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Die USA verhandeln mit Nordkorea, Iran und Russland – Versailles lässt grüßen!

Von Peter Haisenko 

Die Verhandlungsmethode à la Versailles verfährt nach dem hinterlistigen Prinzip: Hoffnungen auf ehrliche und für alle Seiten fruchtbare Ergebnisse zu wecken, auf diese Weise den Gegner zu einseitiger Abrüstung zu verführen, um dann dem Wehrlosen ein vernichtendes Diktat aufzuzwingen. Wer also wirklich Frieden will und bereit ist, in Vorleistung zu gehen, läuft Gefahr, am Ende über den Tisch gezogen zu werden. Nach diesem Prinzip verfahren die USA jetzt wieder, indem sie von Nordkorea den einseitigen Abbau von Nuklearkapazitäten verlangen – ohne verbindliche Zusage irgendeiner Gegenleistung.

Mit dem Tauwetter zwischen den Koreas zur Olympiade schien der Weg offen für eine friedliche Verständigung. Die diplomatischen Kanäle glühten und Kim Jong-un ist dem Süden und den USA in großen Schritten entgegengekommen. Der Norden ist in Vorleistung gegangen, um seinen Friedenswillen zu demonstrieren. Die Belohnung dafür ist, dass nun neue Forderungen erhoben werden und die USA zusätzlich ein großes Manöver mit Südkorea abhalten. Zu Recht ist Kim abgeschreckt und stellt das Treffen mit Trump infrage. Richtig stellt er fest, dass er nicht so dumm sein wird wie Gaddafi – oder eben das Deutsche Reich am Ende des Ersten Weltkriegs. Auch der Umgang Trumps mit dem Iran gibt diesbezüglich ein schlechtes Beispiel.

Das Verhalten der USA ist abschreckend für jeden Vertragspartner

Der Iran und Nordkorea leiden schwer unter Sanktionen. Kuba sollte nicht vergessen werden. Weder der Iran noch Nordkorea oder Kuba haben irgendjemanden angegriffen oder gar bedroht. Diese Länder wollen ganz einfach nach ihren eigenen Regeln leben und es steht niemandem zu, ihnen eine andere Lebensart aufzuzwingen. Genau das aber ist das Ziel der US-Politik. Sie will nicht zulassen, dass es Gesellschaftsmodelle gibt, die sich nicht ihrer (Wirtschafts-)Dominanz unterwerfen.

In ungeheuerlicher Arroganz wollen sie diese Länder mit Sanktionen „erziehen“, wie Eltern ihre dummen, uneinsichtigen Kinder. Betrachtet man dazu den Zustand der USA selbst, ist schon lange nicht mehr erkennbar, wie dieses System Vorbild für ein anderes Land sein könnte. Ist es also nicht eher die Angst in Washington, dass sich andere Systeme als vorteilhafter für die Entwicklung erweisen könnten, die sie zu dieser oberlehrerhaft dominanten Haltung zwingen? Man betrachte hierzu die (wirtschaftliche) Entwicklung in China und Russland, die in einem System nach rein westlichem Vorbild unmöglich gewesen wäre. Oder anders herum das Debakel mit dem Berliner Flughafen im Kontrast zum Bau der Brücke zwischen der Krim und dem russischen Festland, die ein halbes Jahr eher fertig geworden ist, als geplant.

Der Umgang der USA mit einmal verhängten Sanktionen ist abschreckend für jeden Verhandlungspartner. Nicht nur, dass diese meist einseitig, eigenmächtig verhängt worden sind, ohne UN-Mandat und ohne eine wirklich nachvollziehbare Begründung, werden sie auch nach erfolgreichen Verhandlungen nicht wirklich aufgehoben. Bereits bevor Trump das Atomabkommen mit Iran gekündigt hat, war der Iran immer noch schmerzhaften Sanktionen unterworfen. Auch mit Russland wird nicht anders verfahren. Mit immer mehr an den Haaren herbeigezogenen Begründungen werden die Sanktionen immer wieder verlängert und sogar erweitert. Wie glaubwürdig können da Aussagen sein, dass man einen offenen Dialog mit Russland auf Augenhöhe wünscht?

Drohungen, Dominanzverhalten und leere Versprechungen

Betrachten wir dazu den Umgang Russlands mit Sanktionen, zum Beispiel gegen die Türkei, nach dem ungerechtfertigten Abschuss einer russischen SU-24. Nachdem sich die Türkei entschuldigt hatte, hat Moskau seine Strafsanktionen bereits am nächsten Tag vollständig aufgehoben. Russland und die Türkei agieren wieder auf Augenhöhe miteinander. Das ist ehrliche Politik, die Frieden sucht, ohne zu dominieren.

