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Die Neue Weltordnung 3.0 – Partner Russland?

Von Peter Orzechowski

In den acht vergangenen Jahren der US-Präsidentschaft von Barack Obama war das Klima zwischen Washington und Moskau immer frostiger geworden. NATO-Truppen nähern sich immer mehr der russischen Grenze. Angebliche Raketen-Abwehrschilde, die in Wirklichkeit Abschuss-Basen sind, kreisen Russland ein. Über den Einsatz von Atomwaffen wird in Washington, Brüssel und Berlin offen gesprochen. Und jetzt auf einmal ein neuer US-Präsident, der schon mehrfach Sympathie für Wladimir Putin bekundet hat. Kann er wirklich den bisherigen Konfrontations-Kurs umdrehen und Partner Russlands werden? Und falls ja, welche globale Strategie steckt wohl dahinter?

Ständige NATO-Erweiterung

In zwei unterschiedlichen Pressekonferenzen erklärten Mitte 2016 unabhängig voneinander NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg und der US-Botschafter bei der NATO, Daglas Lute, die NATO werde sich demnächst wieder einmal erweitern. Montenegro ist bereits im Beitritts-Prozess, Georgien wird vermutlich bald folgen. Das war der vorläufige Schlusspunkt einer wahren Expansion des westlichen Kriegsbündnisses in den letzten Jahrzehnten nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion.

Russlands Präsident Wladimir Putin hat die ständige NATO-Erweiterung bereits auf der Sicherheitskonferenz in München im Februar 2007 kritisiert: » Ich denke, es ist offensichtlich, dass der Prozess der NATO-Erweiterung keinerlei Bezug zur Modernisierung der Allianz selbst oder zur Gewährleistung der Sicherheit in Europa hat. Im Gegenteil, das ist ein provozierender Faktor, der das Niveau des gegenseitigen Vertrauens senkt. Nun haben wir das Recht zu fragen: Gegen wen richtet sich diese Erweiterung? Und was ist aus jenen Versicherungen geworden, die uns die westlichen Partner nach dem Zerfall des Warschauer Vertrages gegeben haben?«

Die USA hatten Russland zugesichert, auf die Erweiterung der NATO zu verzichten. Und sie haben diese Zusage gebrochen. Der US-Sicherheitsexperte Joshua Shifrinson kann dies anhand von Archivmaterial belegen, schreibt er Ende Mai 2016 in einem Gastbeitrag für die LA Times.

Russlands Politiker betonen, so Shifrinson, dass die Vereinigten Staaten im Jahr 1990 in den Verhandlungen mit der damaligen UdSSR versichert hätten, es werde keine Erweiterung des NATO-Bündnisses gen Osten geben. „Der Westen beteuert, diese Abmachung habe es nie gegeben. Hunderte von Mitschriften und Protokollen aus den US-Archiven belegen jedoch das Gegenteil“, schreibt der US-Amerikaner.

Provokationen und Eskalation seit 2014

Die Verschärfung des Kalten Krieges mit Russland wird am besten deutlich, wenn wir einen Blick auf einige Eskalationsschritte in den vergangenen beiden Jahren werfen.

  • Am 24. Juli 2014 beschließt die NATO die Aufstellung einer „Eingreiftruppe gegen etwaige Bedrohungen aus Russland“. Nach dem für Ende 2017 geplanten Abschluss der Aufstockung hat die NATO vier zusätzliche Brigaden in den baltischen Staaten und Polen, außerdem in Rumänien und Bulgarien stationiert. Das sind zusammen etwa 16 000 Mann, 750 Panzer und 5000 Fahrzeuge.

  • Anfang Juli 2015 veröffentlicht die US-Regierung eine neue Militärdoktrin. Darin werden China und Russland als große Gefahren und Bedrohung der USA bezeichnet.

  • Mitte August 2015 publiziert der Think-Tank „European Leadership Network“ (ELN) in London eine Analyse, wonach die jüngsten Manöver der NATO und Russlands mit Blick auf die Fähigkeiten der jeweils anderen Seite lediglich eine Art „Vorspiel“ für tatsächliche militärische Auseinandersetzungen seien.

  • Das ganze Jahr 2016: Manöver in Moldawien, in Skandinavien und im Baltikum, Schießübungen an der polnischen Grenze zur russischen Exklave Kaliningrad, Truppen-Stationierungen in Osteuropa.

