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Freund hört mit! Worüber regen wir uns eigentlich auf?!?

Von H.-W. Graf

Eifersüchtiger könnte kein Ehepartner sein; seit Jahren werden von US-Geheimdiensten weltweit Privat und Unternehmen, Staaten und Parteien auf allen Kommunikationswegen abgehört und ausspioniert – mit unterschiedlichen Zielen, ohne jegliche Unterscheidung zwischen ‘Freund’ oder ‘Feind’ und in jeglicher Weise, die technisch machbar ist. Dabei bespitzeln sich sogar die Geheimdienste emsig gegenseitig, und selbst Präsidenten (auch der US-amerikanische), Vorstände großer Konzerne, Senatoren und Gouverneure, kurz: Jeder wird belauscht, ausgespäht und verwanzt.

Begründet wird dieses Vorgehen grundsätzlich und stereotyp mit dem Schlagwort ‘Terrorbekämpfung’, obgleich dahinter auch völlig andere Beweggründe liegen, z.B. die mindestens ebenso große Angst, dass die technische “Supermacht” USA in irgendeinem Bereich international ins Hintertreffen geraten, von den kreativen Innovatoren anderer Nationen überflügelt werden könnte, den Anschluss verlieren und abgehängt zu werden droht.

The world´s leading Nation“

Dahinter steht ein tiefverwurzeltes, seit mehr als 100 Jahren genährtes, beinahe neurotisch-manisches Selbstverständnis der Vereinigten Staaten von Amerika [schon durch die unterschiedslose Verwendung des Begriffs ‘Amerika’ weit über die USA hinaus, also ohne zwischen Nord-, Mittel- und Südamerika zu unterscheiden], mit dem selbst Kinder in den USA darauf geeicht werden, in ‘America is superior to the rest of the world’ das absolute Nonplusultra, schlechterdings den “Nabel der Welt”, das Beste, Größte, ‘God’s own Country’, kurz: das (bitte schön) Wunderbarste zu sehen, was dieser Planet seit 4,6 Milliarden Jahren hervorgebracht hat. An nichts geringerem als diesem Selbstanspruch messen sich die USA – ob in Wirtschaft und Technik, Sport und Kultur (selbst in skurrilsten bis bizarrsten Formen), Wissenschaft und Forschung; wo immer in anderen Teilen der Welt Erfindungen gemacht, Forscher auf Neues stoßen oder Rekorde aufgestellt werden, wird dies zum schmerzhaften Pfeil im Fleische der US-Amerikaner.

Hierbei kennen die Jungs weder Freund noch Feind; der Wahrung und Verteidigung dieses selbstverordneten Nimbus wird alles untergeordnet, und kein Aufwand an Mensch, Material und Geld ist den USA zu hoch, um diesem Selbstanspruch zu entsprechen. Dass dies angesichts der Tatsache, dass die Bevölkerung der USA gerade mal 4% der Weltbevölkerung ausmacht, immer schwieriger, aufwendiger und komplizierter wird – insbesondere aufgrund der technischen Fortschritte in vielen Ländern der Welt und der globalisierten Wissensvernetzung kreativer Geister (die es tatsächlich auch außerhalb der US-Grenzen gibt) –, versteht sich von selbst. Aber eben dies schmerzt das patriotische Selbstbild der US-Amerikaner in erheblichem Maße; sie wollen nichts und niemanden neben sich auf dem Treppchen akzeptieren, und dafür ist ihnen jedes Mittel recht.

Geheimdienste und NGOs sollen Superiorität sichern

Deshalb unterhalten sie 36 verschiedene Inlands- und Auslands-Geheimdienste sowie in 176 Ländern Militärbasen, die jeweils größten (natürlich schwerst-bewachten) Konsulate, in 134 Ländern ‘Amerika-Häuser’ und rund 160 internationale (natürlich von US-Amerikanern geführte) Organisationen. Sie bestimmen die Politik der Weltbank, der IZB, der UNO, der UNICEF, des ‘World Council’, des ‘Atlantic Council’ des ‘Pacific Council’ des ‘World Gold Council’, des ‘Internationalen Währungsfonds’ sowie Dutzende weiterer weltweit (ko)operierender (und manipulierender) Organisationen, und selbst bei der Vergabe des Nobelpreises sind in den relevanten Kategorien – Physik, Chemie, ‘Frieden’ und Wirtschaft – US-Amerikaner ausreichend zu berücksichtigen (das wissen die Kommitteemitglieder in Stockholm und Oslo sehr wohl).

