------------------------------------

---------------------------------------

-------------------------------------

-------------------------------------

Ostern – das Fest der Auferstehung und Gedanken zur Todesstrafe

Von Peter Haisenko 

Jesus Christus dürfte der prominenteste Fall einer vollzogenen Todesstrafe sein. Sie wurde in grausamer Weise vollstreckt und ohne diesen Akt der Barbarei würde es das Osterfest und die Feierlichkeiten zur Auferstehung Christi nicht geben. Es ist wohl eher Zufall, dass gerade in der Woche vor Ostern im US-Bundesstaat Arkansas ein Vollstreckungsmarathon angekündigt wurde: Sieben Hinrichtungen in elf Tagen sind geplant. Die Begründung dafür kann nur noch als pervers bezeichnet werden.

Die Fließband-Hinrichtungen – so wurde gemeldet – müssten jetzt durchgeführt werden, weil sonst das Haltbarkeitsdatum der Todesdroge verfällt und das Mittel dann nicht mehr eingesetzt werden darf. So die offizielle Begründung für die eiligst anberaumte Exekution von sieben Menschen – und das in „The World’s Leading Nation“, der Führungsnation der westlichen Welt, wie sich die USA selbst gern bezeichnet. Kann, darf es wirklich wahr sein, dass das Lebensende von Delinquenten davon abhängig gemacht wird, wie lange das Tötungsmittel noch gebrauchsfähig bezeichnet wird? Ist es nicht die Bankrotterklärung des Rechtsstaats, wenn nicht einmal die Mittel zur Vollstreckung der Todesurteile uneingeschränkt bereitgestellt werden können?

Was ist grausamer: Der schnelle Tod oder lebenslänglich in Einzelhaft?

Ich persönlich lehne die Todesstrafe grundsätzlich ab. Nicht nur, weil damit zu oft und zu willkürlich und aus politischen Motiven umgegangen worden ist, sondern auch, weil hunderte Fälle dokumentiert sind, bei denen Menschen nach jahrelanger Haft wegen erwiesener Unschuld schließlich doch aus der Todeszelle entlassen werden mussten – besonders in den USA. Ich lehne sie aber auch ab, weil ich den Tod für Schwerstverbrecher als die mildere Strafe erachte, erträglicher als den Rest seines Lebens hinter Gefängnismauern, womöglich in Einzelhaft, verbringen zu müssen. Gleichzeitig sehe ich aber auch eine besondere Grausamkeit in dem Verfahren, Menschen im Todestrakt dahinvegetieren zu lassen im Ungewissen, wann und ob überhaupt vollstreckt wird. Ist Rache das Motiv? Oder erheben sich die Vollstrecker in gottgleiche Sphären, indem sie sich anmaßen, darüber entscheiden zu können, was eigentlich nur Gott zusteht?

Todesurteile sind im Lauf der Geschichte auf die verschiedenste Weise exekutiert worden. Die Methode der Kreuzigung der Römer war grausam und wohl auch vom Gedanken der Rache und der Abschreckung geprägt. In diesem Sinne müssen auch die Steinigungen, die in islamischen Ländern bis heute gepflegt werden, die Verbrennungen auf den Scheiterhaufen des Mittelalters oder Tod durch und nach Folter gesehen werden. Dagegen erscheint eine Enthauptung als geradezu human, was nicht zuletzt als ein Motiv zur Erfindung des mechanisierten Todes durch die Guillotine in Frankreich zu verstehen ist. Den Regeln zur Vollstreckung der Todesstrafe in den USA liegen grundsätzlich auch humane Gedanken zugrunde. Sie darf nicht vorsätzlich grausam gestaltet werden. Dem entgegen steht allerdings die Tatsache, dass immer wieder von Hinrichtungen in US-Gefängnissen berichtet wird, bei denen der Delinquent erst nach stundenlangem Todeskampf Erlösung fand. Das ist in höchstem Maße grausam.

Ist mit der Verhängung der Todesstrafe ein überhöhter Sinn verbunden?

Die standrechtliche Erschießung darf wohl zu den humansten Verfahren gerechnet werden, wenngleich die Begründungen dafür kaum zu rechtfertigen sind. Immerhin gibt es keine lange und quälende Ungewissheit und der Tod tritt schnell ein. Für einen rechtschaffenen Menschen gibt es genau genommen keinen Grund, sich vor dem Tod zu fürchten, denn früher oder später ist er sowieso unausweichlich. Ich persönlich erachte den Tod als den spannendsten Moment des Lebens, denn erst danach haben wir Gewissheit, ob es eine „andere Seite“ gibt. Wenn nicht, dann ist es sowieso egal. Das mag jetzt fatalistisch erscheinen, aber letztlich geht es doch genau darum: Gibt es ein höchstes Gericht, vor dem wir uns verantworten müssen? Gibt es eine unsterbliche Seele, eventuell eine Wiedergeburt? Gewissheit über diese Fragen können wir frühestens mit dem Tod erwarten, wenn überhaupt.

