------------------------------------

---------------------------------------

-------------------------------------

-------------------------------------

Reflexionen zur sogenannten Münchner „Sicherheitskonferenz“ 2017

Von Wolfgang Effenberger

Für die 500 Gäste der Münchner Sicherheitskonferenz (17. Bis 19. Februar 2017) drehte sich nach den unterschiedlichen Signalen der neuen US-Regierung alles um eine Frage: Wie zuverlässig stellen sich die USA für EU und NATO dar. Bereits am Freitag hatte der einflussreiche republikanische Falke, Senator John McCain, den Europäern versichert, dass die USA weiter an ihrer Seite stehen. Die herzlichen Grüße von US-Präsident Trump übermittelnd, äußerte sich dann am Samstag auch US-Vizepräsident Mike Pence und betonte die starken Bande zu Europa.

Zugleich erinnerte der Vizepräsident an die Nato-interne Vereinbarung, dass die Mitgliedsländer zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für die Verteidigung ausgeben. „Der Präsident erwartet, dass diese Länder Wort halten“. Hier machte Merkel deutlich, dass sie keine „kleinliche Diskussion“ über Militärausgaben will.(1) So wird sich nun der deutsche Rüstungsetat fast verdoppeln.

Senator Lindsey Graham, der neben McCain zuletzt zu den deutlichsten Kritikern Trumps unter den Republikanern zählt, wurde dann am Sonntag auf dem Podium sehr deutlich: „Wir müssen sicherstellen, dass die Russen sich nicht auch noch in Deutschland [hier meinte Graham wohl die kommende Bundestagswahl im Herbst 2017, W.E.] einmischen. 2017 ist das Jahr, wo wir Russland richtig in den Hintern treten müssen.“(2) Weiter will Senator Graham US-Präsident Trump zu weiteren Sanktionen gegenüber Russland bewegen. An den Aussagen von McCain und Graham wird deutlich, wie zerrissen die Republikaner sind und dass die Welt mit derartigen Kriegstreibern wohl kaum sicherer wird.

Szenario eines neuen Kalten Krieges

Vor diesem Hintergrund erinnerte Russlands Außenminister Sergej Lawrow an die Kernbotschaft der Rede, die der russische Präsident Wladimir Putin 2007 vor dieser Konferenz gehalten hatte: Den unilateralen Zielen in der Außen- und Wirtschaftspolitik müsse abgeschworen und eine Zusammenarbeit auf Grundlage des Völkerrechts angestrebt werden. Leider hätten diese Hoffnungen kein Gehör gefunden, und jetzt erlebten wir ein historisches Zeitalter, bei dem wir vom Szenario eines neuen Kalten Krieges sprächen.(3) Die wirtschaftliche und politische Globalisierung führt nach Lawrow dazu, dass eine Art Elite-Club die Welt regiert. Es müsse eine gerechtere demokratische Weltordnung geschaffen werden, bei der die Souveränität der Staaten wieder gewährleistet ist und das Völkerrecht Beachtung findet.
Auch sei ein gemeinsames Eurasien – ein Raum mit guten nachbarschaftlichen Beziehungen zum Wohle unserer Völker – zu schaffen: „Wir brauchen enge Beziehungen zwischen Russland, den USA und der EU. … Deswegen wollen wir im Rahmen der GUS, der Eurasischen Union, der CSTO [Bündnis zwischen Russland, Weißrussland, Tadschikistan, Kirgistan, Kasachtan und Armenien; Beobachterstatus: Afghanistan und Serbien, W.E.], des Schanghai-Abkommens und der BRICS-Staaten zusammenarbeiten. Wir sind stolz darauf, einen Kontinent mit Europa zu bilden, und wir haben ja auch eine gemeinsame Erfolgsgeschichte hinter uns“(4).

Lisa Fitz: „Frieden ist nicht selbstverständlich“

Abschließend sprach Lawrow das Übermaß an globalen Bedrohungen an: Drogenhandel, Afghanistan, Libyen, den blutigen Krieg in Syrien und in anderen Ländern. Er sprach die Hoffnung aus, dass die Münchner Sicherheitskonferenz Gelegenheit geben wird, diese sowie die innereuropäischen Konflikte zu besprechen. Für Lawrow können die Probleme eindeutig nicht mit militärischen Mitteln gelöst werden. Doch seine Hoffnung erfüllte sich bei der Konferenz im Tagungshotel Bayerischer Hof nicht. Sein Vorschlag wurde dort nicht einmal thematisiert.