Ehrliche offene Verhandlungen kann es nur geben, wenn beide Seiten aufeinander zugehen. Der erste Schritt müsste also sein, dass vor Beginn von Verhandlungen sämtliche Sanktionen ausgesetzt werden. Selbst die Drohung vor und während der Verhandlungen, die Sanktionen wieder aufzunehmen, ist ein Dominanzverhalten, das dem anderen aufzeigt, wie wenig man zu irgendeinem Entgegenkommen bereit ist. Das Minimum aber wäre, als Verhandlungsziel die vollständige und sofortige Aufhebung aller Sanktionen zu benennen. Das haben die USA noch nie getan. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die USA die zum Feind erklärten Staaten mit leeren Versprechungen zur Aufgabe ihrer Verteidigungsfähigkeit verleiten, um sie dann zu dominieren, zu zerstören. Siehe Libyen und – die meisten haben es schon längst vergessen – das Deutsche Reich in Versailles.

Wilsons „14-Punkte-Plan“ wurde in Versailles völlig ignoriert

Um es kurz zu erläutern: Der US-Präsident Wilson hat in Versailles seinen „14-Punkte-Plan“ als Verhandlungsgrundlage vorgelegt. Dieser Plan war ein Musterbeispiel für einen echten Friedensplan für Europa und Deutschland, das den Krieg nicht mehr, von Anfang an nicht und beständigen Frieden wollte. Deutschland hat sich dadurch verleiten lassen, seine Verteidigungsfähigkeit Stück für Stück aufzugeben. So ist Deutschland in eine Position geraten, sich allen Diktaten der Entente bedingungslos unterwerfen zu müssen, inklusive des erpressten und definitiv falschen Zugeständnisses, die Alleinschuld am Ersten Weltkrieg zu tragen. Von dem wahrhaft humanistischen 14-Punkte-Plan Wilsons hat nicht ein einziger auch nur ansatzweise Eingang in das Ergebnis der Versailler Verträge gefunden und selbst die französische Admiralität kam zu dem Schluss, dass mit diesem Vertrag ein weiterer Krieg binnen zwanzig Jahren unausweichlich sein wird – und sie hatte Recht behalten.

Kim Jong-un hat eine Ausbildung in Europa, in der Schweiz, erhalten. Wir können also davon ausgehen, dass er über den Ablauf und die Folgen der Versailler Verträge Bescheid weiß. Vor allem deswegen, weil in der Schweiz die Geschichte des 20. Jahrhunderts ehrlicher gelehrt wird, als es uns in Deutschland von den Siegern vorgeschrieben worden ist und immer noch wird. Darf man also annehmen, dass dieses abschreckende Beispiel von Siegerjustiz dazu beigetragen hat, dass bei Kim bei den ersten Anzeichen einer ähnlichen Verfahrensweise alle Alarmglocken geschrillt haben?

Imperiale Ansprüche sind den USA wichtiger als Vertragstreue

Nord- und Südkorea haben ihr gemeinsames Ziel bekräftigt, dauerhaften Frieden mit einem Friedensvertrag zu erreichen. Dazu gehört die Denuklearisierung der gesamten Halbinsel und selbstverständlich der Abzug aller amerikanischen Truppen. Erwartungsgemäß widerspricht das den imperialen Ansprüchen der USA und sie wollen ihre Truppen dort weiterhin stationiert sehen. Diese Vorgehensweise entspricht der in Deutschland, wo Russland seine militärische Präsenz vollständig aufgegeben hat, die USA jedoch nicht. Obendrein haben sie ihr Versprechen nicht eingehalten, die NATO nicht weiter in Richtung russische Grenze auszuweiten. Auch das ist Kim bekannt.

Das Ansinnen der USA, weiterhin Truppen in Korea zu halten, hat mindestens zwei Aspekte. Zum einen ist es demonstratives Misstrauen gegenüber dem Norden. Man geht in Washington davon aus, dass andere Staaten genauso vertragsbrüchig sein werden wie sie selbst. Dass es dafür kein einziges Beispiel der jüngeren Geschichte gibt, ficht sie nicht an. So wie jeder notorische Lügner davon ausgeht, dass alle anderen genauso unredlich sind wie er selbst, verfahren die USA auch. Das müssen sie für ihre eigene „Seelenhygiene“, denn ansonsten müssten sie sich selbst eingestehen, dass sie die einzigen sind, auf die kein Verlass ist. Zum anderen ist Korea für die USA von Anfang an enorm wichtig für ihre geopolitische Aufstellung. Sie sitzen mit ihrem Militär direkt an der russischen Ostflanke und im Norden Chinas. Diesen Stützpunkt aufzugeben, der wie ein riesiger unsinkbarer Flugzeugträger ist, würde ihre imperialen Ambitionen erheblich schwächen, wenn es nicht sogar das Ende ihrer Dominanz im Nordostpazifik einläuten würde.