“The World’s Best ..., Greatest ... etc.” ist der absolute Mindestanspruch, mit dem sich US-Banken, Museen, Stiftungen, Einrichtungen aller Art, das gesamte Militärwesen, Universitäten und natürlich der Sport unter ständigem Druck halten. Und der Bevölkerung wird von Kindesbeinen an suggeriert, dass sie das unendliche Privileg genießen, im großartigsten Land der Welt geboren zu sein, sich dieses Anspruchs aber auch würdig zu erweisen haben; wer das nicht schafft, wird zwar geduldet, aber letztlich ist er – der Reformator Calvin lässt grüßen - selbst daran schuld, wenn er statt in der vordersten Reihe auf hinteren Rangplätzen sitzt. Immerhin, so die unmissverständliche Botschaft, ist er wenigstens US-Bürger, darf die ‘Stars and Stripes’ ins Fenster hängen oder an den Fahnenmast im front yard.

Niemals die Nummer Zwei

Zweiter oder Dritter zu sein, ist für einen US-Amerikaner allenfalls auf nationaler Ebene von Belang, auf internationaler Bühne hingegen grenzwertig bis schambehaftet. Deshalb nehmen US-amerikanische Sportler in vielen Disziplinen auf internationaler Ebene überhaupt nicht teil oder stricken sich ihre eigenen Sportarten (kein Land hat mehr Sportarten kreiert), in denen sie dann “World Championships” veranstalten (Football, Baseball, etc.).

Wer dieses Verhalten als naiv und reichlich kindlich oder kindisch bezeichnet, verkennt deren Hintergrund, vor allem aber den dahinterstehenden Ernst und den Zwang der Gesellschaft, dem buchstäblich jeder kollektiv untersteht, denn natürlich überfordert der nationale Größenwahn, dem jeder US-Amerikaner qua Geburt unterworfen ist, das Gros der Menschen in gefährlicher Weise.

Kein Wunder, dass in den USA prozentual mehr BürgerInnen im Gefängnis sitzen (oder zumindest einmal im Leben einrücken) als in jedem anderen Land weltweit, und die prozentuale Wahrscheinlichkeit, durch einen kriminellen Akt ums Leben zu kommen, größer ist als in jedem anderen OECD-Land. Gleiches gilt für den Tod durch Selbstmord, den persönlichen Konkurs und die Erkrankung an Krebs sowie fast allen “Zivilisations”-krankheiten (Adipositas, Diabetes, Fettleber, -zirrhose, Alzheimer, Demenz, etc). Auch die enorme Zahl an Drogen- und Medikamentenabhängigen, Asperger- und ähnlichen Autismuserkrankungen, jugendlichen Kriminellen und Obdachlosen und Desozialisierten steht in krassem Gegensatz zu den “Idealen” der ‘greatest nation on earth ever’, das medial verbreitet und moralisch vorgegeben wird.

Kontrolle sichert Macht

Kein Wunder, dass man den US-Amerikanern alle Auflagen und Zwänge, die omnipräsente Kontrollmanie der staatlichen Organe, die permanente Überwachung und Ausspähung trefflich als ‘nur ihrem Wohl und ihrer Sicherheit dienliche Maßnahmen’ eines durch und durch benevolenten Staatsapparates verkaufen kann, ja, die meisten US-Amerikaner dafür sogar dankbar sind, es zumindest aber als notwendig ansehen (in New York ist jedes zweite Auto ein Taxi, aber auch jedes fünfte ein mit “Security” befasstes).

In Wahrheit versteckt sich dahinter ein tiefverwurzeltes Gefühl der Unsicherheit und der verzweifelte, bisweilen beinahe rührende Versuch, den Bestand und Erhalt eines Systems zu sichern, das längst nicht mehr zu retten ist, in Teilen schon verrottet und verwest, nicht mehr finanzier- und renovierbar ist und unrettbar zu verkommen droht.

