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Anti-Russland-Hysterie wegen „Giftgas-Affäre“ – Jubel bei den Kriegstreibern im Westen

Von Hubert von Brunn 

Nun treibt die seit geraumer Zeit von westlichen Politikern und deren willfährigen Medien betriebene Anti-Russland-Hysterie einem neuen Höhepunkt entgegen. Angeführt ausgerechnet von der bei ihrem Volk inzwischen höchst umstrittenen britischen Premierministerin, formiert sich im Westen eine Phalanx, die anscheinend größtes Interesse daran hat, den bösen Putin – wenige Tage vor seiner höchst wahrscheinlichen Wiederwahl – noch böser erscheinen zu lassen und das russische Volk als Verehrer eines Kriegstreibers zu diskreditieren. Auslöser der Affäre ist der angebliche Giftgas-„Angriff“ auf den Ex-Doppelagenten Sergej Skripal und dessen Tochter in der englischen Kleinstadt Salisbury.

Bei dem Anschlag soll der in der ehemaligen Sowjetunion hergestellte, extrem gefährliche Nervenkampfstoff „Novichok“ eingesetzt worden sein und selbstverständlich handelte es sich bei dem oder den Tätern um Russen. Das jedenfalls behaupten Theresa May und die mit den Ermittlungen befassten britischen Behörden. Beweise: Keine! Unmittelbar nach Bekanntwerden des Vorfalls hat der russische Außenminister Sergej Lawrow bei der britischen Regierung offiziell Zugang zu dem Gift und den Ermittlungsergebnissen verlangt. Das lehnten die Briten rundweg ab. Warum? – Und wenn sie schon den Russen nicht trauen, warum haben sie dann nicht sofort von sich aus eine internationale, unabhängige Expertenkommission eingeladen, die den Einsatz von „Novichok“ hätten bestätigen können – oder auch nicht – und so wenigstens an der Stelle Klarheit in die Spekulationen gebracht hätten? Aber das wollte man auf der Insel offensichtlich auch nicht.

Man muss Putin nicht lieben, aber ein Idiot ist er nicht

Boris Johnson, der mit seinen Lügen dazu beigetragen hat, dass die Briten für den Brexit votiert haben und derweil den stets leicht verwirrten Außenminister geben darf, behauptet cool und ohne mit der Wimper zu zucken: Putin war’s. Er hat höchstpersönlich den Auftrag erteilt. Jeder, der mit etwas mehr Gehirnzellen ausgestattet ist als Mr. Johnson, stellt sich allerdings die nüchterne Frage: Was um alles in der Welt sollte Putin dazu veranlassen, einen Mordanschlag auf den in Rente befindlichen Ex-Spion Skripal zu befehlen? Noch dazu auf eine Art und Weise, die natürlich sofort Rückschlüsse auf russische Beteiligung und letztlich auch auf ihn persönlich provoziert. Man muss Putin nicht lieben und mag auch manches an seiner Politik kritisieren, aber eines ist sicher: Ein Idiot ist er nicht und ein viel zu guter Schachspieler, als dass er sich eine solche Blöße geben würde. Warum sollte er mit einer derart dubiosen Affäre aus dem Agenten-Milieu nachhaltige Verstimmung mit den USA, der EU und er NATO heraufbeschwören?

Spione leben gefährlich, das wissen nicht nur James-Bond-Fans. Doppelagenten leben doppelt gefährlich. Da kann es schon sein, dass man nach einem langen Agentenleben (selten genug) doch noch die eine oder andere Leiche im Keller hat, die nun vielleicht ein ehemaliger Gegner, von welcher Seite auch immer, beseitigen will. Warum also muss der mutmaßliche Angreifer zwingend ein Russe gewesen sein? Könnte er nicht auch von der anderen Seite kommen? Und welchen Pass hat Herr Skripal eigentlich derzeit in der Tasche? Einen russischen, einen britischen, einen anderen, gar keinen? – Man weiß es nicht. Und das macht, wenn man von „Angriff“ auf Groß Britannien spricht, ja schon einen Unterschied. Ich kann mir nicht vorstellen, dass bisher noch kein britischer Journalist diese Frage gestellt hat. Eine Antwort darauf hat es allerdings noch nicht gegeben.