Ehrliche Verhandlungsbereitschaft ist nicht erkennbar

Geschichte wiederholt sich nicht? Vielleicht, aber einmal erfolgreiche Verfahrensweisen werden immer wieder angewandt. So ist das Modell Jugoslawien auch in anderen Staaten fortgeführt worden. Erst mit der Finanzwaffe ein ethnisch instabiles Land in wirtschaftliche Schwierigkeiten bringen, um dann die ethnische Gruppen gegeneinander aufzuhetzen und letztlich den Staat zu zerstören. Im Iran und in Nordkorea geht das nicht so einfach. Nicht nur, weil es in diesen Staaten kaum ethnologische Konflikte gibt. Vielmehr dürfte ausschlaggebend sein, dass es dort keine US-Botschaft gibt, von der aus die US-Agenten ihre subversive Tätigkeit ausüben können. Wie hat es Evo Morales einmal so schön gesagt auf die Frage, warum es in den USA noch nie einen Staatsstreich gegeben hat? Weil es dort keine US-Botschaft gibt! Erinnern wir uns dazu kurz an den Iran 1952. Die demokratisch gewählte Regierung Mossadeq wurde gestürzt, und zwar vom Neffen von FDR (dem ehemaligen US-Präsident) von der amerikanischen Botschaft ausgehend und mit unendlich vielen Dollars finanziert. Der ganze Ärger mit dem Iran ist darauf zurückzuführen und es macht nur traurig, darüber nachzudenken, welch großartige Zukunft dem Land hätte beschert sein können, wenn die USA nicht im Auftrag Englands diese junge Demokratie zerstört hätten. Natürlich ging es wieder einmal um Öl.

Wenn der Norden und Süden Koreas Frieden schließen wollen, haben die Amerikaner dort nichts mehr verloren. Selbstverständlich können sie auch weiterhin einen Schutz für den Süden gegen Angriffe aus dem Norden garantieren. Das geht aber auch, ohne Truppen im Land zu stationieren, denn in Zeiten von Interkontinentalraketen und Langstreckenbombern, wovon die USA nun wirklich reichlich haben, kann Pjöngjang jederzeit atomisiert werden. Es bleibt nun abzuwarten, ob sich Trump seiner Falken erwehren kann und eine endgültige Friedenslösung für Korea zulässt – wenn er selbst es denn wirklich will. Bislang sieht es eher nicht so aus, denn das Vorgehen mit Nordkorea erinnert zu sehr an Versailles und das Deutsche Reich. Kim handelt also rational und richtig, wenn er alles infrage stellt. Es ist einfach unredlich, während laufender Verhandlungen Manöver abzuhalten. Das ist Dominanzgehabe in Reinkultur und signalisiert in keiner Weise ehrliche Verhandlungsbereitschaft auf Augenhöhe. Ich kann Kim und den Menschen in Korea nur wünschen, dass sie das Beispiel von Versailles nie vergessen.

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Kaiser Wilhelm II hat bis zum letzten Tag, ja bis zur letzten Minute, versucht, den großen Krieg zu verhindern. Die Tragik ist, dass er keine Chance hatte, das zu erreichen. Das englische Königshaus und Frankreich wollten diesen Krieg unbedingt. So wurde der Erste Weltkrieg zur Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts mit der Folge, dass sich der kleine Maler Hitler zum Reichskanzler aufschwingen konnte. Für die vielen Millionen Tote der zwei Weltkriege ist folglich keineswegs Deutschland verantwortlich zu machen. Betrachtet man, wie der Erste Weltkrieg von der Entente gnadenlos hergestellt worden ist und vergleicht diese Abläufe mit dem, was jetzt gegen Russland veranstaltet wird, können einem die Parallelen Angst und Bange machen. Wer Frieden will – wie das Deutsche Reich – sollte sich vertraut machen mit dem, was in der offiziell befohlenen Geschichtsschreibung in Deutschland verschwiegen wird. Lesen Sie dazu „England, die Deutschen, die Juden und das 20. Jahrhundert“. Erhältlich im Buchhandel oder direkt zu bestellen beim Verlag hier.

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