  • Warschau kündigt 2016 an, bis 2017 seine Streitkräfte von 100 000 auf 150 000 Mann zu verstärken. Dazu gehört der Aufbau einer paramilitärischen Truppe von 35 000 Mann, genannt »Territoriale Verteidigungskräfte«.

  • Die bereits erwähnten vier Kampf-Brigaden, die zwischen Polen und den baltischen Ländern hin und her manövrieren werden, werden verstärkt durch die sogenannte »Schnelle Eingreiftruppe« – Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) – , die bis 2017 auf 40 000 Mitglieder ausgebaut wird.

Zum Erstschlag bereit – die NATO-Raketenbasen

Mitte 2016 hatte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg im rumänischen Deveselu die erste von zwei Raketenabschuss-Stationen eingeweiht. Gleichzeitig war der Grundstein zur zweiten Abwehrbasis im nordpolnischen Redzikowo gelegt worden, nicht weit von der russischen Exklave Kaliningrad entfernt. Sie soll Ende 2017 abschussbereit sein.

Schon vorher waren die zu dem so genannten NATO-Schutzschild gehörende Radaranlage in der Türkei und vier in Südspanien stationierte US-Schiffe mit Abwehrraketen in Dienst genommen worden. Die Kommandozentrale für das gesamte Abwehrsystem liegt in Deutschland – auf dem US-Luftwaffenstützpunkt im rheinland-pfälzischen Ramstein.

Russland protestiert gegen den Raketenschild schon seit Jahren. Die Gründe: Die Anlagen könnten auch Marschflugkörper abfeuern und seien eine Gefahr für das strategische Gleichgewicht, wie Michail Uljanow vom Außenministerium in Moskau sagte. Außerdem könnten die starken Radaranlagen Starts von atomwaffenfähigen Interkontinentalraketen in Russland viel früher als bisher erfassen. Aus russischer Sicht verschafft dies der Allianz längere Reaktionszeiten und damit einen militärischen Vorteil.

Nicht beachtet von den Mainstream-Medien lehnte Washington am 12. April 2016 die Garantie dafür ab, dass sein umstrittener Raketenschild in Europa nicht gegen Russland gerichtet sein wird. Weder die USA noch die NATO werden Russland rechtsverbindliche Garantien geben, sagte Frank Rose in London. „Das, worum Russland bittet, würde unsere Kapazitäten, auf atomare Bedrohungen zu reagieren, deutlich beschneiden.“ Das Abwehrsystem sei umso nötiger, weil Nordkorea und der Iran mehrmals Raketen getestet hätten. 

Der atomare Erstschlag

Alarmiert ist der Kreml auch deswegen, weil sich die Einrichtungen des NATO-Raketenschildes auch zur Ausführung eines atomaren Erstschlags einsetzen lassen.

Ende Juni 2015 meldet die Deutsche Presseagentur (dpa): „Experten warnen: Die US-Präventivstrategie führt zu einem Dritten Weltkrieg.“ Die Agentur zitiert den kanadischen Professor Michel Chossudovsky, Direktor des Zentrums für Globalisierungsforschung in Montreal, mit den Worten: „Die USA haben einen sehr gefährlichen Pfad eingeschlagen, weil sie die Doktrin des Präventivkriegs eingeführt haben – tatsächlich sagen sie auch, dass sie Nuklearwaffen gegen Russland als Präventivschlag einsetzen könnten.“ Diese Art von Diskurs sei „extrem gefährlich, weil sie ein Dritter-Weltkriegs-Szenario entfachen könnte.“

Deutsche Vordenker wollen da nicht hintanstehen: Sie fordern den Ausbau des westlichen Atomwaffenarsenals. Eine »Überarbeitung« der »Nuklearstrategie« der NATO sei »dringend geboten«, da eine gegen Moskau gerichtete »glaubwürdige Abschreckung« zwingend einer »nuklearen Komponente« bedürfe, erklärt die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS).

Offenbar rechnet die KAS mit einer weiteren Eskalation des Konflikts mit Moskau, die nur durch die demonstrative Bereitschaft zum Atomwaffeneinsatz gestoppt werden kann: »Im Kriegsfall mit Russland wäre dem Bündnis die Verteidigung des Baltikums allein mit konventionellen Mitteln … kaum möglich – die russischen Streitkräfte wären in ihrer Zahl und geographischen Nähe überlegen«, schreibt Patrick Keller in einem Aufsatz für die Stiftung im Juni 2016.