Mehr Munition im rhetorischen Köcher von NATO-Kriegstreiber Stoltenberg

Wieder einmal ärgerlich, dass die unpräzise englische Sprache nicht unterscheidet zwischen „Anschlag“ und „Angriff“ und es mit dem Sammelbegriff „attack“ bewenden lässt. Im Deutschen sieht das anders aus. Hier ist „Angriff“ klar ein kriegerischer Terminus, der im vorliegenden Fall von manchen Medien vorzugsweise benutzt wird. Dort schwingt Krieg als ultima ratio auf jeden Fall mit und wer Herrn Stoltenberg, den Oberkriegstreiber der NATO, zu dem Giftanschlag gehört und gesehen hat, wird eine latente Freude bei ihm festgestellt haben, dass er jetzt noch mehr Munition im rhetorischen Köcher hat, um noch mehr NATO-Truppen in Osteuropa um Russland herum zusammenzuziehen. Beim nächsten NATO-Gipfel im Juli soll darüber beraten werden und man muss kein Prophet sein um vorherzusagen, dass dann eine Ausweitung der NATO-Präsenz an den Ostgrenzen des Bündnisses beschlossen wird. Die Kriegstreiber – da lehne ich mich ohne weiteres aus dem Fenster – sitzen nicht in Moskau, sondern in Brüssel, Paris, Berlin und Washington, die diesen Expansionsdrang der NATO unterstützen. Die USA, Frankreich und Deutschland stellen sich in einer gemeinsamen Erklärung hinter die Einschätzung der Briten, dass Russland „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ die Verantwortung für den Anschlag in Salisbury trage. Eine andere plausible Erklärung gebe es nicht, betonten May, Trump, Macron und natürlich Merkel. Eine unheilige Allianz, die Anlass zur Sorge gibt.

Von rechtsstaatlicher Vorgehensweise keine Spur

Fragen wir an der Stelle doch einmal nach den bei jeder Gelegenheit zitierten „westlichen Werten“, deren Verteidigung sich gerade diese vier Staaten ganz oben auf ihre Fahne geschrieben haben. Alle vier reklamieren für sich, wahre Demokratien zu sein und werden nicht müde zu betonen – etwa in der Auseinandersetzung mit Erdogan – dass die Rechtsstaatlichkeit ein wesentliches und nicht zu hinterfragendes Element einer jeglichen Demokratie sei. Wohlan! Rechtsstaatliches Vorgehen erfordert, dass als allererstes stichhaltige Beweise gesammelt werden müssen, die einen möglicherweise vorhandenen Ursprungsverdacht erhärten. Lassen sich diese Beweise einem bestimmten Täter zuordnen, kann Anklage erhoben werden. Dann hat der Beschuldigte das Recht, vor einem unabhängigen Gericht Stellung zu beziehen und seine Unschuld zu beweisen. Erst wenn er das nicht kann, wenn die Beweise gegen ihn erdrückend sind und das Gericht keinen Zweifel mehr hat, dass der Beschuldigte auch der Täter ist, erst dann darf ein Urteil gefällt werden. – An welcher Stelle hat in dieser „Giftgas-Affäre“ eine rechtsstaatliche Vorgehensweise stattgefunden? Hier wurde von vorn herein behauptet: Es waren die Russen und wenn sie sagen, sie seien es nicht gewesen, ist das eine glatte Lüge. Geht so Rechtsstaat?

Britische Arroganz und verlorene Träume

Werfen wir in dem Kontext doch auch noch mal einen Blick auf die Insel. Theresa May ist in arger Bedrängnis und zutiefst gestresst. Längst ist die Stimmung im Land gekippt und gäbe es morgen einen neuen Volksentscheid, der Brexit wäre perdu, vorbei, Ende. Die Briten haben inzwischen erkannt, dass sie Demagogen wie Boris Johnson aufgesessen sind und ihnen die Trennung von Europa erheblich mehr Nachteile als Vorteile bescheren wird. Frau May indes versteht sich als „Iron Lady II“ und will die Nummer auf Biegen und Brechen durchziehen. Und was macht ein machtbesessener Politiker, dem zusehends der Boden unter den Füßen weggezogen wird? Er versucht, außenpolitisch zu punkten, um mit irgendwelchen „Erfolgen“ draußen den Nationalstolz daheim im Volk zu wecken und damit quasi auf Umwegen wieder Sympathien zu gewinnen. Caesar hat das auch gemacht und es gibt in der Geschichte unzählige Beispiele für dieses taktische Spiel. Am Ende hat es nie funktioniert und wer auf diese Karte gesetzt hat, hat verloren. Das wird Frau May auch passieren.

