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Es ist vollbracht: Ukraine im Chaos

Von Peter Haisenko 

Das sind die Fakten: Die Ukraine hat keine demokratisch gewählte Regierung. Die unterschiedlichen Ethnien gehen mit Gewalt gegeneinander vor. Der Bruch zwischen russophoben und russophilen Ukrainern wird in absehbarer Zeit nicht zu heilen sein. Der demokratisch gewählte, vom keineswegs repräsentativen Mob gestürzte Präsident Janukowitsch wird von einzelnen Kommentatoren bereits als Diktator verunglimpft. Das Land versinkt auf unabsehbare Zeit im Chaos. Das Ziel ist erreicht.

Der Aufruhr im Westen ob der bösartigen Äußerungen der Amerikanerin Nuland („Fuck the EU!“) hat sich gelegt. Unter anderem deswegen, weil die brisanten Details des Nuland-Telefonats nicht ausreichend gewürdigt worden sind: Konkrete Pläne der USA für die Neubesetzung der ukrainischen Regierung. Die einseitige Berichterstattung der westlichen Medien kann in einem Satz beschrieben werden: Alles, was Russland und Putin schadet, ist gut.

Fakt ist: Die Ukraine hat einen gewaltsamen Umsturz erlebt, der in keiner Weise irgendetwas mit demokratischen Verfahren gemein hat. Wer nur der westlichen Berichterstattung folgt, muss den Eindruck haben, dass es in der Ukraine einen Volksaufstand gegeben hat. Tatsächlich ist das aber mit nichts zu belegen. Nicht derjenige repräsentiert die Mehrheit, der am lautesten und gewaltsamsten schreit. Nur durch eine regelkonforme Wahl kann festgestellt werden, was die Mehrheit wirklich will. Warum also applaudieren die westlichen Medien zu einem Vorgang, der mit Demokratie nichts zu tun hat? Ganz einfach: Alles, was Russland und Putin schadet, ist gut.

Die Vorgänge auf der Krim zeigen einen weiteren Aspekt, der bislang kaum sichtbar war: Die Stationierung der russischen Schwarzmeerflotte. Es würde Russland einen jahrelangen Aufwand kosten, seine Flotte an anderer Stelle zu positionieren. Putin kann nicht zulassen, dass Russlands Flotte von der Krim verbannt wird, was dem Westen hingegen sehr gelegen käme. (Alles, was Russland und Putin schadet, ist gut.)

Ohne Katarina die Große wäre die Krim muslimisch

In unseren Nachrichten ist nicht darüber berichtet worden, dass in den letzten Tagen 143.000 (russischstämmige?) Ukrainer in Russland um Asyl ersucht haben. Dass ukrainische Soldaten auf der Krim massenhaft ihren Dienst quittiert haben. Dass die Krim seit 180 Jahren zu Russland gehörte, bis Chruschtschow, selbst Ukrainer, 1954 die Krim an die ukrainische Sowjetrepublik als Geschenk gegeben hat. Bis 1774 war die Krim umkämpft und gehörte zum Osmanischen Reich. Mit dem „Kuchuk-Kainariji-Frieden“ 1774 hat Katarina die Große das „Krim-Khanat“ und die Herrschaft der osmanischen Muslime beendet, wofür wir heute noch dankbar sein sollten.

Nur am Rand erwähnt wird der Fakt, dass die neuen Machthaber in Kiew sofort den Versuch unternommen haben, mit einem Gesetz den Gebrauch der russischen Sprache als (Zweit-) Amtssprache zu verbieten. Auch in den Gebieten, die eindeutig mehrheitlich russisch sind, oder wie die Krim eine Teilautonomie genießen. Das nenne ich „Öl ins Feuer gießen“.