Analog äußert sich der Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS), Karl-Heinz Kamp, in einem »Arbeitspapier« zum Warschauer NATO-Gipfel. Kamp fordert explizit »Gegen-Konzepte« für den Fall, dass Russland einen Krieg gegen osteuropäische NATO-Staaten beginne und dann versuche, »durch nukleare Drohungen das Bündnis zu spalten«. Der Leiter des zentralen militärpolitischen Think-Tanks der Bundesregierung rät zu »kürzeren Reaktionszeiten« beim Einsatz von Atomwaffen und zu einer »verstärkten Übungstätigkeit« im »Nuklearbereich«. Hierfür sei allerdings ein »neue(r) nuklearstrategische(r) Konsens« innerhalb der transatlantischen Allianz notwendig, erklärt Kamp.

Der Quasi-Beitritt der Ukraine

Hat die NATO-Aufrüstung und -Erweiterung das Ziel, einen Krieg gegen Russland vorzubereiten? Wenn wir uns die Entwicklung in der Ukraine ansehen, drängt sich dieser Eindruck jedenfalls auf.

Mitte September 2016 meldeten die Nachrichtenagenturen eine Personalie, die in den Mainstream-Medien unterging, obwohl sie – vermutlich eher: weil sie – ein Beweis für die Pläne der führenden Weltmacht sind, die Ukraine in ein militärisches Abenteuer gegen Russland zu locken: US-General John Abizaid – so meldeten die Agenturen – wird Berater des ukrainischen Verteidigungsministeriums. Er soll die ukrainische Armee an NATO-Standards anpassen. Abizaid ist nicht irgendwer. Der Vier-Sterne-General war zuvor Chef des Kommando-Zentrums Centcom. 2003 war er Vize-Kommandeur bei der Invasion des Irak und US-Befehlshaber im Kosovo-Krieg der NATO 1999. Er ist Mitglied des Council on Foreign Relations.

Gleichzeitig mit dieser Meldung berichteten internationale Medien, Präsident Petro Poroschenko habe im Parlament gesagt, Kiew habe bereits eine „nie dagewesene und sehr enge Zusammenarbeit“ mit den Ländern der Militärallianz erreicht. „Strategisches Ziel“ bleibe aber eine volle NATO-Mitgliedschaft, an diesem Kurs werde festgehalten. Im Juni 2016 war bereits der frühere NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen zum Berater der ukrainischen Regierung ernannt worden.

NATO-Militärzone von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer

Im Sommer 2016 zog Polen einen alten Plan aus der Schublade, der aus der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen stammt: Ein Beistandsabkommen der »Länder zwischen den Meeren«. Die Idee dieses Intermariums (polnisch: Międzymorze) würde die Bildung einer Entente cordiale beziehungsweise ein Beistandsabkommen der Staaten zwischen Ostsee und Schwarzem Meer bedeuten – und könnte Länder wie die Ukraine und Georgien unter den Schutz der NATO stellen, obwohl sie noch keine Mitglieder des Bündnisses sind.

Vorrangige Aufgabe einer solchen Allianz wäre es – so schwärmen die Polen – eine klare Botschaft an Moskau zu senden: Jeder der bereits schwelenden und künftigen Konflikte Russlands könnte in eine multilaterale Konfrontation mit einer größeren Staatengruppe münden. Die geheime Agenda hinter dem Vorschlag ist jedoch, Deutschland und Russland auseinander zu halten. Auf bi- oder trilateraler Basis findet die Kooperation zwischen den potentiellen Mitgliedsstaaten des Intermariums schon längst statt, zum Beispiel in Form einer derzeit im Aufbau befindlichen polnisch-litauisch-ukrainischen Brigade.

Und jetzt plötzlich: der Schwenk zur Kooperation?

Es ist schwer vorstellbar, dass der neue US-Präsident alle diese Eskalationsschritte – von der Truppenstationierung an Russlands Westgrenze und der Aufrüstung der osteuropäischen NATO-Staaten bis zum angeblichen Raketenabwehrschild – wieder zurückfährt. Ein einstündiges Telefonat mit Wladimir Putin und vielleicht ein baldiges Treffen der beiden Staatsmänner werden nicht ausreichen, um den vorangetriebenen Konfrontationskurs zu beenden. Aber vielleicht verfolgen ja Trumps Hintermänner einen ganz neuen Plan zur Beibehaltung der Weltherrschaft: Russland auf die Seite der USA zu ziehen, um den Rücken frei zu haben für eine Auseinandersetzung mit dem eigentlichen Rivalen – China.

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