Dafür aber außerhalb: Tausende protestierten am Samstag in der Münchner Innenstadt gegen die Sicherheitskonferenz und gegen die NATO. Vom zentral gelegenen Karlstor aus umzingelten die Demonstranten die das Tagungshotel umgebenden Straßen. In einer großartigen Rede ging die bekannte Kabarettistin Lisa Fitz auf die Kriegspolitik ein. „Frieden ist nicht selbstverständlich“, sagte sie. Dies liege auch daran, dass viele Konzerne, Gruppen und Menschen von dem „Billiardengeschäft Krieg“ profitieren würden.(5)

Sie fragte nach den Hintergründen des Syrienkonflikts und verwies auf die von US-General Wesley Clark am 2. März 2007 öffentlich gemachte Liste des US-Verteidigungsministeriums von sieben zu zerstörenden Ländern (Irak, Libyen, Syrien, Libanon, Somalia, Sudan und Iran). Diese Länder waren nach 9/11 in den Focus des Pentagon geraten. Bis auf den Iran wurde bis jetzt alles befehlsgemäß umgesetzt.

Angeblich wird gegen den IS gekämpft. Aber schon im August 2012 hat der Geheimdienst „Defence Intelligence Agency“ – Chef war damals General Michael Flynn – in einem Dokument festgehalten: „Die Salafisten, die Muslimbrüderschaft und al-Kaida im Irak (AQI) so wurde damals der spätere IS genannt – sind die Hauptkräfte, die den Aufstand in Syrien anführen“ – also keine syrische Opposition!

General Flynn, der die Unterstützung dieser radikalen sunnitischen Kräfte durch die CIA kritisiert hatte und daraufhin als Chef der „Defence Intelligence Agency“ entlassen wurde, hat selbst gesagt: „Der Aufstieg des IS war eine absichtsvolle Entscheidung der US-Regierung“. All das wurde von Lisa Fitz im Zusammenhang mit dem Syrienkrieg zitiert. Dann fragte sie: „Was wissen wir über den Ukrainekonflikt?

Hier wurde der Regime-Change mit 5 Milliarden US-Dollar erkauft. Sie erinnern sich an Frau Nuland? Die sagte damals „Fuck the EU“! Ziel war es, die Ukraine in die EU und damit in die NATO zu führen. Das versuchte seit 2006 der ehemalige US-Verteidigungsminister Robert Gates (unter Bush und Obama) zu verhindern. Für ihn ist dieser Versuch eine „monumentale Provokation" Russlands“.

Trotz der permanenten offiziellen Beteuerungen, man wolle für Frieden und Demokratie sorgen, laufen die Vorbereitungen zu diesem Krieg seit 2014 auf Hochtouren. 150 Kilometer südlich vom ehemaligen Leningrad/ heute Petersburg stehen inzwischen Panzer der NATO.

Anfang Januar 2017 wurde weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit eine US-Panzerbrigade in Bremerhaven ausgeladen und an die „Ostflanke“ in Marsch gesetzt.(7)

Den Kriegsprofiteuren die Rote Karte zeigen

In unseren Medien wird die Gefahr verharmlost und ausschließlich Putin für die Spannungen verantwortlich gemacht. Von Manövern und Truppenbewegungen erfahren wir kaum etwas.

Zum Schluss ihrer Rede rief Lisa Fitz dazu auf, den Kriegsprofiteuren und ihren Handlangern die Rote Karte zu zeigen, sich nicht auf Politiker und Medien zu verlassen und sich über die Hintergründe selbständig zu informieren. „1Gramm Information wiegt mehr als 50 Tonnen Meinungen.“ – Das hätte man ja eigentlich von den Teilnehmern der SIKO erwarten können.

Was thematisierte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen? Es dürfe in der NATO keinen Platz für Folter geben. Hier muss man ihr ja unwidersprochen recht geben. Doch diese Forderung richtete sich ausschließlich an Donald Trump. Bezüglich der Drohnenmorde von Obama und der Folterpraxis in Guantanamo hielt sich Frau von der Leyen dezent zurück. Nach 9/11 betrieb die CIA in Polen ein Geheim-Gefängnis, in dem illegal internierte Häftlinge gefoltert wurden, und Deutschland gewährte den CIA-Flugzeugen Überflug- und Landerechte – war also Helfershelfer.(7)

Eine weitere Anspielung gegen Trump: Der Westen solle keinen Kampf gegen Islam und Muslime führen. Auch hier hat Frau von der Leyen zwar in der Sache recht, verhärtet aber nur die Front gegen Trump. Zwei Tage vor Leyens Ausrutschern hatte Trump in einer beachtlichen Pressekonferenz an die zehnmal wiederholt: „I want to get along with Russia“(8) und betont, dass zwei Atommächte miteinander auskommen sollten. Trump versuchte während der gesamten Pressekonferenz zu erklären, dass es seiner Ansicht nach möglich ist, mit Russland zurecht zu kommen – und das sei doch eine POSITIVE Nachricht. Alles andere würde Krieg bedeuten! Nichts davon auf der „Kriegskonferenz“! Die Presse jenseits des Atlantiks und hier bekämpft Trump voller Hass und fördert damit die Kriegshetze. Trump wird angegriffen, weil er nicht mitmacht. Wir dürfen dieser abgründigen Kriegspropaganda nicht glauben!

