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Amerikas undurchsichtige Geopolitik

Von Peter Orzechowski

Der ehemalige General Michael Flynn wird nationaler Sicherheitsberater der neuen US-Administration. Flynn wird dem Präsidenten dessen Reaktion auf Krisen nahelegen. Da Trump selber keine Erfahrung in Außen- und Sicherheitspolitik hat, kommt dem Drei-Sterne-General enormer Einfluss zu. Welche Vorstellungen hat dieser Chefberater? Was sind seine geopolitischen Ziele? Angesichts dieser Fragestellungen von globaler Bedeutung erscheint es lohnenswert, die hierzulande wenig bekannte Personalie „Flynn“ einmal etwas näher zu betrachten.

Der Posten des nationalen Sicherheitsberaters gilt als einflussreich. Zu sehen ist das an Flynns Vorgängern wie Henry Kissinger (unter Nixon und Ford), Brent Scowcroft (unter Ford, später unter George Bush), Zbigniew Brzezinzki (unter Carter), Colin Powell oder Condoleezza Rice (beide unter George W. Bush). Sie alle machten sich durch den Posten einen Namen.

Die Mainstream-Medien haben sich sofort auf Flynn eingeschossen. Er sei verhaftet in dem Denken, dass die USA eine Führungsrolle in der Welt spielen solle und dass der Iran ein Staat sei, „der den Terrorismus sponsert“. Seine Feindschaft zum Iran gehe mit einer fundamentalistischen Ablehnung des Islam einher. Flynn wird zitiert, er habe bei einem Vortrag an einer Veranstaltung von Islam-Gegnern in Dallas gesagt, dass der Islam keine Religion sei, sondern eine Ideologie, die sich als Religion tarne. – Aber stimmt das auch? Flynn (57) war von 2012 bis 2014 Direktor des Militärgeheimdienstes Defense Intelligence Agency (DIA). Flynn tritt wie Trump für eine Entspannung mit Russland ein. Er ist mehrmals im staatlichen russischen TV-Sender Russia Today aufgetreten. Nach Angaben der New York Times hat seine Beratungsfirma Flynn Intel Group Verbindungen zu Ländern im Mittleren Osten und ist als Lobbyistin für die türkische Regierung in Erscheinung getreten.

Die USA als Paten des Terrors

In einem Interview im „Head to Head“-Programm des arabischen Nachrichtensenders Al Jazeera lange vor Trumps Wahl düpierte Flynn das Washingtoner Establishment und die Mainstream-Medien, als er sagte, die Entscheidung der US-Regierung, die syrischen Rebellen aufzubauen, sei kein Versehen gewesen, sondern sei bewusst getroffen worden. Der entscheidende Satz dieses Interviews lautete: Im Memorandum des DIA von 2012 sei klar nachzulesen – so Flynn – dass die US-Regierung die Bewaffnung der radikalen Dschihadisten der Muslim-Brüder, von Al-Qaida, der Al-Nusra-Front, des IS und weiterer kleinerer Gruppen organisiert und ein Kalifat im Osten Syriens und im Irak unterstützt.

Nach Flynn wusste die US-Administration schon 2012, dass al-Qaida innerhalb des Aufstands in Syrien die führende Rolle ausübt, und von „westlichen Ländern, den Golfstaaten und der Türkei“ dabei unterstützt wird, in Ost-Syrien ein „salafistisches Fürstentum“ zu etablieren. Denn das sei „genau das“, was die Fördermächte der Terrorgruppe wollten, um „das syrische Regime“ vom Iran und dem Irak „zu isolieren“. Die Entstehung eines sich über Syrien und den Irak erstreckenden „Islamischen Staates“ als Folge der Politik der US-Verbündeten wurde einschließlich solcher Details wie der Einnahme Mossuls und Ramadis durch die Terroristen zutreffend von Flynns Geheimdienst prognostiziert.

Buchautor und Nahost-Experte Jürgen Todenhöfer nannte das DIA-Papier, das Flynn zitiert, ein „terroristisches Watergate“. Obwohl sie frühzeitig wussten, „wer wirklich in Syrien kämpft“, erzählten US-Präsident Obama und der Westen „das übliche Märchen“ von Freiheit und Demokratie, während sie „gezielt terroristische Organisationen“ unterstützten. „Deshalb planen die USA auch nicht, den ‚Islamischen Staat‘ völlig auszuschalten – selbst wenn sie wüssten wie. Sie brauchen den IS noch. Iran würde ihnen sonst zu stark. So kämpfen sie mit angezogener Handbremse“, schreibt Todenhöfer auf seiner Webseite.

