moskau. Warum das und war es Zufall, dass just in dem Moment nicht nur der US-Außenminister Kerry in Moskau verweilte, sondern auch die “fuck EU” Nuland? Was immer die an der Seite Kerry´s in Moskau verloren hat.

Es ist wirklich unübersichtlich und vielschichtig aber eines kann ich sagen: Erdogan geht einen Weg, der fatal an die Machtergreifung Hitlers erinnert. Er hat zwar nicht das Potenzial, auf Eroberungsfeldzüge zu gehen, was er jedoch vermag, ist, die Machtverhältnisse der “Sicherheitsarchitektur” grundlegend zu verändern. Ich weiß noch nicht, ob das Gutes oder Schlechtes bedeutet. Wir werden nun beobachten müssen, was in Washington und Berlin zugelassen wird. Ansonsten bekenne ich freimütig, dass es mir herzlich gleichgültig ist, welche Verhältnisse in der Türkei herrschen. Genauso, wie es mir egal ist, ob in Afghanistan oder sonstwo auf der Welt “Demokratie” herrscht. Ich erachte es nicht als unsere Aufgabe, alle Welt belehren oder besser zwingen zu wollen, nach unseren Vorstellungen selig zu werden und unsere “Werte” zu übernehmen, die wir selbst bereits großflächig verraten haben. In jedem Fall müssen die deutschen Soldaten sofort aus der Türkei abgezogen werden.

 


Auch die Vorgänge des 20. Jahrhunderts waren vielschichtig. So, wie es uns in der Schule gelehrt wird, war es nicht. Was haben wir schon darüber erfahren, was das British Empire mit dem Osmanischen Reich gemacht hat? Was heute in der Türkei abläuft, darf getrost als Spätfolge des Überfalls der Briten auf das Osmanische Reich gesehen werden ebenso, wie die Zustände im Iran, dessen demokratische Entwicklung von den Briten und der CIA jäh gestoppt worden ist. Wer das Buch “England, die Deutschen, die Juden und das 20. Jahrhundert” gelesen hat wird verstehen, dass auch der Ärger mit Erdogan und die Zustände im gesamten Nahen Osten letztlich in den perfiden Strategien des British Empire begründet sind. Im Buchhandel oder direkt vom Verlag hier.

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