Aus dieser Warte betrachtet, kann ein überhöhter Sinn der Todesstrafe gesehen werden in der Annahme, dass der Delinquent vorzeitig einer möglicherweise unvorstellbar grausamen Bestrafung durch ein Höchstes Gericht zugeführt wird. Gibt es das nicht, was wir nicht wissen können und dürfen, dann könnte die Todesstrafe als Erlösung von irdischen Qualen gesehen werden. Eben von lebenslangem Dahinsiechen im Gefängnis, besonders in der Todeszelle. Ist der manchmal jahrzehntelange Aufschub in der Todeszelle also als zusätzliche Bestrafung zur Todesstrafe an sich zu sehen? Oder ist er begründet in der Unsicherheit darüber, ob das Urteil wirklich „gerechtfertigt“ ist und eventuell revidiert werden muss? So oder so, die Todesstrafe soll „human“ vollstreckt werden und in diesem Sinn kann ich nur den Kopf schütteln, wie dilettantisch dabei in den USA vorgegangen wird.

Wenigstens innerhalb des Christentums sollte das sechste Gebot ernst genommen werden

Wenn ein Gericht, ein Richter, ein Todesurteil ausspricht, dann kann die Verantwortung darüber immer auf eine höhere Instanz abgewälzt werden. Entweder ist es ein Gesetz, auf das man sich beruft, oder es ist die Anordnung eines Höherstehenden. Wenn es ein Gesetz ist, wie in den demokratischen USA, dann wird die Verantwortung für ein Todesurteil letztlich auf die gesamte Bevölkerung abgewälzt. Schließlich ist das Gesetz, das die Todesstrafe vorsieht, in einem demokratischen Prozess entstanden, an dem alle Bürger – zumindest indirekt durch Wahlen – teilhatten. So wird auch in diesem Fall das größte Manko demokratischer Systeme offenkundig, nämlich, dass am Ende niemand für irgendetwas persönlich Verantwortung tragen muss, solange man sich im Rahmen der demokratisch geschaffenen Gesetze bewegt. Das dürfte denn auch einer der Gründe sein, warum wir so viele, zu viele Juristen in Spitzenpositionen der Politik finden. Sie sind diejenigen, die am besten wissen, wie sie Gesetze zu ihrem Vorteil bis an ihre Grenzen auslegen und so entgegen ihrem eigentlich gedachten Sinn missbrauchen können.

Nähme man die christliche Lehre, das sechste Gebot, ernst, hätte das über Jesus verhängte Todesurteil zumindest innerhalb des Christentums das letzte sein müssen. „Mein ist die Rache, spricht der Herr“, ist in der Bibel zu lesen. Wenn wenigstens wir uns daran hielten, wäre die Welt schon eine bessere. Wie pervers kann es da nur sein, wenn jetzt in Arkansas ein Tötungsmarathon veranstaltet werden sollte, mit der hanebüchenen Begründung, dass das Ablaufdatum der Tötungsinstrumente unmittelbar bevorsteht? Warum ist das überhaupt so?

Gerichtliches Veto in letzter Minute

Die Pharmaunternehmen, die den Todescocktail produzieren, weigern sich, weiterhin das für Hinrichtungen geeignete Gift zu liefern. Offensichtlich wollen die verantwortlichen Manager diese Sekundärverantwortung nicht mehr tragen. Wäre es angesichts dessen nicht angebracht, dass auch Politiker über ihre Verantwortung als Gesetzgeber nachdenken, anstatt noch schnell ein paar Hinrichtungen „gesetzeskonform“ durchziehen zu wollen? Immerhin sind in den letzten Jahrzehnten hunderte Todeskandidaten wegen erwiesener Unschuld entlassen worden. Wie viele tatsächlich unschuldig hingerichtet worden sind, wird niemals zu klären sein. Wie viele sind hingerichtet worden, aus politischen Motiven? Keiner von ihnen wird wie Jesus auferstehen, mag er auch noch so unschuldig gewesen sein. In einer modernen, christlich-demokratischen Gesellschaft hat die Todesstrafe keinen Platz.

Gewissermaßen in letzter Minute haben zwei US-Gerichte den geplanten Tötungsmarathon in Arkansas untersagt. Vorerst dürfen die Delinquenten – fünf von ihnen geistig behindert – wieder zurück in ihre Todeszelle und darauf warten, bis eines Tages die Wärter wiederkommen und sagen: „Mitkommen, heute ist es so weit.“ Diese psychischen Qualen können sich allerdings hinziehen, weil es eben keinen Nachschub der Todesdroge mehr geben wird, die Henker von Arkansas mit anderen Hinrichtungsmethoden aber nicht vertraut sind. So viel zur österlichen Gnade im Clinton-Staat.

Nach oben