Was mir bei meiner Insel-Schau in diesem Zusammenhang noch auffällt, ist der Niedergang der guten Manieren, auf deren Einhaltung die Briten angeblich doch so großen Wert legen. Den durchgeknallten Johnson, der mitunter daher kommt, als habe er einen Joint zu viel zu sich genommen, hatten wir schon. Nun gibt es da aber auch noch einen Verteidigungsminister namens Gavin Williamson. Auf die Frage eines Journalisten nach möglichen russischen Vergeltungsmaßnahmen auf die vom Westen angedrohten Sanktionen sagte er: „Die Russen sollen weggehen und das Maul halten“. Ist das die Sprache, derer man sich befleißigt, wenn man als hoher Funktionsträger der britischen Regierung um ehrliche Aufklärung bemüht ist? Wenn man will, dass die Wahrheit ans Licht kommt, dass Missverständnisse beseitigt werden und eine konstruktive Zusammenarbeit in Zukunft möglich ist?
Nein, das ist die abgeschmackte Sprache eines arroganten Briten, der womöglich noch immer den von seinem Urgroßvater übernommenen Traum des „British Empire“ träumt, in seinem tiefsten Innern aber weiß, dass das Vereinigte Königreich nach Vollendung des Brexit von gar nichts mehr träumen kann. Jedenfalls von nichts Großem mehr.

Diplomatisches Schaulaufen vergiftet die Atmosphäre

In dieser „Giftgas-Affäre“ bekundet Präsident Trump noch Solidarität, weil es eben gegen Russland geht. Hier steht ja auch noch die angebliche russische Einflussnahme auf die US-Präsidentschaftswahlen im Raum. In diesem Zusammenhang hat die US-Regierung jetzt Sanktionen gegen russische Einzelpersonen und Organisationen verhängt. Prompt drohten die Russen mit Vergeltungsmaßnahmen. Das ist genauso wenig zielführend wie das von den Briten eröffnete Diplomaten-Pingpong mit Russland: Die jeweiligen Botschafter werden einbestellt; 23 russische Diplomaten müssen die Insel verlassen, also wirft Moskau auch 23 britische Diplomaten raus; mit Außenminister Lawrow will man nicht reden, also wird er wieder ausgeladen. Und dann noch die ganz furchtbare Drohung, bei der Fußball-WM in Russland werde kein Mitglied der Royals, kein Regierungsvertreter, kein Funktionär in einem Stadion zu sehen sein. Das wird Putin sicherlich ganz hart treffen.

Mit diplomatischem Schaulaufen und verbalen Muskelspielen lassen sich keine Konflikte lösen, aber sie können die Atmosphäre vergiften. Genau darauf arbeitet der Westen im Umgang mit Russland seit geraumer Zeit hin: Beschuldigungen allenthalben – keine stichhaltigen Beweise – keine Gesprächsbereitschaft – Provokationen. Und wenn Putin irgendwann auf diese Politik der Nadelstiche reagiert, sich nicht alles gefallen lässt, kommt der große Aufschrei: Seht hin, die bösen Russen. Wir müssen uns vor ihnen schützen. Und in der vorliegenden „Giftgas-Affäre“ wird sogar noch eins draufgesetzt, indem behauptet wird: Jetzt greifen sie ein europäisches Land sogar schon mit Giftgas an.

Diese Sache wird irgendwann irgendwie ausgestanden sein, davon ist auszugehen. Ob allerdings jemals die Wahrheit ans Licht kommt, ist mehr als fraglich. Das Verhalten der Briten und ihrer Verbündeten spricht nicht dafür. Sicher hingegen ist, dass die USA und andere Großmächte „Little Britain“ nur noch als Randerscheinung betrachten werden, wenn der Brexit vollzogen ist. Wozu soll diese mickrige Insel im Nordatlantik dann noch taugen? – Nein, Frau May, Sie haben jetzt schon abgewirtschaftet und dieses Russen-Scharmützel wird Ihnen nicht helfen, Ihre angeschlagene Position zu festigen. Putin indes wird die Wahl gewinnen, weiterhin ein starker und geachteter Präsident sein und der Welt zeigen, dass Russland eben doch mehr ist, als die von Obama verspottete „Regionalmacht“.

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