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Terror und die leeren Worthülsen der Politikdarsteller

Von Peter Haisenko 

Ein Lkw rast in einen Weihnachtsmarkt in Berlin: Tote, Verletzte, Chaos. Die Situation ist unübersichtlich, belastbare Informationen über Wie? Warum? Wer? kann es noch nicht geben. Etwas Schreckliches ist geschehen, doch anstatt sich zu konzentrieren auf eine sachliche Berichterstattung, machen die Fernsehsender eine abendfüllende Show daraus, der man sich kaum entziehen kann. Zu den ständig wiederholten, aber eher inhaltslosen Kommentaren der Moderatoren und den Vermutungen der „fachkundigen“ Gäste werden Stellungnahmen von Politikern gestellt, die kaum substanzloser sein könnten, weil gesicherte Fakten eben noch nicht vorliegen. Hier, wie bei vergleichbaren Ereignissen passiert vor allem eines: Man zelebriert Betroffenheit.

Ist es nicht eine Selbstverständlichkeit, dass jeder mehr oder weniger berührt ist, wenn anderen Schreckliches widerfährt? Dass man sich Gedanken macht, über die Befindlichkeit der Betroffenen? Dass man wünscht, es wäre nicht passiert? Dass man eine unscharfe Angst verspürt, es könnte das eigene Umfeld treffen? Ist es da wirklich notwendig, jedem Kommentar die eigene Betroffenheit ausführlich voranzustellen? Wie ehrlich kann das sein, wenn es zu einem „Pflichtritual“ verkommen ist? Wenn der Bitte um einfache Informationen ein Schwall von Betroffenheit und Mitgefühl vorangestellt wird, dem dann kaum Informationen folgen? Ich meine, dabei handelt es sich um die üblichen leeren Worthülsen, die unsere Politiker so meisterhaft beherrschen, wenn sie keine solide Stellung beziehen wollen.

„Meine Gedanken sind jetzt bei den Angehörigen der Opfer und Verletzten des schrecklichen Vorfalls“, ist der veröffentlichte Kommentar der Kanzlerin. Dieser Satz findet sich fast wortgleich in den Kommentaren des Bundespräsidenten Gauck, Bundesinnenminister de Maizière, Berlins Bürgermeister Müller und nicht zuletzt SPD-Chef Gabriel. Soll man das wirklich glauben? Gibt es nach einem schrecklichen Ereignis nicht Wichtigeres, dem man nun seine Gedanken widmen sollte? Wie ehrlich kann das sein? Bei de Maizière folgt dann die nächste Worthülse aus dem Fundus der Nicht-Information: „Ich stehe in unmittelbarem und durchgehendem Austausch mit den Sicherheitsverantwortlichen im Land Berlin und habe jede Unterstützung durch die Bundespolizei angeboten.“ Ja, was könnte man sonst vom Bundesinnenminister erwarten? Könnte er nicht ehrlich sagen, dass er im Moment keine Ahnung hat, was da wirklich passiert ist? Tatsächlich hat er mit seiner Worthülse nichts anderes gesagt, aber es klingt wohl einfach besser, wenn er bekannt gibt, dass er sich seinen Aufgaben nicht entziehen will, was jedoch selbstverständlich sein sollte und deswegen eigentlich nicht gesagt werden müsste.

Mindestens ein Dutzend Mal wurde im Fall Berlin darauf verwiesen, dass Weihnachtsmärkte seit Jahren als mögliches Ziel von Terroristen erkannt worden sind – vom Terrorismusexperten des ZDF, Elmar Theveßen, und natürlich vom Innenminister. Eigentlich müsste man Weihnachtsmärkte verbieten, denn sie können nicht wirklich geschützt werden. Aber eigentlich kann man das nicht tun. Was soll das? Werden hier vorsätzlich Ängste geschürt oder holt man sich vorab Absolution, indem man eigentlich sagt, dass das Volk selbst schuld ist, wenn es nicht auf christliche Traditionen verzichten will? Ist es nicht eher so, dass man vom eigenen Versagen ablenkt, mit Worthülsen der Betroffenheit? Vom Versagen, die Kontrolle über das Geschehen im eigenen Land aufgegeben zu haben, durch unkontrollierte Zuwanderung? Ja, natürlich ist es unmöglich, absolute Sicherheit herzustellen und das ist letztlich auch eine leere Worthülse.

Ich habe mich wirklich geärgert, als ich die ZDF-Show zu dem Ereignis in Berlin verfolgt habe. Immer wieder wurden dieselben leeren Worthülsen wiederholt, unterbrochen mit den Betroffenheitsbekundungen der Politiker. Ist es nicht purer Populismus, dem Zuschauer immer wieder die eigene Betroffenheit zu servieren in der Hoffnung, wenigstens als „guter Mensch“ dazustehen? Ich habe die Hoffnung aufgegeben, von unseren Regierungsmitgliedern etwas anderes zu hören, als leere Worthülsen. Das einzige, was keine ist, ist die Ankündigung, die Überwachung und Kontrolle über diejenigen, „die schon länger hier sind“, ausweiten und perfektionieren zu wollen. Das macht mir einerseits Sorgen, aber gleichzeitig beruhigt es mich doch ungemein, wenn ich mir sicher sein kann, dass unsere Häuptlinge mit ihren Gedanken bei meinen Angehörigen sein werden, wenn ich denn Opfer eines Terroranschlags werden sollte.

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