Bei einer Volksabstimmung würde die Mehrheit für Russland votieren

Es ist eher als unglücklicher Zufall zu werten, dass die Krim mit dem Zerfall der Sowjetunion an die Ukraine gefallen ist. Glücklich – im Sinn des Westens – allerdings in der Hinsicht, dass von Anfang an abzusehen war, dass die Krim als Teil der Ukraine und die gesamte Ukraine immer eine Problemregion, ein Pulverfass bleiben wird. Erlaubte man eine Volksabstimmung, dann würde sich die Krim für Russland entscheiden: 58,5 % sind Russen, 24,3 % Ukrainer und 12,1 % Krim-Tataren. Aber es wäre nicht das erste Mal, dass der Westen, vor allem die USA und England, eine derartige Volksabstimmung nicht respektierten: Nach dem Ersten Weltkrieg gab es in den deutschen Ostgebieten, die mit dem Diktat von Versailles Polen zugeschlagen wurden, Volksabstimmungen, die eindeutig für einen Verbleib beim Deutschen Reich votierten. Das ist schlicht ignoriert worden und hat einen wesentlichen Beitrag zum Beginn des Zweiten Weltkriegs geleistet. Ich vermute, dass auch im akuten Fall die Krim dazu missbraucht werden soll, Russland zu Aktionen zu zwingen, die dann vom Westen als ganz böse dargestellt werden; obwohl es tatsächlich nur darum geht, Chaos und Blutvergießen zu verhindern, unter geordneten Verhältnissen eine Volksabstimmung überhaupt zu ermöglichen.

Wir leben heute in dem unsinnigen Bewusstsein, dass nichts mehr verändert werden darf, schon gar keine Grenzen. Die Ukraine existiert in den heutigen Grenzen gerade mal 23 Jahre. Wieso wird also die Forderung westlicher Politiker publiziert, dass die Ukraine unbedingt in den heutigen Grenzen erhalten bleiben muss? Realistisch betrachtet müsste gerade die Ukraine aufgeteilt werden: In einen westlichen Teil und den anderen, der sich traditionell zu Russland gehörig fühlt. Nur so kann die Lunte aus dem Pulverfass Ukraine gezogen werden. Der westliche Teil der Ukraine könnte dann den Status einer Freihandelszone erhalten, von der alle Beteiligten profitieren würden: die Ukraine selbst, der Westen und auch Russland. Aber genau da ist der Haken: Russland würde auch profitieren und das darf nicht sein. Und, eine geteilte Ukraine könnte nicht mehr missbraucht werden, in einer instabilen Region zu zündeln – siehe „Orangene Revolution“, die inzwischen eindeutig als das erkannt wurde, was sie war: Vom westlichem Kapital angezettelt und bezahlt, hier von George Soros im Speziellen.

Die Instabilität in manchen Regionen der Welt ist gewollt

Ginge es nicht um die großen imperialistischen Ziele, dann könnte in vielen Spannungsregionen der Welt Frieden hergestellt werden. Gebt den Kurden einen eigenen Staat. Dem würde es nicht einmal schlecht gehen, denn es gibt Öl. Aber genau deswegen wird ein autonomes Kurdistan nicht einmal andiskutiert. Die Gegend soll instabil bleiben. Man erinnere sich an die vom British Empire willkürlich gezogene Grenze in Kaschmir. Millionen Flüchtlinge, und ein seit 60 Jahren andauernder Konfliktherd. Zypern? Auch hier ist in Vergessenheit geraten, wer dafür gesorgt hat, dass das Land seit 1974 in einen türkischen Nordteil und griechischen Süden geteilt ist, und bis heute die Welt dafür bezahlt, dass UN-Soldaten dort das Schlimmste verhindern. Die Verantwortung hierfür – ebenso wie für die Zustände in Palästina – tragen in erster Linie die Briten. In all den erwähnten Konfliktgebieten wäre es für den Frieden förderlich, wenn nach Volksabstimmungen neue Grenzziehungen und Aufteilungen erreicht werden könnten.

