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Emmanuel Macron – eine Lichtgestalt im Sinkflug

Von Hubert von Brunn

Vor drei Monaten haben die Franzosen einen neuen Präsidenten gewählt: Emmanuel Macron, von den Medien hochgejubelt als neue Lichtgestalt im politischen Olymp. Nach Jahrzehnten der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stagnation und der zunehmenden Bedeutungslosigkeit unter schwachen Figuren wie Sarcozy und Hollande flammte bei vielen Franzosen euphorisierende Hoffnung auf, mit dem neu gewählten Präsidenten wieder zu dem zu werden, was ihrem Selbstverständnis entspricht: La Grande Nation. Macron ist ganz nach ihrem Geschmack: Jung, dynamisch, gut aussehend, selbstsicher, ideenreich, energisch… Aber Vorsicht! Mit vermeintlichen Heilsbringern ist das so eine Sache – die Fallhöhe ist sehr hoch.

Diesen schmerzhaften Aspekt politischer Realität durfte hierzulande der wahlkämpfende 100-Prozent-Mann der SPD, Martin Schulz, bereits zur Kenntnis nehmen: Seine Umfragewerte befinden sich auf rasanter Talfahrt und auch „Jupiter“, wie Macron inzwischen von französischen Medien nicht frei von Ironie genannt wird, muss zur Kenntnis nehmen, dass sein Beliebtheitswert deutlich geschmolzen ist. Nur noch 36 Prozent seiner Landsleute haben ihn bei einer Umfrage vor einigen Tagen als „gut“ befunden – vor wenigen Wochen waren es noch 45 Prozent. Gleichzeitig nahm der Anteil der Kritiker zu: Von 36 auf 49 Prozent. Bei genauerem Hinsehen sind jedoch signifikante Unterschiede zwischen Schulz und Macron festzustellen. Der EU-Martin führt einen hilflosen Wahlkampf ohne überzeugendes Konzept und Themen, mit denen er die Massen elektrisieren und für sich als Kanzler gewinnen könnte. Deshalb sind seine Werte auf der Beliebtheitsskala noch erheblich schlechter, als die von Macron.

Der angekündigte Sparkurs findet wenig Gegenliebe

Der macht immerhin seit drei Monaten seine Arbeit als französischer Staatspräsident und hat eine ganze Reihe der im Wahlkampf angekündigten Reformpläne bereits auf den Weg gebracht. Er macht Ernst mit seinem Sparkurs und verfolgt das übergeordnete Ziel, die staatliche Neuverschuldung auf drei Prozent der Wirtschaftsleistung zu beschränken. Das bedeutet Kürzungen im Staatshaushalt in diesem Jahr in Höhe von vier Milliarden Euro. Das gefällt den Franzosen, die davon betroffen sind, natürlich überhaupt nicht. Kernstück seiner Reformpolitik ist die Lockerung des starren französischen Arbeitsrechts. Auch das ruft gewiss nicht bei allen Begeisterungsstürme hervor – schon gar nicht bei den Gewerkschaften. Zwar haben beide Parlamentskammern Macron grünes Licht gegeben, die angestrebte Reform des Arbeitsrechts per Dekret durchzuziehen, doch diese präsidiale Möglichkeit hat er bis jetzt abgelehnt. Er zieht es vor – so wird aus dem Elysée-Palast verlautet –, den Konsens mit den Gewerkschaften zu suchen. Vielleicht gelingt ihm das. Bisher hat jedenfalls nur die den Kommunisten nahestehende CGT für den 12. September zu landesweiten Demonstrationen aufgerufen.

Über viele Jahre haben die Franzosen – ihrer Mentalität gemäß – eine Sozialpolitik des „Laissez faire“ betrieben. Das will Macron ändern. Er hat den Anspruch, dass Frankreich als Wirtschaftsnation über kurz oder lang auf Augenhöhe mit Deutschland agiert und um das zu erreichen, muss er seine Hausaufgaben machen. Das, was er sich vorgenommen hat, ist eine wahre Herkules-Aufgabe: Seinen im Wahlkampf und unmittelbar nach den gewonnenen Wahlen propagierten Kurs durchziehen, im Volk und bei den Medien für seine Ziele werben und gleichzeitig sich eher feindlich gegenüberstehende Gruppierungen und Interessengruppen in die Gesellschaft integrieren.
Ich persönlich wünsche ihm, dass ihm das gelingt, denn das, was er mit seiner „En Marche“-Bewegung in kürzester Zeit auf die Beine gestellt hat, verdient durchaus Bewunderung, zumindest Respekt.

Wird Frankreich einen „heißen Herbst“ erleben?

Auch für Deutschland wäre es gut, wenn da einmal eine charismatische Persönlichkeit aus der jüngeren Generation aufstünde. Eine, die ein klares und mutiges Konzept für Veränderung vorlegte, um die verkrusteten Strukturen der seit Jahrzehnten agierenden Politsaurier aufzubrechen und den Weg ebnete für neue, vielleicht revolutionäre Wege des gesellschaftlichen Miteinanders. Der 100-Prozent-Martin ist es garantiert nicht und weit und breit ist in unserem Land niemand zu sehen, der dem genannten Anspruch gerecht werden könnte.
Inwieweit Monsieur Macron in der Lage ist, über den Tellerrand des politischen Alltagsgeschäfts hinauszublicken, vermag ich nicht zu beurteilen. Er wird sich an seinen Taten messen lassen müssen. Die jetzt registrierten Einbußen in seiner Beliebtheitsskala sind erst einmal nicht verwunderlich, eher normal. Auch Donald Trump hat ein knappes halbes Jahr nach Amtsübernahme geringere Zustimmungswerte als kurz vor der Wahl. Es jedem recht zu machen, ist unmöglich. Das gilt im Kleinen wie in der großen Politik.

Macron ist zu wünschen, dass er die Bodenhaftung nicht verliert und nicht – Ikarus gleich – versucht, der Sonne zu nahe zu kommen. Der Absturz wäre programmiert. Zumal die Franzosen – anders als etwa die Briten, die gern stundenlange Debatten führen – gar nicht lange fackeln und ihren Unmut über vermeintliches oder tatsächliches politisches Versagen unmittelbar auf der Straße austragen. Sollte Macron der angestrebte Kompromiss (s.o.) nicht gelingen, steht ihm und der gesamten Nation ein „heißer Herbst“ bevor. Über Umfragewerte müssen wir uns dann nicht mehr unterhalten.

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