BILD ist natürlich wieder in vorderster Reihe: Der 36-jährige Bildjournalist Julian Reichelt verstieg sich, die neue US-Regierung in die Nähe eines „Regimes“ zu rücken. Ist das Dummheit oder Anmaßung?

Zu dieser arroganten Kritik kam Reichelt auf der „Social Couch“, wo er während der Konferenz mit wichtigen Gästen, Prominenten und hochrangigen Politikern – alles natürlich anonym – sprach: „Zum ersten Mal hatten die Mitglieder der US-Regierung in München Redeverbot … niemand durfte Fragen beantworten oder auch nur eine Silbe mehr sagen als mit dem Weißen Haus abgestimmt,“ berichtet er.

Solche Schweigsamkeit kenne man sonst nur aus Diktaturen. „Den Grund dafür verrieten einige Amerikaner – wieder anonym – im furchtvollen Flüsterton von Hochverrätern: In Washington weiß man, dass selbst Trumps Minister Fragen zu ihrem Präsidenten entweder freundlich oder ehrlich beantworten können, nicht aber beides.“(9)

Bilder durch Anklicken vergrößern

Zu Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz, am 17. Februar 2017, twitterte US-Präsident Donald Trump: „Die Fake-News (NY Times, NBC, ABC, CBS und CNN) sind nicht meine Feinde, sondern Feinde des amerikanischen Volkes.“ Sie sind aber die Freunde des „progressiven Neoliberalismus“, den Trump bekämpft und den seine Wähler instinktiv ablehnen. „In seiner US-amerikanischen Form ist der progressive Neoliberalismus eine Allianz zwischen einerseits tonangebenden Strömungen der neuen sozialen Bewegungen (Feminismus, Antirassismus, Multikulturalismus sowie den Verfechtern von LGBTQ –Rechten(10),) und andererseits kommerziellen, oft dienstleistungsbasierten Sektoren von hohem Symbolgehalt (Wall Street, Silicon Valley und Hollywood).“(11)

Es geht also nicht allein um eine Revolte gegen das globale Finanzwesen.

Am 16. Februar, also einen Tag vor Konferenzbeginn, hatte Trump auf seiner Pressekonferenz die Worte „…. will kill me ….“ fallen lassen. Bis jetzt wurde jeder prominente Politiker, der den Weltfrieden anstrebte, unschädlich gemacht.

Eine Kugel für John F. Kennedy, eine für seinen Bruder Robert und eine für Olof Palme, der ebenso mit Russland Frieden wollte. Und nun steht Trump unter Beschuss. Es ist durchaus möglich, dass Donald Trump zum Frühlingsbeginn nicht mehr im Amt ist – das Putschpotential ist immens. Dann könnten die USA vollends ins Chaos geraten.

Zur Sicherung der globalen Zukunft ist die privat organisierte Münchner Sicherheitskonferenz also völlig ungeeignet. Sie dient vor allem den zerstörerischen Aktivitäten einer unersättlichen Finanz- und Spekulationselite und ihrer medialen Erfüllungsgehilfen.

Anmerkungen

1) https://www.welt.de/newsticker/news1/article162186799/Merkel-will-keine-kleinliche-Diskussion-ueber-Militaerausgaben.html
2)http://www.bild.de/politik/inland/muenchner-sicherheitskonferenz/russland-aussenminister-lawrow-auf-muenchener-sicherheitskonferenz-50493950.bild.html
3) Lawrow auf Sicherheitskonferenz: Zeit ist reif für neue Weltordnung zum Wohle aller https://deutsch.rt.com/international/46670-lawrow-zeit-neue-weltordnung-eu-usa-sicherheitskonferenz/
4) Ebenda
5) Kabarettistin Lisa Fitz entlarvt die „Münchener Sicherheitskonferenz“ https://www.youtube.com/watch?v=M7DPoLw0m7Y 

6) Vergl. dazu ZDF: Die Anstalt vom 7. Februar 2017 ab Minute 31, Verstärkung der NATO-Ostflanke
7) Klaus Brill, John Goetz und Frederik Obermaier: CIA-Folter in Polen Im Wald des Schreckens vom 7. Februar 2013
http://www.sueddeutsche.de/politik/cia-folter-in-polen-im-wald-des-schreckens-1.1593451

8) Trump Full Press Conference (2/16/17) | ABC News https://www.youtube.com/watch?v=W5FRUM-AK9k 9) http://www.bild.de/politik/inland/bild-kommentar/analyse-julian-reichelt-zur-muenchner-sicherheitskonferenz-50508262.bild.html
10) Lesbian, Gay, Bisexual und Transgender
11) Nancy Fraser: Für eine neue Linke oder: Das Ende des progressiven Neoliberalismus | Blätter für deutsche und internationale Politik unter www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2017/februar/fuer-eine-neue-linke-oder-das-ende-des-progressiven-neoliberalismus

Nach oben