Das Primat des Militärs

Die USA verstehen sich als moralisches Gewissen, absoluter Maßstab und allein-verantwortlicher Garant für Recht, Ordnung, Freiheit und Sicherheit, als Gralshüter von Gottes Gnaden – weltweit, für Jeden und Alles, was auf diesem Planeten kreucht und fleucht. Kein anderes Land ist dazu in annähernd gleichem Maße in der Lage, dessen sind sich (fast) alle über 325 Millionen US-Amerikaner einig. Und diese Aufgabe des weltweiten Heilsbringers, verantwortlichen Hüters und Wächters nehmen die USA als gottgegeben wahr – notfalls auch gegen den Willen der Bevölkerung anderer Nationen; besser, man beugt sich ihrer “Führung” (wenn sie schon freiwillig dieses schwere Amt übernommen haben), sonst wird es ungemütlich; nicht zuletzt stellen die USA in ihren Militärkomplex jährlich mehr öffentliche Mittel (und Spenden großer Unternehmungen, Stiftungen und Sponsoren!) ein, als die nächsten 52 Staaten zusammengenommen; mehr, als das Bruttoinlandsprodukt von 170 Nationen ausmacht. Nach dem Grundwehrdienst dienen nahezu alle Soldaten in ‘special forces’ und genießen stolzes Ansehen in ihren Familien wie auch der Öffentlichkeit. [Die ‘unehrenhafte Entlassung’ (‘dishonorable discharge’) ist das Todesurteil für nahezu jegliche spätere berufliche Karriere]. Nirgendwo ist das Bild des ‘unbeugsamen Helden’ – Urbild unzähliger Comic-Helden – so (bisweilen geradezu lächerlich) gesellschaftlich verankert wie in den USA.

Wer nicht kuscht, ist ein Feind

Solange “Freunde” der USA diesen Allmachtsanspruch nicht in Frage stellen – wobei die USA die Regeln diktieren, sich selbst aber vielfach (und völlig selbstverständlich und bedenkenlos) über ‘Internationales Recht’ hinwegsetzen [kein US-Bürger darf vor dem ‘Internationalen Gerichtshof’ angeklagt oder dessen Auslieferung (z.B. an den ‘Haag’) gefordert werden] – werden sie gelobt und belohnt (ähnlich einem Haustier, was brav ‘Pfötchen’ gibt). Aber wehe, ein Staatschef kommt auf die Idee, seine Exporte an Rohstoffen nicht mehr in US-$ zu valutieren oder den Vasallendienst aufzukündigen, dann sollte er schon mal das Ticket ins Exil buchen. Der nächste Diktator ist, wenn er brav ‘bei Fuß’ geht, der US-Regierung genau so lieb und teuer wie sein Vorgänger, der das ihm vorgegebene Terrain verlassen und sich erfrecht hat, Washingtons Unmut zu erregen.

Und hier schließt sich ein für jeden nicht-US-Bürger völlig abstruser Gedankenkreis: Mit oben beschriebenem Selbstbild und –anspruch im Rücken “opfern” sich die USA für den Rest der Welt. Ihnen fehlt deshalb auch jegliches Verständnis für Kritik an ihrem Vorgehen; der Undank ihrer Verbündeten erfüllt sie mit Zorn, Wut und völligem Unverständnis; sie fühlen sich düpiert und missverstanden. Kein Wunder, dass sie mit der Unberechenbarkeit sowohl ihrer Gegner und Feinde, als auch mit der ihrer Freunde und Verbündeten ständig rechnen zu müssen glauben.

Kontrolle ist gut

Sowohl um jeweils führend zu sein/bleiben, als auch, um sich selbst und die Welt schützen und verteidigen zu können – wer wäre denn dazu auch sonst legitimiert, willens und in der Lage? –, haben sie (nach ihrem pathologischen Selbstbild) nicht nur das Recht, sondern nachgerade die Pflicht, Alles und Jeden, Freund wie Feind, auszuspähen, abzuhören und zu observieren, denn wann wer wie die Führungsrolle der USA infragestellen, bedrohen, boykottieren oder sabotieren könnte, weiß man ja nie.