Russland hat mit einer instabilen Ukraine andauernde Probleme, kann diese aber nicht ernsthaft lösen. Die „bösen“ Russen haben den neuen Machthabern in Kiew die Sonderkonditionen für Gaslieferungen gestrichen. Ich sage: Mit gutem Recht. Eine freundschaftliche Hilfe muss nicht weitergeführt werden, wenn die Freundschaft einseitig – von Kiew – gekündigt wird. Eine westangebundene Ukraine würde das für Öl und Gas gesparte Geld im Westen ausgeben. Auch der Westen unterstützt niemals ein Land, das sich nicht eindeutig zum Westen bekennt. Im Gegenteil werden Sanktionen über viele Jahrzehnte aufrechterhalten, wenn die politische Richtung nicht genehm ist. Siehe Kuba.

Putins Russland ist das einzige Land, das dem ungebremsten Machtanspruch des angelsächsischen Raums Einhalt gebieten kann. Siehe Georgien und Syrien. Gerade in Syrien hat Russland viele Tote und restloses Chaos verhindert, indem es nicht zugelassen hat, dass auch dieses Land aus der Luft zerbombt wird. Siehe Libyen, das bis heute nicht mehr aus dem Post-Gaddafi-Chaos finden konnte. Oder Irak, in dem im Februar mehr Menschen umgekommen sind, als in Syrien. Afghanistan sei nur am Rande erwähnt.

Mit Demokratie hat das alles nichts zu tun

Allein der Gedanke ist abwegig, eine Ukraine mit einem derart hohen russischen Bevölkerungsanteil in die NATO führen zu wollen. Russland muss das als Provokation sehen, genauso wie die Stationierung von Abwehrraketen in Polen oder Tschechien. Eines muss klar gesehen werden: Russland hat nichts getan, die Aufstände in der Ukraine zu fördern. Russland kann nur reagieren und muss es auch. Es gibt in der russischen Föderation zu viele Konfliktherde. Wenn Russland tatenlos die Ukraine an den Westen fallen lässt, dann wird sich der Westen kaum zurückhalten, in weiteren Regionen um Russland ähnliche Zustände zu fördern. Russland kann tun was es will, es wird immer gescholten werden, auch wenn viele Menschenleben gerettet werden.

Mittlerweile sind selbst im deutschen Fernsehen bedachte Stimmen zu Wort gekommen, die den Auslöser für die Proteste am Maidan bei der EU sehen. Die EU hat es bei dem vorgelegten Assoziierungsvertrag mit der Ukraine versäumt, Russland in die Vorbereitungen einzubeziehen. Die EU hat mit einem harten entweder-oder die Ukraine vor die falsche Wahl gestellt, zwischen Beziehungen zu Russland oder der EU zu entscheiden. Das konnte Janukowitsch nicht unterschreiben und erst daraufhin haben die Protestaktionen begonnen. Es bleibt nur zu hoffen, dass das ungeschickte Vorgehen der EU nicht einem Plan geschuldet ist, sondern schlichter diplomatischer Dummheit.

Über all die Vorgänge in der Ukraine darf eines nicht übersehen werden: Mit Demokratie hat das nichts zu tun. Dass die Ukraine wahrscheinlich noch nicht reif für ein demokratisches Miteinander ist, mag man unter anderem daran ablesen, dass sich Abgeordnete im ukrainischen Parlament regelmäßig prügeln. Wen wundert es dann noch, dass auch bei Protesten auf der Straße schnell physische Gewalt angewendet wird, sobald sich eine lautstarke Minderheit nicht auf demokratischem Weg durchsetzen kann. Das Errichten dauerhafter Blockaden, die Erstürmung und Besetzung von Ministerien und das Abbrennen von Autoreifen zählt jedenfalls nicht zum demokratischen Instrumentarium – mögen die Proteste auch dem einen oder anderen noch so gerechtfertigt erscheinen. Der Status der Ukraine ist, dass die jetzigen Machthaber in Kiew keine, ich wiederhole keine demokratische Legitimation haben. Das müsste der Westen ohne Wenn und Aber monieren. Aber, alles, was Russland und Putin schadet, ist gut. Oder, wie die offizielle US-Doktrin lautet: Wer nicht für uns ist, (sich uns unterwirft), ist unser Feind.

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