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Griechisches Referendum – Feigheit, Frechheit oder wahre Demokratie?

Von Peter Haisenko 

Der Aufschrei ist groß, und er kommt auch von Menschen, die eigentlich freundlich zu Griechenland stehen: Wie kann Tsipras ein Referendum zur Schuldenkrise abhalten? Die Eurokraten hat er damit jedenfalls auf dem falschen Fuß erwischt und entsprechend vernichtend sind die Reaktionen.

Ich sage, Tsipras kann gar nicht anders. Seine Partei Syriza hat die Wahl gewonnen mit einem Wahlprogramm, das das Ende der Armutspolitik verspricht. Nun hat unser Schäuble dazu öffentlich gesagt, dass naiv sein müsste, wer daran glaubt, Wahlversprechen würden eingehalten. Ich empfinde das als eine mehr als merkwürdige Haltung zu Demokratie und Wahrheit, aber es entspricht unserer Erfahrung. Schäuble hat uns damit mitgeteilt, dass wir zumindest von ihm selbst bereits vor der Wahl vorsätzlich belogen werden und seine Wahlversprechen besser nicht in die Entscheidung einbeziehen, wem wir unsere Stimme geben.

Die Angst davor, dass der griechische Weg erfolgreich ist

Das griechische Volk hatte die Faxen dicke, um es mit EU-Schulz zu sagen. Es hat Syriza gewählt, weil es eine neue Politik will. Tsipras steht nun auf dem noblen Standpunkt, dass er seine Wahlversprechen einhalten will. Brüssel will jedoch genau das verhindern. Brüssel will Tsipras vorführen, indem er gezwungen werden soll, seine Wahlversprechen zu brechen. Das griechische Volk soll erzogen werden, nie wieder eine Protestwahl auch nur zu erwägen, weil mit dem Scheitern der Tsipras-Regierung bewiesen wäre, dass Wahlversprechen von niemandem eingehalten werden. Das kann und will Tsipras nicht zulassen.

Tsipras ist in Brüssel an der sturen und phantasielosen Haltung der EU-Finanzminister und vor allem des IWF gescheitert. Die europäischen Regierungen haben eine Heidenangst davor, dass die neue Regierung in Griechenland mit ihrem Programm Erfolg haben könnte. Dann nämlich würde allen Europäern bewusst, wie sie seit Jahrzehnten mit untauglichen Programmen ausgebeutet, belogen und betrogen worden sind. Es wäre das Ende der meisten europäischen Regierungen. Tsipras muss seinen Wählern eingestehen, dass er an Brüssel gescheitert ist. Eigentlich müsste er zurücktreten, aber das wäre fatal für Griechenland, denn dann würde die Verarmung neue Höhenflüge erreichen. Also hat er nur die eine Wahl: Ein Referendum.

Ein Lehrstück in Sachen Demokratie

Auch wenn ein solches Referendum beispiellos ist, ist es die einzige Möglichkeit, als demokratisch legitimierte Regierung seine Wahlversprechen nicht zu brechen. Tsipras kann das Diktat der EU nicht annehmen, will er nicht das Ergebnis der letzten Wahl auf den Kopf stellen und gegen den erklärten Willen seiner Wähler entscheiden. Ach ja, an solche Vorgänge sind wir gewöhnt? Schlimm genug. Tsipras wählt mit dem Referendum den einzig ehrlichen Weg: Er erklärt seinem Volk, seinen Wählern, seinem Souverän, dass er nicht mehr aus Brüssel mitbringen kann, als das “letzte, wieder einmal äußerst großzügige Angebot” hergibt.

Es ist weder Feigheit noch undemokratisch, diesen Weg zu gehen. Tsipras muss sich der Zustimmung seiner Wähler versichern, bevor er ein Wahlversprechen brechen darf. Dieses Referendum ist gleichsam die Frage ans Volk, ob es immer noch den Weg gehen will, der von Syriza versprochen worden ist, oder ob man sich lieber wieder unter das Armuts-Kuratel der Troika begeben will. Ein ehrlicheres, demokratisches Vorgehen kann ich mir nicht vorstellen.

Der Weg ins Referendum ist ein Lehrstück in Sachen Demokratie, Ehrlichkeit und Wahlversprechen, an dem sich alle sogenannten Demokraten ein Beispiel nehmen sollten. Griechenland und die Regierung Tsipras zeigen der Welt, wie ehrliche Politik gehen sollte. Allerdings muss auch er sich darüber im Klaren sein, dass es Neuwahlen geben muss, wenn die griechischen Wähler sich gegen seine Politik entscheiden sollten. Auch das ist ehrliche Demokratie, denn eine Regierung kann nicht in Würde im Amt bleiben, wenn sie Wahlversprechen bricht oder das Volk die Gefolgschaft verweigert.

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