Deshalb versteht auch kaum ein US-Bürger – selbst überdurchschnittlich gebildete und US-Amerikaner mit Auslandserfahrung –, worüber sich abgehörte Ausländer und ausspionierte Unternehmen eigentlich mokieren und entrüsten. Was immer die selbst angemaßte Führungsrolle zu gefährden droht oder bedrohen könnte, muss frühzeitig erkannt und abgewehrt werden. Es geschieht alles nach Gottes Vorgaben, Wunsch und Wille sowie zum Wohle der Menschheit, die sich ohne den dienstbaren, heldenhaften Einsatz der USA längst in einem Dante’schen Inferno befände.

Gebaut auf Religion und Gewalt

Das uns Europäern sehr schlicht erscheinende, zumeist höchst religiös (bis bigott) untermalte* Weltbild der US-Amerikaner sollte jedoch nicht ein Bild des ‘doofen Amerikaners’ suggerieren. US-Bürger sind kein Jota dümmer oder beschränkter als Europäer, Asiaten oder andere Erdenbürger. Vielmehr steht dahinter ein in über 400 Jahren entwickelter “nationaler Autismus”, der mit dem Niedergang der europäischen, monarchistisch geprägten Weltmächte (England, Frankreich, Preußen, dem russischen Zarenreich, Österreich, Spanien und Portugal) als blutjunge, (scheinbar) unverdorbene Demokratie auf die Weltbühne trat [auf die Entstehungswehen der jungen USA, den Kampf gegen die britische Krone, die Ausrottung von mehr als 500 Indianerstämmen, die Zwangseinverleibung weiter Teile des Territoriums der heutigen USA sowie den Kampf gegen die Spanier in Texas, im South Belt, dem südlichen California u.v.a. soll hier nicht weiter eingegangen werden].

Der ‘Kalte Krieg’ und das diesen begleitende Wettrüsten der Supermächte ist Geschichte – nur ist dies noch nicht in den USA ruchbar geworden. Dort wird der Untergang des Sozialismus als Sieg des USA-definierten Kapitalismus bis heute gelehrt und verstanden – was insoweit schon sinnfremd ist, als der (sog.) ‘Sozialismus’ ein (illusionäres) gesellschaftspolitisches “Ideal” war/ist, wohingegen der ‘Kapitalismus’ ein wirtschaftspolitisches Denkkonstrukt beschreibt.

Der Sieg von Gottes Gnaden

Nun gilt es, so die Interpretation der Eliten in den USA (die den jeweiligen Bewohner des ‘Weißen Hauses’ als Grußaugust auf die Bühne stellen), diesen “Sieg” als göttlichen Beweis eigener Überlegenheit zu verstehen und den dadurch gewonnenen Vorsprung für immer und ewig zu zementieren. Daran darf teilhaben, wer sich – als tributpflichtiger Vasall und völkerrechtlich beileibe nicht wirklich unabhängig (Bundesrepublik Deutschland, Japan, Korea u.v.a.), versteht sich – den USA als Partner zur Seite stellt.

Wer sich dieser Superiorität der Vereinigten Staaten von Amerika hingegen in den Weg stellt oder aufmuckt – es gibt da so einige Zeitgenossen in Lateinamerika, im Maghreb, dem Mittleren Osten und in Asien; bisweilen schmollen auch Europäer oder Balkanbewohner –, der muss mit Rüge, Sanktion, Boykott oder Invasion rechnen; notfalls wird irgendein Eklat inszeniert, der auch die grundsätzlich friedliche Bevölkerung der USA kriegsbereit werden lässt.

Aber – zurück zum Titel – um nun stets zu wissen, woran man mit dem Rest der Welt ist, muss eben Jeder ständig kontrolliert, belauscht und ausgespäht werden. So einfach ist das. Worüber regen sich denn die Parteien und Politiker (nachgerade, wieder einmal, in Deutschland) eigentlich auf?

*In den USA gibt es ca 130.000 (zumeist protestantische) Churches - Kirchen/Sekten/Religionsgemeinschaften. Dies ist zum einen ein aus der ‘Declaration of Rights’ (1776, Virginia) abgeleiteter Anspruch auf religiöse Selbstverwirklichung, zum anderen ein perfektes Steuersparvehikel: Religionsgemeinschaften sind steuerbefreit und öffentlich-rechtlich vielfach privilegiert.

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