Deutlich wird Flynn in dem Interview auch mit seiner Kritik an Iran und am Atomdeal. Für ihn steht fest, dass Iran die Absicht hat, eine Atombombe zu entwickeln. Mehrmals spricht er davon, dass sich Iran seit Jahren schlecht verhält, und macht aus seiner Gegnerschaft und seinem Misstrauen gegenüber Iran keinen Hehl. Seine Kritik am Nuklearabkommen ist pauschal: Es sei von Anfang an fehlerhaft, es fehle ihm an Vorstellungskraft, man hätte den ganzen Kontext anders aufziehen sollen. Die ganze Region hätte in einem größeren Design eingespannt werden sollen. Flynn fügte hinzu, er sei deswegen gegen den Atom-Deal, weil zuvor keine strategische Diskussion mit dem Iran geführt worden sei.

Der Putin-Versteher

Was wissen wir noch über Flynn? Am 10. Dezember 2015 nahm Michael Flynn an einer internationalen Konferenz von Russia Today teil. Die Konferenz fand im Moskauer Metropol Hotel statt. Im Gespräch mit dem Sender sagte er, dass die USA und Russland zusammenarbeiten müssen, um den Syrien-Konflikt zu lösen. Beide Länder hätten die gleichen Interessen in der Region. Es sei auch wichtig, einen konfessionellen Konflikt in der Region zu verhindern. „Deshalb müssen wir den Iran aus diesem Stellvertreterkrieg zurückziehen. Der Iran muss sich zurückhalten und die Angelegenheit der internationalen Gemeinschaft überlassen. Das heißt nicht, dass sie nicht mitentscheiden dürfen. Doch sie müssen sich zurückhalten, denn dieses sunnitisch-schiitische Schisma verstärkt auch das Problem.“

Zum anderen sagte er, dass die arabischen Führer der sunnitisch-arabischen Nationen erkennen müssen, dass sie in ihren eigenen Ländern Probleme haben. Deshalb plädiere er für eine Art „arabische NATO“, um Feinde wie den IS zu besiegen.

Im Oktober sagte Flynn in einem Interview mit Politico, dass Putin intelligent und versiert sei und Maßnahmen in der Ukraine und anderswo getroffen habe, die die US-Möglichkeiten eingeschränkt haben. Die Antwort der NATO und der USA war „schüchtern“. „Ich denke, Trumps Stärke liegt darin, ein Meister der Verhandlung zu sein, und er will so viele Möglichkeiten wie möglich im Umgang mit Russland.“

Welches Lager setzt sich durch?

Russland wird also wieder einmal der Schlüssel zur amerikanischen Geopolitik sein. Gelingt es Putin, mit Trump auf Augenhöhe zu verhandeln, dann dürfte auch das Thema Iran beizulegen sein. Trump wird es nicht leicht haben – auch gegen die Hardliner seiner neuen Administration. So gilt etwa auch Mike Pompeo (52), der designierte Direktor des US-Auslandsgeheimdienstes CIA, nach Angaben der amerikanischen Medien als entschiedener Iran-Gegner. In einem Gastbeitrag für Fox News, der im Juli veröffentlicht wurde, machte er deutlich, dass er ein Gegner des Atom-Deals mit dem Iran ist. Beim Thema Russland ist Pompeo übrigens weitaus vorsichtiger als Trump und Flynn: Im Jahr 2014 sagte er dem Sender Fox News, dass das Risiko für weitere russische Militärbewegungen im Osten der Ukraine nicht weniger, sondern mehr geworden sei (…) Die Russen haben entlang der östlichen und nördlichen Grenze der Ukraine weiterhin Zehntausende von Kräften gesammelt (…) [Sie] zeigen keine Anzeichen für einen Rückzug (…) Putin ist ganz auf ein einziges Ziel gerichtet – um so viel wie möglich von der ehemaligen Sowjetunion wieder herzustellen.“

Es gibt also durchaus verschiedene Meinungen innerhalb der neuen amerikanischen Regierung. Erst in einigen Wochen werden wir wissen, welche weltpolitischen Ziele die USA in Zukunft verfolgen werden.

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